Traumstrände
Genervt von den ewigen Afrobeat-Vergleichen, haben Vampire Weekend auf ihrem zweiten Album zu einer selbstbewussten musikalischen Sprache gefunden.
Die Namen „Graceland“ und „Paul Simon“ möchte Ezra Koenig am liebsten überhaupt nicht mehr hören. Zu oft wurde die Musik seiner Band Vampire Weekend mit dem Klassiker der afrikanisch inspirierten Weltmusik verglichen und Koenigs Stimme mit der seines Kollegen. „Wir kommen beide aus der gleichen Welt, auch wenn Paul Simon älter ist“, ruft Koenig in die lärmerfüllte Bar eines Hamburger Hotels. ‚Graceland‘ ist nicht deshalb gut, weil es Elemente afrikanischer Musik enthält, sondern weil es viele gute Songs enthält.“ Stimmt. Die hohe Qualität der Songs wurde beim Erscheinen des Vampire Weekend-Debüts vor zwei Jahren leider weniger diskutiert als die Tatsache, dass hier eine blutjunge Indie-Band ihre Musik mit afrikanischen Klängen auflud. Damals noch vorsichtig und längst nicht so beherzt, wie man angesichts des Hypes hätte denken können. Der Nachfolger „Contra“ entspricht da deutlich mehr den Erwartungen – denen der Band, aber auch denen von Fans und Medien.
Um der Promotion noch etwas mehr Dampf zu verleihen, haben sich die Musiker von Vampire Weekend heute über die Hotelbar verteilt, jeder redet im 20-Minuten-Takt mit einem Journalisten, das Interesse ist groß. Ezra Koenig, der inzwischen 24 Jahre alt ist, aber jünger aussieht, wurde mir zugeteilt. „Beim ersten Album hat man uns noch laufend mit anderen Leuten und deren Musik verglichen. Mit .Contra‘ sind wir näher an einem Sound, der uns nun so zeigt, wie wir wirklich sind“, behauptet Koenig.
Die neuen Songs sind sparsamer arrangiert als zuletzt. „Wenn ein Streicher-Ensemble besser passte als Gitarren, dann nahmen wir halt das Streicher-Ensemble. Und wenn eine fette 80s-Bassdrum besser klang als ein Schlagzeug, dann ließen wir das Schlagzeug eben weg“, schildert der Sänger die Produktion des Albums.
„‚Electro‘ ist schließlich schon lange kein Trend mehr, sondern ein Teil der musikalischen Landschaft.“
Eins der gelungensten Stücke ist trotzdem die dunkle Ballade „I Think U R A Contra“. Auch das ebenfalls recht ruhige „Taxi Cab“ ist für Koenig ein Beweis, dass Vampire Weekend mit „Contra“ künstlerisches Neuland betreten: „Klar, nun werden sich einige fragen, warum es bei Vampire Weekend jetzt Synthesizer, synthetische Drums und Songs ohne Gitarren gibt. Aber so lange man dafür sorgt, dass alles miteinander verbunden ist, sollte man so weit ausholen wie möglich.“
Nicht geändert hat sich bei Vampire Weekend das Bekenntnis zu ihrer Upper Class-Herkunft, das sich jetzt nicht nur in entsprechenden Videos manifestiert, sondern auch auf dem Cover: Ein blondes Mädchen trägt ein Ralph-Lauren-Poloshirt und sieht verdammt gut darin aus: Ist sie ein Preppy?
„Interessant ist für mich die Tatsache, dass man auch uns oft für Preppys hält und glaubt, unsere Familien seien reich“, beginnt Koenig einen Monolog zum Thema Klasse und Wohlstand. „Wir fanden den Look des Covergirls bemerkenswert – und ja, ich mochte auch die Idee, dass sie ein Preppy ist. Aber es ist schon interessant zu sehen, was man auf ein Mädchen in einem Poloshirt alles projizieren kann.“
Da mag Koenig recht haben, doch im Vergleich zur gelungenen Musik sind die oft kryptischen Texte ein Schwachpunkt. Da ist tatsächlich etwas zu viel Sand in den Schuhen – von den Traumstränden dieser Welt. Altmeister Simon hat in dieser Hinsicht noch immer die Nase vorn.