Interview über Toten Hosen: „Es ist kein Verrat, nüchtern auf die Bühne zu gehen“
Mit „Weil Du nur einmal lebst“ kommt eine Dokumentation über die 2018er-Tournee der Toten Hosen ins Kino, die nun auch auf Blu-ray und DVD erschienen ist. Ein Interview mit Campino und der Regisseurin des Films, Cordula Kablitz Post, über abgelegte Feier-Rituale, den Hörsturz und fanatische Fans aus Argentinien.
Ein Archiv-Klassiker vom 6.2.2019.
Mit „Weil Du nur einmal lebst“ läuft am 28. März 2019 ein Film über die Toten Hosen im Kino an, der das besondere Tour-Jahr 2018 dokumentiert. Neben Höhepunkten wie der ausverkauften „Laune der Natour“, gab es auch dramatische Ereignisse, wie Campinos Hörsturz, der zum kurzzeitigen Abbruch der Konzertreise führte. Gegen Ende des Sommers trat die Band dann beim „Wir sind mehr“-Festival in Chemnitz auf, später ging es noch nach Argentinien, wo die Düsseldorfer eine treue Anhängerschaft haben.
Am 30. August 2019 ist der Film auch fürs Heimkino erschienen, man kann ihn hier auf Blu-ray und DVD bestellen.
ROLLING STONE traf Campino und Regisseurin Cordula Kablitz-Post am Tag nach der Doku-Weltpremiere auf der Berlinale im Februar 2019.
Zu Beginn gibt es eine unfreiwillig lustige Szene: Campino, Sie sind über die Position eines Bühnen-Mikros erzürnt – „Hat das überhaupt jemand schon mal benutzt?“
Campino: Es gibt bestimmt Abende, an denen jemand drei bis viermal in dieses Mikro gesungen hat. Aber in diesem Moment kam mir der Gedanke: Stand das Ding schon immer da? Jedes Mal, wenn ich mich beim Soundcheck zur Seite bewegte, musste ich mich um dieses Mikro winden! Die Positionierung war typisch für Ideen, die irgendwann mal umgesetzt werden – und dann hinterfragt man sie einfach nicht mehr. Wie eine Mitgliedschaft im ADAC, wenn man schon längst kein Auto mehr hat.
Frau Kablitz-Post, haben Sie gemeinsam mit der Band auf Ausgewogenheit von heiteren und ernsten Szenen geachtet?
Kablitz-Post: Gemacht hat den Film ja nicht die Band, sondern mein Drehteam und ich. Wir saßen mit dem Material alleine im Schnitt. Es gab inhaltlich keine Vorgaben.
Campino: Wir haben keine Ratschläge gegeben wie „in Stück 17 wird jemand springen, bitte haltet die Kamera drauf“.
Kablitz-Post: Wegen Campinos Hörsturz wurde im Juni die Tournee unterbrochen. Meine Cutterin und ich nutzten die Pause, um schon mal am Schnitt zu arbeiten.
Campino: In dieser Hinsicht erwies sich mein Hörsturz fast als Glücksfall für den Film. Alle reden immer nur über diese Szenen! Im Sommer war ich noch böse über den Vorfall, aber jetzt hört es sich fast so an, als hätte er den Film gerettet (lacht).
Kablitz-Post: Es gab den lustigen Kommentar eines Roadies: „Gebt es zu, ihr habt den Hörsturz doch inszeniert!“ Natürlich sind Krisen für die Dramaturgie eines Films dankbare Ereignisse. Aber wie könnte man solche planen?
Dies war dafür ein schöner Moment: Campino legt sich im Tourbus ins untere der Etagenbetten. Ich dachte immer, Sänger wären wie die Anführer bei Klassenfahrten: Legen sich in der Jugendherberge selbstverständlich oben hin.
Campino: In meiner Jugend habe ich auf Klassenfahrten tatsächlich immer im oberen Bett geschlafen, seit ein paar Jahren liege ich aber lieber unten.
Kablitz-Post: Warum hat sich das geändert?
Campino (überlegt): Vielleicht bietet das untere Bett ein besseres Versteck? Auf jeden Fall ist Schlafen im Tourbus etwas unglaublich Schönes.
Was gefällt Ihnen daran?
Campino: Das monotone Motorengeräusch, gerade bei Autobahnfahrten. Man sackt förmlich weg. Das einschläfernde Dröhnen empfinde ich als sensationell. Es führt zu komischen Träumen, aber auch wohltuendem Schlaf. Man kann eh nichts an der Situation ändern, in der man sich befindet, nämlich auf der Durchreise zu sein. Ich spüre dann irgendwie eine Art Erlaubnis, tagsüber zu ruhen: Läge ich zuhause mittags im Bett, würde ich denken, eigentlich gebe es was Wichtigeres zu erledigen. Im Tourbus aber gibt es nicht viel zu tun, man vertreibt sich die Zeit auf dem Weg zur Halle.
In einer Szene schleudert Campino im Backstage-Raum dem Kameramann ein „Raus!“ entgegen. Frau Kablitz-Post, hätten Sie sich darüber hinwegsetzen können?
Kablitz-Post: Es war vereinbart, dass wir alles drehen, überall dabei sein durften. Der Plan sah vor, sehr präsent zu sein, damit Die Toten Hosen sich an das Filmteam gewöhnen. Aber es gibt eben auch Momente, in denen man einer Band mit seinen Geräten auf die Nerven geht. Und wir hatten große dabei – Kino-Kameras, die waren nicht gerade unauffällig. Das hatte sie in jenem Moment vielleicht gestört, gerade im Backstage-Bereich, wo die Gänge enger sein könnten, sich alle gegenseitig im Weg stehen.
Die Toten Hosen absolvierten damals einen der ersten Auftritte nach Campinos Hörsturz.
Kablitz-Post: Es ging um Probleme mit seinem In-Ear-System. Er kritisierte den Tontechniker, der die Lautstärke falsch eingestellt hatte. Campino war deswegen gereizt. Unser Kameramann kam zu spät in den Raum, das war der Fehler. Hätte er Campino von Anfang an begleitet, das Ganze wäre womöglich kein Problem gewesen – nun kam unser Mann ihm vielleicht wie ein Störenfried vor, der in eine intime Situation hereinplatzt. Deshalb hat Campino mit dem Handtuch geschmissen. An Konzertabenden ist bei allen der Adrenalinspiegel hoch.
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Wie löste sich der Streit auf?
Kablitz-Post: Ich hatte den Rauswurf gar nicht mitbekommen. Ich stieß hinzu, fragte, warum mein Drehteam jetzt nur noch auf dem Flur stünde. „Die Security lässt uns nicht mehr in den Raum!“, sagten sie. Aber wir hatten mit der Band vereinbart, dass wir überall dabei sein dürften. Ich steckte erst den Kopf vorsichtig durch die Tür, um mich zu vergewissern, dass keine weiteren Gegenstände auf uns geworfen werden, dann gingen wir wieder rein.
Campino, wie beurteilen Sie die Situation im Rückblick?
Campino: Die Vereinbarung, das Filmteam dürfe alles drehen, war für uns verbindlich. Es war klar, dass es zu Szenen wie in der Garderobe kommen kann. Dann werden solche Dokumentationen ja auch erst richtig interessant. Aber wenn es zu einem Ausbruch kommt, sind solche Zusagen natürlich erst einmal egal.
Warum der Rausschmiss?
Campino: Ich bin mir nicht mehr sicher, aus welchen Gründen ich den Kameramann rausgeworfen hatte. Vielleicht, weil ich jemanden aus unserer Crew kritisiert hatte – es ging da ja nicht um Streit unter den Toten Hosen, sondern um einen Tontechniker. Es war vielleicht ein Schutzreflex. Ich kann nicht ausschließen, dass ich in jenem Moment dachte: Ich möchte nicht, dass das aufgezeichnet wird, das ist dem Mann gegenüber nicht in Ordnung, der kann möglicherweise sein Gesicht nicht mehr wahren und wird vor einem Riesenpublikum als Vollidiot dargestellt. Auf Tour ist man halt hin und wieder gereizt und so haben wir die Kameraleute auch schon mal umgerannt, wenn sie im Weg standen. Wenn das passierte, entschuldigten wir uns hinterher. Ich musste bei den Dreharbeiten in solchen Szenen auch immer an andere Musik-Dokus denken.
Welche kommen Ihnen in den Sinn?
Campino: Es gibt natürlich den berühmten Metallica-Film, „Some Kind of Monster“, aber ich erinnerte mich eher an eine Doku über The Clash. Auch darin wird über das Drehteam gesprochen, Joe Strummer urteilte im Rückblick: „Das war eine derart ätzende Zeit, und mir sind die Typen mit ihren Kameras komplett auf den Sack gegangen, gerade auf der Bühne. Aber ich akzeptiere, dass unser Film nur auf diese Weise gut werden konnte. “ Es ist wie mit Urlaubsfotos. Wenn sie geschossen werden, ist jeder davon genervt. Aber wenn man zuhause ist, schaut man sie sich gerne an.
Die Backstage-Szene war auch deshalb aufschlussreich, weil Sie danach noch mal für Zugaben auf die Bühne gegangen sind. Fans ahnen nicht, welche Wut sich hinter den Kulissen abspielen kann.
Campino: Alles, was zuvor passiert ist oder uns aktuell beschäftigt, seien es familiäre Probleme oder persönliche Unglücke, muss man ausblenden, sobald es auf die Bühne geht. Besonders schwierig ist es bei Todesfällen, unter Umständen sagt man das Konzert eher ganz ab. Das Publikum will unterhalten werden, und ich kann diesen Anspruch auch verstehen. Du musst professionell liefern.
Campino berichtete seinen Bandkollegen von der Hörsturz-Diagnose. Wie planten Sie dieses Gespräch?
Campino: Inszeniert wurde nichts. Cordula hörte, dass wir ein Treffen planten, um alle auf denselben Stand zu bringen und zu besprechen, wie es weitergehen sollte. Schon vor der Zusammenkunft wussten alle Beteiligten, dass ich einen Hörsturz erlitten hatte. Ich war mit meinen gesundheitlichen Sorgen dennoch mehr oder weniger allein. Was soll die Band dazu auch groß sagen? Ich hatte keine Schmerzen, aber war auf einem Ohr taub – für mich, in meiner Position eine Katastrophe. Ich fürchtete einen Totalverlust meines Gehörs. Da war der Spaß mit dem Kamerateam für mich augenblicklich vorbei.
Wie meinen Sie das?
Campino: Cordula fragte, ob das Team mich ins Krankenhaus begleiten könne. Das lehnte ich kategorisch ab, denn es hatte mit der Tournee, die alleiniger Gegenstand des Films sein sollte, nichts mehr zu tun. Ich wollte nicht, dass man mein Gesicht filmt, während mir die Hörtest-Ergebnisse mitgeteilt würden. „Kommt mit und haltet einfach drauf“, das galt nicht mehr. Dies war mein Privatbereich, da habe ich für mich die Grenze gezogen.
Wie sah Ihr Tag als Patient aus?
Campino: Ich war eine Woche lang jeden Tag zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus und habe stundenlang Infusionen bekommen.
Die oft nichts bringen!
Campino: Offener Ausgang, das schlägt bei jedem anders an.
Manche gehen in die Unterdruck-Kammer.
Campino: Das hat Andi, unser Bassist, auch mal versucht. Klar, man probiert vieles aus, was in der Therapie angeboten wird, Akupunktur zum Beispiel. In dem Moment fiel mir auch ein, dass der Sänger von AC/DC über Nacht nach Hause geschickt wurde mit der Befürchtung, er würde taub. Es gab in meinem Fall keine klare Diagnose zur Ursache des Hörsturzes. Da muss man die Sache dann mit sich selbst aushandeln.
Teil 2: Über Tour-Alltag, Partys und Argentinien:
Wie sind Sie zu einer Entscheidung über den weiteren Tourneeverlauf gekommen?
Campino: Die Ärzte konnten lediglich sagen: „Wenn sich innerhalb von vier Wochen keine Verbesserung zeigt, tut sich da auch nichts mehr. Die Entscheidung, ob Sie dann noch auftreten wollen, können wir Ihnen nicht abnehmen.“ Mein Entschluss lautete, dass es ab einem Tag X weitergehen würde, ganz egal, wie es dann um mich stünde. Ich würde wieder auf die Bühne gehen und die Tour zu Ende bringen.
Campino sagt: „Guten Morgen“, die anderen entgegnen: „Guten Morgen“ – wurde das geprobt?
Kablitz-Post: Der Austausch der Musiker über den Hörsturz ist einer meiner Lieblingsmomente. Nichts davon ist inszeniert. Wir haben versucht, alles zu erfassen und keinen von ihnen aus dem Konzept zu bringen. Dementsprechend waren wir bei jenem Treffen so still, wie es geht. Wir drehten bereits am Morgen in der Berliner Waldbühne, weil Die Toten Hosen dort auftreten sollten.
Wie haben Sie mit Ihrem Team auf die Ereignisse reagiert?
Kablitz-Post: Es gab den Anruf beim Tourmanager mit dem Beschluss der Konzert-Absage. Alles bricht dann zusammen. Ich hatte mit Andi telefoniert, der mir die Nachricht überbracht hatte. Wir machten uns auf zur Band. Wirklich jeder, dem Campino die Diagnose persönlich mitteilte, wurde davon überrascht, und das haben wir auf Film.
Campino (lacht): Dass nichts inszeniert war, sieht man doch auch am Auftritt des Kellners während unseres Gesprächs. Man will so jemanden in solchen Momenten doch nicht wirklich im Bild haben, wie er unvermittelt fragt: „Möchten Sie noch was trinken?“
Kablitz-Post: Und es ist wirklich so: Die Bandmitglieder begrüßen sich mit „Guten Morgen!“
Später sind Die Toten Hosen beim Soundcheck, Campino singt „Tage wie diese“ und „Unsterblich“ – was auch im Kontext der Hörsturz-Diagnose funktioniert.
Campino: Natürlich bekommen bestimmte Lieder in solchen Momenten für einen selbst eine andere Bedeutung. Das Publikum wird davon aber nicht berührt. Eine Großveranstaltung abzusagen macht selbstverständlich keinen Spaß. Viele Gedanken schwirren einem durch den Kopf: Das Wetter ist perfekt, aber heute müssen 30.000 Fans nach Hause gehen und sind enttäuscht, während es für einen selbst nichts gibt, was man tun kann… die Lebenserfahrung kann einem helfen, ruhig zu bleiben. Der Hörsturz war ein Warnsignal. Es ist menschlich, dass sich jeder, bei dem die Dinge eigentlich gut laufen, auch mal überschätzt. Man glaubt, alles ist im Lack, und dann springt plötzlich eine Sicherung raus.
Im Film geht es auch um Tour-Routinen. Wie hätte „Weil Du nur einmal lebst“ vor 20 Jahren ausgesehen?
Campino: Unsere ganz naiven Zeiten waren spätestens 1997 vorüber. Damals starb bei unserem 1.000. Konzert ein junges Mädchen im Gedränge vor der Bühne. Dieser Tag war eine Zäsur. Von da an waren wir eine andere Band. Zu Ihrer Frage: Wie sich Die Toten Hosen vor exakt 20 Jahren gefühlt haben, kann ich nicht mehr genau sagen, aber ich weiß: Wir waren sehr, sehr lange bemüht, in der Punk-Szene nicht unseren „Ruf zu verraten“. Deshalb waren wir teilweise regelrecht verklemmt.
Wie zeigte sich das?
Campino: Manchmal fehlte die Lockerheit zu sagen: „Wir müssen uns nichts beweisen, wir brauchen nicht immer die Letzten sein auf einer Party.“ Heute denke ich anders. Es ist kein Verrat an der Sache, wenn man dazu steht, nüchtern auf die Bühne zu gehen.
Warum musste man trinken?
Campino: Alles andere hätte schon im Rollenverhalten untereinander zu Problemen geführt. In den 1990ern hatten wir einen Ehrenkodex: Wenn einer den anderen aus dem Hotelbett zog, weil er feiern wollte, mussten alle anderen mitmachen. Die Manic Street Preachers zum Beispiel, die mit uns auf Tour waren, standen ganz fertig herum, nachdem wir sie um 1 Uhr morgens aus den Zimmern geholt hatten, wollten aber nicht schon zu Beginn der Reise unangenehm auffallen. Sie kamen gerade aus Amerika, kannten uns noch nicht so gut und haben dann gute Miene zum bösen Spiel gemacht. So lief es andauernd ab: bloß nicht zugeben, dass man schlapp ist und sich einfach nur hinlegen will.
Kablitz-Post: Vor 20 Jahren hat Kuddel noch getrunken, oder? Da waren die Partys sicher noch heftiger?
Campino: Kuddel hat damals die Notbremse gezogen. Keine Drogen mehr, kein Alkohol. Wenn so einer dann nüchtern rumsitzt, während alle anderen durchdrehen, nimmt man ihn als störendes Element wahr. Er war das personifizierte schlechte Gewissen. Dann fing einer an, mit dem Rauchen aufzuhören. Ein Dritter sagte, er trinke jetzt nicht mehr vor, sondern nur noch nach den Shows. Ich finde es heute schön, dass sich niemand mehr nach einer Regel verhalten muss. Jeder wird mit seinem Benehmen in Ruhe gelassen.
Campino kommt auch auf den 1993er-Song „Wünsch Dir was“ zu sprechen und setzt ihn in Bezug zu Helmut Kohls Versprechen „blühender Landschaften“.
Kablitz-Post: Mir war wichtig, auf die Klassiker der Toten Hosen Bezug zu nehmen, deren damalige Relevanz abzubilden, aber auch, wie sie zu aktuellen Ereignissen passen. „Bonnie & Clyde“ verwendeten wir also für die Szene, als die Band in Dresden über den Schwimmbadzaun steigt. „Tage wie diese“ mit dem Konfetti auf der Bühne, das wirkte wie eine Befreiung – Campino hatte da seinen Hörsturz überwunden.
Bestimmten die Songs die Dramaturgie des Films?
Kablitz-Post: Das Motto war: Die Ereignisse geben der Doku den Inhalt vor, dann kam die Frage – welches Lied passt dazu? Gleichzeitig sollten die Stücke in einem Flow stehen, also Teil einer einzigen Erzählung sein. „Frühstückskorn“ war Punk, der beim Auftritt im Berliner Punk-Club SO 36 gespielt wurde. Für „Willkommen in Deutschland“ verwendeten wir Aufnahmen von „Wir sind mehr“ in Chemnitz, dem Festival gegen Nazis. Zuvor schon brachten Die Toten Hosen „Pushed Again“ in Gräfenhainichen, als die Rechten in Chemnitz anfingen auf die Straße zu gehen. Auch das landete im Film.
Welche Szenen sind entfallen?
Campino: Die Band hat sich beim Schnitt aus gutem Grund nicht eingemischt. Es gab Momente, die mir am Herzen lagen, es aber nicht in die finale Fassung geschafft haben, das ist in Ordnung. Dennoch bin ich gegenüber einigen Leuten in großer Erklärungsnot. Denn die wollen sicher bald wissen, warum sie nicht in der Doku vorkommen, obwohl sie sich darauf gefreut hatten. In Südamerika waren zum Beispiel während unserer Tournee drei ehemalige Klassenkameraden aus der 10b dabei, die auch aufgezeichnet wurden.
Kablitz-Post: Die Szene hätte ich auch gerne verwendet. Aber wir nahmen tausende Minuten Drehmaterial auf, mussten harte Entscheidungen treffen.
Campino: Ich fragte Cordula, ob sie nicht mal mit denen reden möchte, sie hätten bestimmt gute Geschichten aus der Schulzeit auf Lager. Und nun tauchen sie im Film nicht auf…
Ein Fall für einen Director’s Cut?
Kablitz-Post: Das ist ja schon mein Director’s Cut.
Campino: Die Jungs aus meiner Schule werden leicht enttäuscht sein. Sie hatten sich so viel Mühe gegeben.
Kablitz-Post: Das Timing, die Abwechslung müssen stimmen. Die Geschichte durfte nicht abgebremst werden, es geht ja nicht um Anekdoten, sondern um Einblicke in den aktuellen Touralltag der Band.
Welche weiteren geschnittenen Szenen waren bedeutsam?
Campino: Ich bin sehr stolz darauf, dass es in Buenos Aires eine Toten-Hosen-Bar gibt. Fans haben diesen Laden eröffnet, wir selbst haben damit nichts zu tun. Überall Devotionalien an der Wand, Plattencover, Konzert-Eintrittskarten. Ich glaube, sie schenken auch Alt-Bier aus. Wir sind da mal aufgekreuzt.
Die müssen ja einen Rappel gekriegt haben.
Campino: Sie haben alle Leute zusammengetrommelt, auch die aus der Küche. (spricht wie ein Spanier): „Ah! Campino!“ Eine tolle Begegnung, wir kommunizierten irgendwie, denn sie sprachen kein Englisch.
Kablitz-Post: Wir hatten 90 Film-Minuten geplant, am Ende sind es 106 Minuten geworden.
Campino: Klar ist man versucht zu sagen: „bitte noch diese Szene rein, jene auch“ – aber es wäre doch Quatsch gewesen, eine reine Anekdotensammlung zu produzieren.
Kablitz-Post: Im Schnitt gibt es ein klares Prinzip: die Geschichte steht im Vordergrund und darüberhinaus gilt „Kill Your Darlings“. Und „Darlings“ – von denen hatten wir eine Menge.
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