Thomas Kretschmann: „Pacific Palisades gibt es praktisch nicht mehr“
Schauspieler und ROLLING-STONE-Kolumnist Thomas Kretschmann lebt in den Hollywood Hills – seit drei Nächten auf gepackten Koffern. Mit der Kamera hat er Eindrücke vom Pacific-Palisades-Feuer festgehalten: „Es ist wie in einem Zombiefilm“.
Seit vier Tagen wüten die Brände in Los Angeles. Der Schauspieler und ROLLING-STONE-Kolumnist Thomas Kretschmann lebt in den Hollywood Hills – seit drei Nächten auf gepackten Koffern. Und er hat sich mit seiner Kamera auf den Weg gemacht, um die Schrecken und die Zerstörung zu dokumentieren.
In L.A. ist es jetzt fast Mitternacht, wie geht es Dir?
Ich bin noch immer ein bisschen unter Schock.
Wie hast Du den Ausbruch der Feuer erlebt?
Wir wurden wegen der erhöhten Brandgefahr und der aufkommenden Winde vorgewarnt. Aber solche Feuer gibt es jedes Jahr, so dass man sich erst einmal nicht zu große Sorgen macht. Doch dann ging es plötzlich los, von Null auf 100. Wir waren alle geschockt, hatten die ganze Zeit den Fernseher laufen, versuchten einen Überblick über die Situation zu behalten.
Was ging Dir durch den Kopf?
Ich dachte: Sie werden nicht zulassen, dass ein ganzer Stadtteil abbrennt.
Wir sollten evakuiert werden. Das bedeutet, dass du packen musst und dann nur fünf Minuten hast, um das Haus zu verlassen
Aber die Feuer waren zu stark, der Wind fachte sie ständig an.
Genau. Wir haben die ganze Nacht nicht geschlafen. In der zweiten Nacht ließen die Winde nach. Doch dann kamen sie zurück und bei uns ging der Telefonalarm los. Wir sollten evakuiert werden. Das bedeutet, dass du packen musst und dann nur fünf Minuten hast, um das Haus zu verlassen.
Was hast Du zusammengepackt?
Pässe, Uhr, meine Kameras, die Festplatten. Alles andere musst du zurücklassen. Im Fernsehen sah ich, wie es nun auch in den Hollywood Hills brennt, die Feuer über den Hollywood Boulevard kommen. Die Helicopter kreisen, sie fliegen rein und raus.
Seitdem sitze ich quasi auf gepackten Koffern.
Du musstest also noch nicht dein Haus verlassen?
Fast alle Nachbarn sind schon weg, auch meine Freundin hat sich mit dem Hund in Sicherheit gebracht.
Es ist wie in einem Zombiefilm
Wie ist die Situation jetzt?
Pacific Palisades gibt es praktisch nicht mehr, ein Stadtteil von der Größe Manhattans. Die ganze Infrastruktur ist zerstört, die Strommasten sind aus Holz und niedergebrannt, die Häuser, die Supermärkte, alles Ruinen. Ich denke auch an die Tiere. Morgens ist es totenstill, man hört keine Vögel mehr. Es sind viele Tiere verbrannt, die Menschen konnten nicht mehr in die abgesperrten Gebiete zurück und ihre Haustiere holen. Und ab 18 Uhr ist Ausgangssperre wegen der Plünderungsgefahr.
Du warst nun mit der Kamera in dem zerstörten Gebiet unterwegs. Was hast Du erlebt?
Es ist wie in einem Zombiefilm. Die betroffenen Gebiete sind abgesperrt, du brauchst einen Presseausweis. Ich war der einzige Autofahrer auf dem Sunset Boulevard.
Die Leute sind verschwunden, die Straßen gespenstisch leer, von Polizei und Feuerwehr abgesehen. Die Menschen dürfen nicht zurück, nicht nach ihren Häusern sehen. Wenn Du durch die Straßen fährst, musst du die Fenster geschlossen halten, sonst hast du das Gefühl, dauernd Asche zu schlucken. Alle paar Minuten ist eine Kontrollstation. Überall ausgebrannte, übereinander geschobene Autos. Auf der einen Straßenseite stehen Häuser mit Weihnachtsbäumen davor, auf der gegenüberliegenden Seite ist alles niedergebrannt.
Gibt es in all dem Unglück auch positive Momente?
Alle hier vor Ort machen einen großartigen Job, die Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und Hilfskräfte. Sie tun das Menschenmögliche, das ist beeindruckend.
Wie geht es für dich nun weiter?
Heute sollen die Winde wieder stärker werden. Ich denke an das, was die Feuer zerstört haben und vielleicht noch zerstören werden. In meiner Nähe ist das alte Studio von Frank Zappa, das ist natürlich auch ein Kulturgut, das nun gefährdet ist. Ich kann nur abwarten.