Ticketpreise! Nicht nur bei Madonna schießen sie bis unter die Decke
Im Livegeschäft herrscht nach wie vor Krise, doch es gibt auch Premium ohne Ende. Spielen die Buchungssysteme mittlerweile verrückt? Und: Warum machen die Fans das mit?
Am Freitagabend (27. Januar) beginnt in Berlin das Avantgarde-Festival „Club Transmediale“ (CTM) mit dem neuen Dokufilm über die Kölner Krautrocklegende Can. Im Fokus steht das einzige noch lebende Gründungsmitglied Irmin Schmidt, mittlerweile auch schon stolze 85 Jahre alt.
Im Interview zur CTM mit der Tageszeitung „taz“ sagte der Programmchef Jan Rohlf auf die Frage, wie sich die generellen „Bedürfnisse beim Ausgehen“ nach der Covid-Pandemie geändert hätten – und wie sich alles das für sein Nischen-Musikfestival auswirkt:
„Menschen, die arbeiten, legen sehr viel mehr Wert auf die Qualität ihrer Arbeitsbedingungen. Das ist auch im Nachtleben so“. Rohlf blickt auf über zwanzig Jahre CTM-Erfahrung zurück: „Diese Entwicklung ist an sich richtig, aber sie führt dazu, dass die kulturelle Arbeit und das Veranstalten deutlich teurer geworden sind.“
Und weiter:
„Wir schauen derzeit auf Kostensteigerungen von bis zu 35 Prozent, vor allem im Bereich Personal, Technik, Betriebskosten und Mieten von Spielorten. Diese Kosten können nicht Eins zu Eins weitergegeben werden an Ticketkäufer:innen, auch sie verfügen über weniger im Geldbeutel …“.
Anderswo scheinen die sprichwörtlichen Geldbeutel weitaus dicker zu sein.
Kölner Lokalmedien wie „Express“ oder „Stadtanzeiger“ berichten seit einiger Zeit über die Preise der in der örtlichen „Lanxess Arena“ stattfindenden Konzerte von Madonna. Wie auch in Berlin spielt die vormalige „Queen of Pop“ zweimal hintereinander in den jeweiligen Mega-Hallen vor Ort.
Eine Meldung aus Köln zum Start des Madonna-Vorverkaufs spricht von Stehplätzen für „rund 200 Euro“. Sitzplätze mit annehmbarer Sicht schlagen mit etwa 300 Euro zu Buche.
Es gebe zudem besondere Kontingente für den sogenannten „Golden Circle“ direkt vor der Bühne, so der „Express“. Außerdem VIP-Pakete mit Führung hinter den Kulissen und einem Gruppenfoto auf der Bühne. Letzter Wasserstand vom Rhein: Top-Ticket-Preise um 750 Euro.
Sind die Algorithmen an der Preisspirale schuld?
Unsere Stichprobe beim Online-Anbieter Eventim zeigt in der „Kategorie Eins“ einen Ticketpreis von 352 Euro an. Bei der Berliner Veranstaltung am 28. November sieht es ähnlich aus.
Die „New York Times“ analysierte im Hintergrundstück „The Case of the $5000 Springsteen Tickets“, warum die Preisspirale für Superstars sich in den USA noch viel schneller dreht. Ein Grund ist die algorhitmische Struktur der Digitalplattformen. Ähnlich wie bei Online-buchungen für Hotelzimmer, Flug- oder Bahntickets, würden Algorithmen automatisch Preisanpassungen vornehmen. Tendenz: Steil nach oben.
Die BBC in London wiederum stellte im Oktober 2022 ein neues Preissystem des Eintrittskarten-Riesen Ticketmaste“ vor, das den Preis der Tickets je nach Nachfrage anpasst „Das so genannte dynamische Preissystem kam im Vereinigten Königreich bei den jüngsten Verkäufen von Harry Styles, Coldplay und Blackpink zum Einsatz. Dieses System wird regelmäßig in den USA eingesetzt, wo der Wiederverkaufsmarkt viel größer und das ‚Anpreisen‘ weitaus verbreiteter ist“, so die BBC auf deren Website.
Weitaus ausgeprägter erfolgt diese Anwendung bei den von vielen Musiker*innen und Managements bekämpften Wiederverkaufsplattformen für Eintrittskarten im Internet. „Künstler gegen Viagogo: Und das soll Demokratisierung sein?“ titelte etwa die „FAZ“ im Juli 2020.
Der ungeliebte Zwischenhandel sahnt ab, während die Bands nur mit dem ursprünglichen „Ticketwert“ rechnen können – mal abgesehen davon, dass Viagogo-Tickets von vielen Künstlern nicht anerkannt werden und deren Käufer dann die unschuldigen Dummen sind, die am Arena-Einlass abgewiesen werden.
Der Dortmunder Musikwirtschaft-Experte Manfred Tari („Pop100“) ergänzt: „Das spekulative Element in der Preisgestaltung für herkömmliche Konsumprodukte geht mit interessanten Gewinnmargen einher. Dabei sind die Kosten für einen Flug oder eine Bahnfahrt deutlich weniger volatil, als jene Preissteigerungen, die man Musikfans abverlangen kann. Speziell wenn es sich um ein emotionales Leidenschafts-Ding handelt. …“
In den USA hat dazu am Mittwoch (25. Januar) der Justizausschuss des US-Senats „in Sachen Taylor Swift und Bruce Springsteen“ getagt. Im Blickfeld: der weltweite Großveranstalter Live Nation sowie das Kaufportal Ticketmaster. „Dynamic Pricing“ war dabei nur eines der Themen, mit denen sich Veranstalter konfrontiert sahen. Es ist davon auszugehen, dass es in absehbarer Zeit Regularien für Vorverkäufe etabliert werden.
Zurück nach Deutschland: So grell wie in den Vereinigten Staaten läuft das Preisspiel bei Superstars hierzulande noch nicht. Doch das Beispiel Madonna zeigt klar, wohin die Reise geht.
Zu den allgemeinen Preissteigerungen bei allen Showproduktionen, die auch von CTM-Chefbooker Jan Rohlf angesprochen worden sind, kommt eine ausprägte Zocker-Mentalität in den Managements der großen Namen des Pop hinzu. Schließlich geht es immer auch ums Geldverdienen. Das es auch anders geht, haben über die Jahre heimische Großkünstler wie Die Ärzte oder auch Herbert Grönemeyer bewiesen, die auf eine interne Kalkulations-Disziplin stets geachtet haben.
Es sind letztlich die Fans selbst, die diese Mechanik beenden oder mindestens verlangsam können. Doch wie sagte vor der Pandemie ein Live-Branchen-Zyniker: Solange Menschen im grauen Ticketmarkt 2000 Euro für eine Eintrittskarte von U2 hinblättern, sind wir offensichtlich noch zu billig.