Vergewaltigungs-Gedicht von Till Lindemann: Verlag rudert zurück
Die Kritik an dem Poem „Wenn du schläfst“ will nicht abreißen. Bisher verteidigte der Verlag des Rammstein-Sängers das Werk. Doch nun gibt es ein neues Statement.
Eigentlich müsste man meinen, dass inzwischen klar ist, worauf man sich einlässt, wenn man mit den Texten von Rammstein-Sänger Till Lindemann konfrontiert wird. Doch ein Gedicht aus seinem neuen Lyrik-Band „100 Gedichte“ überschreitet für viele Leser eindeutig die Grenzen des schlechten Geschmacks hin zur Verherrlichung eines Gewaltakts gegen Frauen.
Seit Tagen gibt es vor allem im Netz unmissverständliche Kritik – nicht nur an Lindemann, sondern auch an seinem Verlag Kiepenheuer & Witsch, der das Buch auf den Markt brachte.
AmazonDas renommierte Verlagshaus, das auch schon zuvor zwei Bände mit Poemen des Musikers veröffentlicht hatte, verteidigte seinen Autoren zuletzt in einem Statement.
„Die moralische Empörung über den Text dieses Gedichts basiert auf einer Verwechslung des fiktionalen Sprechers, dem sogenannten ‘lyrischen Ich’, mit dem Autor Till Lindemann“, so Helge Malchow, Editor-at-large beim KiWi-Verlag, auf Anfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland.
Ausschnitt aus „Wenn du schläfst“
„Ich schlafe gerne mit dir, wenn du schläfst. (…) Schlaf gerne mit dir, wenn du träumst. (…) Etwas Rohypnol im Wein (etwas Rohypnol ins Glas). Kannst dich gar nicht mehr bewegen. Und du schläfst, es ist ein Segen.“
Doch die anhaltende Empörung über die drastischen Zeilen sorgt nun auch bei KiWi für ein Umdenken. Auf Twitter stellte der Verlag einen leicht zerknirschten Kommentar ein: „Wir sehen heute, dass unsere bisherige Reaktion auf das Gedicht nicht angemessen war und bedauern dies sehr.“
Die Themen und die Wahl des Ausdrucks von Lindemann wird all jenen, die damit bisher wenig in Berührung gekommen sind, noch einmal erklärt. „Er untersucht in vielen seiner Texte und Inszenierungen (…) Phänomene der Gewalt und der toxischen Männlichkeit und stellt sie in überzeichneter, greller, mal satirischer, mal brutaler Manier in seiner Kunst zur Schau (…). Als Verlag verteidigen wir die Freiheit der Kunst, auch moralisch verwerfliche, abgründige Gefühls- und Gedankenwelten auszuloten und zum Ausdruck zu bringen.“
Dennoch bekennt sich der Verlag: „Sexualisierte Gewalt gegen Frauen gehört benannt und bekämpft.“ Der Fall Lindemann habe nun auch im eigenen Haus eine neue Sensibilität für das Thema geschaffen. Man werde viele „wertvolle Impulse“ der Debatte mitnehmen und in die weitere Arbeit einbeziehen lassen.
Rammstein-Sänger Till Lindemann schweigt zu dem Thema. Zuletzt hatte er mit einer schwere Lungenentzündung zu kämpfen und musste deswegen auch auf der Intensivstation im Krankenhaus behandelt werden. Er zeigte sich aber kämpferisch: „Der Virus, der mich besiegen will, ist noch nicht erschaffen worden“