Tief gegraben
Das unorthodoxe Duo Congregation ist bei Country und Blues fündig geworden
Die Holzdielen im Berliner „White Trash“ sind kein übler Resonanzboden für dieses Rumpeln, Poltern, Stampfen und Schlieren. Benjamin Prasser bearbeitet seine Gitarre mit Bottleneck, lässt die jaulenden, wummernden Laute mittels Tremolo-Arm klagend im Raum stehen. Dazu malträtiert er eine Bass-Drum, deren Taktgenauigkeit jedem Metronom das Gruseln beibringen würde. Partnerin Victoria Yeulet rasselt mit Fußglöckchen und singt über Liebespein und andere Leiden, als gälte es, Dämonen zu bannen oder Pulsadern aufzutrennen. Dabei starrt sie unverwandt ins Leere.
„Ich vermeide Blickkontakte, wenn ich singe“, sagt sie später, „sie verwirren mich, schwächen meine Konzentration.“ Bühnenpräsenz sei nicht ihre Stärke, doch früher habe sie Ben nicht einmal bei Proben gestattet, ihr ins Gesicht zu blicken.
„Ich drehte ihm beim Singen den Rücken zu“, lacht sie schallend, „das ist seither besser geworden.“ Scheu sei sie sonst nicht gerade, eher geradeheraus. Was sich im Gespräch bewahrheitet. Ben wägt seine Worte, Vic kommt schnell auf den Punkt. Kennengelernt haben sich die beiden an dem mystischen Ort, der noch jeden Musik-Aficionado magisch angezogen hat: in einem Plattenladen. Sie arbeitete dort, er war Kunde. Beide wussten um die Aktivitäten des Anderen. Victoria kannte Bens Band, The Tap Collective, und hatte Gefallen an seinem Solo-Album „Blues Tor Harpo“ gefunden, Ben ließ sich von ihren Gesangseinlagen bei den Television Personalities einnehmen. „Man läuft sich früher oder später über den Weg, wenn man in London Musik macht, die mehr mit Passion als mit Planung zu tun hat“, erklärt Victoria. „Es war also kein Zufall.“ Es sollte freilich noch eine Weile dauern, bis Vic und Ben ihre Gemeinsamkeiten auf den ewig fruchtbaren Feldern von Blues, Folk, Country, Rockabilly und Soul ausfindig und in höchst eigenwilliger Interpretation dingfest gemacht hatten. Nackt, ja beinahe skelettiert, hypnotisch und roh klingt ihr Stil-Amalgam, passend zu den nicht selten sinistren, stets fesselnden Songs, nachzuhören auf der schlicht „Congregation“ betitelten Debüt-LP. „Was mich am meisten bewegt, ist Country Blues der 20er, 30er und 40er Jahre“, sagt Vic, „und da ich Feministin bin, besonders die Sängerinnen.“ Ein Gebiet, auf dem sie forschend tätig sei und das sie demnächst vor Ort noch gründlicher studieren wolle, in Mississippi und Tennessee.
„Dabei komme ich eigentlich vom Punk“, lächelt sie, „doch von dort ist der Weg zu Memphis Minnie gar nicht so weit, wie man annehmen sollte.“ Bens musikalische Wurzeln? „Die Schallplatten meines Vaters, vor allem Stones und Kinks.“ Auch das sei ja schließlich kein übler Anfang, meint Victoria. „Nein, ganz im Gegenteil“, bestätigt Benjamin, „ich hätte es fürwahr schlechter treffen können.“