Ton, Steine, Scherben: Gitarrist R.P.S. Lanrue ist tot
Er begann als Fußballer und Drummer. Mit Rio Reiser schrieb er legendäre Songs wie „Keine Macht für Niemand“. Claudia Roth ist „tief getroffen"
Der Mitbegründer, Komponist und Lead-Gitarrist der West-Berliner Band Ton Steine Scherben R.P.S. Lanrue, ist nach schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie im Berliner Stadtbezirk Kreuzberg verstorben. Lanrue litt an Krebs und wurde 74 Jahre alt. Das meldete zuerst die Tageszeitung „taz“.
Gemeinsam mit Sänger Rio Reiser bildete Lanrue das „Lennon/McCartney-Duo“ der Band. Eng verbunden mit der West-Berliner Sponti- und Protest-Szenerie sorgten Ton, Steine, Scherben seit Ende der 1960er-Jahre für den Soundtrack der Bewegung. Songs wie „Macht kaputt, was euch kaputt macht“, „Rauch-Haus-Song“ oder „Keine Macht für Niemand“ haben ihren Weg vom Straßenkämpfer-Underground bis in den Kanon der deutschsprachigen Popmusik genommen.
Ralph Peter Steitz (so sein bürgerlicher Name) wurde 1950 in der Alpen-Stadt Grenoble geboren. Er trug seine französische Vergangenheit in seinem Phantasie-Künstlernamen Lanrue. Sein deutscher Vater hatte aus der Kriegsgefangenschaft nach dem Zweiten Weltkrieg heraus seine Mutter kennengelernt. Im Jahr 1963 zog die Familie mit ihren vier Kindern in ein Dorf in Hessen.
Der talentierte Mannschaftssportler, der mit Rugby begonnen hatte, schloss sich als Teenager dem örtlichen Fußballverein an. Später begann er mit der Musik. Anfangs noch als Schlagzeuger. Durch die Zufälle des Lebens traf er 1966 in der Ortschaft Nieder-Roden auf den gleichaltrigen Ralph Möbius, später besser bekannt als Rio Reiser. Der damalige Drummer Lanrue suchte einen Gitarristen und ließ Reiser einen Song der Stones vorspielen. Unter den Namen Beat Kings und De Galaxis spielten die beiden in erster Linie Coverversionen, aber auch erste eigene Lieder.
Um der Einberufung zur Bundeswehr zu entgehen, zog Rio Reiser nach West-Berlin. Lanrue, der ja einen französischen Pass hatte, folgte ihm. Anfangs lebten die Musiker den klassischen Sponti-Style in der lehendären Kommune am Tempelhofer Ufer, allerlei Action und Razzien der Polizei inklusive. Spätere Mitglieder der RAF kamen zu Besuch. Es war der Vorhof zur Häuserbesetzer-Szenerie.
„Macht kaputt, was euch kaputt macht“
Die beiden schrieben als blutjunge Anfänger für das Theaterstück „Rita und Paul“ einen der berühmtesten Songs der Band, die sich anfangs noch Rote Scherben nannte: „Macht kaputt, was euch kaputt macht“. Die Urbesetzung bestand aus dem Songschreiber-Nucleus Reiser und Lanrue, dazu Bassist Kai Sichtermann sowie Schlagzeuger Wolfgang Seidel. Bei Ton, Steine, Scherben gab es diverse Umbesetzungen, bis Rio Reiser Mitte der 1980er schließlich für eine Solo-Karriere ausstieg.
R.P.S. Lanrue spielte noch einige Konzerte mit den Rest-Scherben, ging mit Reiser für dessen Solo-Alben ins Studio und spielte in seiner Live-Band. Er zog sich dann für mehrere Jahre nach Portugal und später ins Scherben-Camelot nach Fresenhagen zurück, bevor er wieder nach Berlin zurückkehrte.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth, ab 1982 Managerin in der späteren Phase der Band, zeigte sich traurig und tief getroffen. Das ist ein großer Verlust, auch für mich persönlich“, schrieb die Grünen-Politikerin in ihrer Botschaft. „R.P.S. Lanrue war einer der wichtigsten Komponisten und Gitarristen unseres Landes Sie haben mit Ton Steine Scherben eine der politischsten Bands unseres Landes gegründet, die aber ebenso für große Kunst stand.“ R.P.S. Lanrue habe mehr als ein halbes Jahrhundert Musik gemacht und geprägt und für eine kämpferische Idee der Verbindung von Musik und Politik gestanden. „Die Songs sind zeitlos, sie berühren heute noch genauso, geben Kraft“.