Toms Schauspiel
Als Darsteller ist Waits ganz Gesicht und Stimme in Filmen von Jim Jarmusch und Francis Ford Coppola
Natürlich ist dieses Gesicht wie für den Film geschaffen, und Tom Waits hat seine Gauner-Visage auch vom ersten Album an gern auf den Plattenhüllen ausgestellt. Gewissermaßen hat er sogar seine Songs drumherum geschrieben. In den Gesichtszügen und dem Vogelnest auf dem Kopf lagen schon alle Begriffe, die ihm später angehängt wurden: Barfly, Nighthawk, Müllmann, Drifter, Kerouac-Gestalt, Gossenpoet, Gammler und Gambler.
Die Filmemacher haben sich diese malerische Physiognomie zunutze gemacht; sie haben auch Waits‘ impressionistische Musik gern verwendet. Francis Ford Coppola gab ihm 1982 den Auftrag für den Soundtrack des erzählerisch untermotorisierten Musicals „One From The Heart“. und man kann sagen, dass die Musik von Waits noch das Beste Ist. In „Cotton Club“ dann (1984), einer weiteren Pleite Coppolas, darf Waits immer mal wieder Treppen raufund runterlaufen und verschlagen aussehen. Der geschniegelte Jazz hier ist nicht ganz Waits‘ Kragenweite, und die Besucher des Clubs sind zu reich und erfolgreich. Später, in „Dracula“ (1993), hatte Waits noch einen tollen Auftritt als irrer Seher, der die Ankunft des Vampirkönigs prophezeit und sich aus lauter Angst animalisch in sich selbst zu verkriechen versucht. Der Wahnsinn springt ihm geradezu aus dem Gesicht. Leider ist Gary Oldmans Dracula dann weniger gruselig, als es Waits‘ Prophet versprochen hatte.
Seinen Meister fand Waits 1986 in Jim Jarmusch, dessen Filme oft ebenso In pittoresken Tableaus erstarren wie Waits‘ Lieder. „Down By Law“ besteht fast nur aus Posen: den unterschiedlichen Arten von Coolness, die John Lurie und Waits als Jack und Zack ausstrahlen – und die dann von Roberto Benignis radebrechender Putzigkeit so herrlich ausgespielt wird. Waits gibt korrekt den wortkargen DJ, dessen zertifizierte Sprechstimme nur einmal, bei Probe seines Talents als Wortakrobat, so richtig aufblitzt. Ellen Barkin hat ihn verlassen, und er ist dumm genug, einen gestohlenen Wagen zu fahren, in dessen Kofferraum ein Toter liegt. Im Knast dann schließt Zack eine haltbare Zweckfreundschaft mit dem ebenso dickköpfigen Lurie – doch es ist Benigni, der sie aus dem Gefängnis führt. Am Ende stehen Lurie und Waits an einer Weggabelung, tauschen die Jacken und trennen sich: The road not taken.
In Jarmuschs „Coffee And Cigarettes“-Episode „Somewhere In California“ trifft Waits in einem Diner Iggy Pop. Die beiden haben sich absolut nichts zu sagen, und Iggys Hinweis, kein Song von Waits befinde sich in der Jukebox, führt beinahe ebenso zum Eklat wie die Empfehlung eines Schlagzeugers. Iggy ist hier der Gutmütige, Waits der Misstrauische. Und beide reden sich ein, sie hätten das Rauchen aufgegeben. Nach peinsamem Smalltalk verschwindet Iggy, und Waits sieht zufrieden an der Jukebox, dass auch kein Stück des Kollegen enthalten ist.
In Robert Altmans „Short Cuts“ (1993) gibt Waits neben Lily Tomlin eine üble Type – aber diesmal ist es der stoische Lyle Lovett als sinistrer Bäcker, der den Film stiehlt. Waits‘ Unterschichts-Taugenichts liegt auch zu nah an der Persona, die er so oft besungen hat. Wie überhaupt nach „Down By Law“ überall typische Waits-Jarmusch-Schwarzweiß-Ambiente erschienen (und das in den Achtzigern). Aber wie Robby Müllers Kamera New Orleans einfängt zu „Jockey Full Of Bourbon“ – das ist das Klischee vom Klischee. Es ist unvergessllch.