Towers Of London – XTC
Zeitloser Power Pop, visionäre Experimente, aber auch Gründer Andy Partridges furchtbares Lampenfieber, das ab 1983 Tourneen unmöglich machte: Die Vita von XTC auf Kurzform gebracht, muss von den anfänglich großen Erwartungen berichten, darf aber letztlich auch nicht das zwangsläufige Scheitern dieser Band verschweigen, die sowohl das Talent als auch das Personal hatte, um als „New Wave Beatles“ in die Pop-Annalen einzugehen. Als „the thinking man’s Punk band“ beschrieb der New Musical Express im Revolutionsjahr 1977 das Quartett aus dem Provinzstädtchen Swindon in der Grafschaft Wiltshire. Doch auch diese vollmundige Erklärung enthält nur die halbe Wahrheit. Denn als echte Punks betrachtete sich die 1972 unter dem Logo Helium Kidz als Glam-Rock-Eleven an den Start gegangene Band eigentlich nie. Vielmehr nutzte das nach mehreren Umbesetzungen ab 1983 im Trio operierende Kollektiv den heftigen Punk-Urknall lässig als Mittel zum Zweck. Andy Partridge, Hauptkomponist, Sänger, Gitarrist und eloquentes Sprachrohr, lässt sich auch Jahrzehnte später noch gerne als Bandboss titulieren, der er freilich nie war und auch heute nicht ist. Zumindest nicht alleine. Denn Bassist und Zweitstimme Colin Moulding lieferte ebenfalls exzellente Songbeiträge, und auch Gitarrist Dave Gegory, der 1979 Keyboarder Barry Andrews ersetzte, etablierte sich als letzter Neuzugang über Jahre hinweg als unentbehrliche Verstärkung. „This Is Pop“ betitelten XTC frech im April 1978 ihre dritte Single und bewiesen nach den beiden ebenfalls exzellenten Vorgängern „Science Friction“ und „Statue Of Liberty“ ein treffliches Gespür für den Zeitgeist: Ob im post-psychedelischen Seitenprojekt The Dukes Of Stratosphear oder aber als XTC – das mit hintersinnigem, britischem Humor und reichlich Intelligenz gesegnete Repertoire der Band zählt nach wie vor zu den Glanzlichtern im Pop der achtziger Jahre. Von Anbeginn überraschten XTC mit klanglicher Flexibilität, verblüfften mit Kunstgriffen und stilistischen Gratwanderungen zwischen Pop, Rock, Blues, Jazz, Psychedelic, Punk und Elektronik. Andy Partridges kantig formulierte Lyrics stehen zu Recht in einer Reihe mit denen von John Lennon und Ray Davies, auch wenn das die Welt heutzutage nicht mehr zu würdigen weiß. Zu Partridges markantesten Songs zählt zweifellos der Klassiker „Towers Of London“, ein spöttischer Rückblick auf den vergangenen Glanz des britischen Empires und die Ära von Königin Victoria. Sarkastische Textzeilen wie „Towers Of London/When they had built you/Did you watch over the men who feil?“ verpackten XTC in einen kompakten Ohrwurm mit schlicht hochinfektiösem Refrain. Doch im Jahr 1980 gingen die Uhren irgendwie anders. Weder der Single-Auskopplung, noch dem dazugehörigen Album „Black Sea“ war mehr als ein Achtungserfolg beschieden. XTCs kurze Phase des kommerziellen Erfolgs begann erst zwei Jahre später mit dem aus unerfindlichen Gründen seinerzeit nur in England als Doppelalbum erhältlichen Werk „English Settlement“. Offiziell existieren XTC noch heute. Aber nur auf dem Papier, denn zu hören gab es schon länger nichts Neues mehr. Black Sea (1980)