Thriller-Meisterwerk „Die Frau im Nebel“: Verführerische Abgründe
Park Chan-wook („Oldboy“, „I’m A Cy borg, But That’s OK“) gelingt es mit diesem grandiosen Thriller erneut, sein Publikum zu überraschen.
Am Fuß eines Felsens in Busan wird die Leiche eines Unternehmers gefunden. Weil alles dafür spricht, dass er abgestürzt ist, und kein Mordverdacht besteht, wird Kommissar Haejoon (Park Hae-il) gedrängt, den Fall abzuschließen und sich der brodelnden Unterwelt der südkoreanischen Hafenstadt zuzuwenden. Doch Haejoon folgt seiner Intuition, befragt die junge Witwe des Toten, die seltsam unbeteiligt wirkt.
Von Schlaflosigkeit geplagt, beginnt er die schöne Seo-rae (Tang Wei) zu observieren und gerät dabei in einen Strudel aus Neugier, Faszination und Anziehung. Immer wieder imaginiert er sich an ihre Seite, um Lücken in ihrem Alibi zu suchen. Doch bald weicht seine Skepsis der Sorge um die junge Frau. Er nimmt sich ihrer an, kocht für sie und erklärt ihr an gemeinsamen Abenden seine Ermittlungsmethoden; anschließend lässt sie ihn in ihren Armen zur Ruhe kommen.
Als er überzeugt ist, dass der Mann bei einem tragischen Unfall ums Leben gekommen ist, stößt er auf ein winziges Detail, das ihn bis ins Mark erschüttert. Verstrickt in seine Gefühle, lässt er Seo-rae laufen und fängt in der Provinz neu an. Doch dort holt ihn die Wirklichkeit ein. Wieder kommt ein Mann ums Leben, und bald sieht sich der Kommissar der verführerischen Chinesin gegenüber, der er einst eine zweite Chance gab.
Park Chan-wook („Oldboy“, „I’m A Cy borg, But That’s OK“) gelingt es in seinem in Cannes mit dem Regiepreis ausgezeichneten Thriller erneut, sein Publikum zu überraschen. Der südkoreanische Meister des Revenge- Kinos erzählt in „Die Frau im Nebel“ mit subtilen Mitteln die packende Geschichte zweier Einzelgänger, die mit Verlust und Einsamkeit zu kämpfen haben. Mit der präzisen Anordnung der Elemente in dem verwinkelten Plot, virtuosen Kameraperspektiven und genau ausgearbeiteten Dialogen erkundet Park die komplizierten Gefühlswelten seiner komplexen Figuren. Und er beweist einmal mehr, dass es nichts Spannenderes gibt als menschliche Abgründe.
Von Thomas Hummitzsch