Tommy Erdelyi – Wir waren witzig
Tommy Erdelyi, 56, erster Schlagzeuger und Produzent, heute letzter Überlebender der Ur-Besetzung der Ramones, über Freundschaft, Krieg und Frieden
Tommy Ramone, auf der DVD „End Of The Century“ werden die Ramones als psychotische, zerstrittene Band gezeigt. Sie sind der letzte Überlebende der Original-Besetzung: Stimmt das Bild?
Die Filmer haben ihre Sache gut gemacht, all things considered. Natürlich kriegt man in einen solchen Film nicht alle Aspekte hinein. Außerdem braucht er eine Dramaturgie, und die Macher haben nun mal den Konflikt zwischen Joey und Johnny als Zentrum der Handlung gewählt Das kann man einseitig finden, aber es gibt einen guten Film ab. Den Konflikt gab es wirklich.
Also alles gut?
Nun ja, ich selbst bin ein bißchen unterrepräsentiert, finde ich. Meine Arbeit als Studio-Engineer wird nicht erwähnt, daß ich für Jimi Hendrix gearbeitet habe und so weiter. In einer Szene werden Dee Dee und Johnny gefragt, ob es ein Verlust für die Band gewesen sei, als ich wegging, und beide sagen nein. Die Regisseure wollten damit wohl zeigen, wie schlecht der Rest der Band mich behandelt hat, aber ich finde, das wird nicht deutlich genug. Hätten sie Dee Dee nur fünf Minuten später dieselbe Frage gestellt, hätte er etwas ganz anderes gesagt Aber woher sollen die Zuschauer das wissen?
Werden Sie nicht sehr traurig, wenn Sie das sehen? Sie sind alle tot.
Ich habe das jetzt fünf Jahre lang durchgemacht, und» es waren traurige Jahre. Aber irgendwie ist es ein schönes Gefühl, daß sie nicht vergessen sind, daß ihnen ein solcher Film die Ehre erweist Das hilft auch mir, das alles zu verarbeiten.
Waren Sie auf den Beerdigungen? So gut schien der Kontakt nach ihrem Weggang ja nicht mehr zu sein.
Doch, wir waren immer in gutem Kontakt Ich war auf Joeys und Dee Dees Beerdigung, das waren schöne, anrührende Feiern. Nur Johnny war es sehr wichtig, daß seine Beisetzung in ganz kleinem Kreis stattfindet und daß nur seine Celebrity-Freunde eingeladen werden. Damit wollte er wohl zeigen, was für ein toller Hecht er gewesen ist. Waren Sie nicht sogar überrascht, daß einer wie Dee Dee so alt geworden ist?
Dee Dee hat das so lange gemacht, da kommt man irgendwann zu der Überzeugung, unverwundbar zu sein. Man glaubt, alles mitnehmen zu können, weil einen nichts umbringt. Was dazu führt, daß man noch weniger auf sich achtgibt Fanden Sie es eine gute Idee, daß die Band noch bis Mitte der 90er weitergemacht hat?
Ja, fand ich. Weil es für die Fans sehr wichtig war, daß die Ramones vorbeikamen und für sie spielten. Natürlich waren sie nicht mehr so gut wie mit 25, aber als sie 25 waren, waren viele der Fans von heute noch nicht geboren. Und auch die haben so noch eine Chance bekommen, sie zu sehen.
Sie wollten ursprünglich ja gar nicht mitspielen, sondern im Hintergrund arbeiten. Was war ihre Rolle 1974?
Ich habe die Band zusammengestellt Ich kannte diese drei verrückten, interessanten Jungs und dachte mir: Mit denen könnte man was machen. Johnny, der Brutale, Dee Dee, der Psychotische, Joey mit dem gebrochenen Herzen, eine tolle Mischung. Ich habe das Konzept entworfen, und sie haben mir vertraut. Also waren die Ramones am Ende gecastet wie die Monkees?
Nein, überhaupt nicht! Die Monkees hat sich ein Drehbuchautor ausgedacht, die Ramones wurden ausgewählt, weil sie die Persönlichkeit und das Talent schon hatten.
Sie waren der einzige Rock’n’Roll-Schlagzeuger, der die Lieder vom Bassisten einzahlen ließ. One-two-threefour – warum?
Weil es lustiger war, wenn Dee Dee einzählte. Wir hatten ja Humor, vor allem am Anfang. Das Einzählen hatte ja auch nichts mit dem Tempo zu tun, in dem die Songs wirklich gespielt wurden. Das war wirklich nur ein Gag.
Ist es für Sie als ambitionierten Musiker nicht deprimierend, daß Ihr einziger sichtbarer Beitrag zur Rock-Geschichte das Schlagzeugspiel bei den Ramones war?
Nein, das macht mir nichts aus. Weil das Schlagzeug genau so klang, wie ich es wollte. Ich habe keinen einzigen Stockhieb verschwendet. Ich muß auch nicht bei Revivals mittrommeln. Für mich sind meine Ramones-Platten wie ein vollendetes Gemälde. Warum sollte ich da heute noch drin rumklecksen.‘