The Wombats im Interview: Die Last der leichten Muse
Wie jede Woche hier wieder ein ausführliches Interview mit einem der Acts des diesjährigen Hurricane / Southside. Heute: The Wombats, die gerade "This Modern Glitch" veröffentlicht haben.
In diesem Jahr finden die Festivals Hurricane und Southside am Wochenende vom 17. bis zum 19. Juni statt – präsentiert vom ROLLING STONE. Wir stellen jede Woche in aller Ausführlichkeit einen Act des Line-ups vor – die großen ebenso wie die kleinen. Heute: The Wombats (die bisherigen Interviews mit z. B. den Foo Fighters, Arcade Fire und Suede finden sie in der rechten Spalte unter ‚Weitere Artikel‘). In der nächsten Woche verlosen wir dann wieder eine Handvoll Tickets.
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Nach laaaaaaangem Touren und diversen Verzögerungen ist nun endlich das zweite Album der britischen Wombats erschienen. „This Modern Glitch“ heißt das wieder einmal sehr kurzweilige Album. In unseren Rezensionsquickies in der aktuellen Ausgabe gibt es dafür drei Sterne und diese Worte: „Das lustige Trio aus Liverpool wollte eine traurige Grunge-Platte machen, ist aber doch wieder tanzen gegangen. Dance und Rock, Rave-Synthies und laute Gitarren – die Wombats ziehen den großen Vorhang auf und stillen das englische Bedürfnis nach trashigen Dreiminutenliedern.“
Sänger Matthew Murphy – genannt Murph – (Bildmitte), Schlagzeuger Dan Haggis (rechts) und Bassist Tord Øverland-Knudsen (links) stellten die neuen Songs bereits vor einer Woche in Berlin live vor. Wir sprachen mit Dan und Tord über das Kreuz mit dem neuen Album, die schwere Last, leichte Musik zu machen und über ihren Auftritt beim anstehenden Hurricane und Southside. Murph musste derweil seine Stimme schonen und hatte Interview-Verbot.
Habt ihr eigentlich eine Medallie dafür bekommen, die Band zu sein, die am längsten mit einem Debütalbum getourt hat?
Dan Haggis: Wir müssten eigentlich eine bekommen.
Tord Øverland-Knudsen: Stimmt. Wir haben ja schon vor dem Album getourt. Alles in allem sicher vier Jahre.
Warum denn eigentlich? Hängen euch die Songs nicht irgendwann zum Halse raus?
D: Das mag seltsam klingen, aber wir stehen einfach drauf, auf Tour zu sein. Und es wurde ja konstant größer, deshalb gab es immer einen Anreiz.
T: Wir haben dann irgendwann gemerkt, dass uns das langsam aber sicher umbringt.
D: Am Ende waren wir nur noch eine Wombats-Coverband.
D: Aber nach einer Auszeit, in der wir kaum über Musik nachgedacht haben, ging’s wieder.
Gab es mal Momente, in denen ihr dachtet: ‚Wäre ich mal lieber Maurer geworden!‘
D: Nein. Nie. Wir haben doch einen Traumjob. Im Studio sein, die Welt sehen, die Energie vom Publikum bekommen, ach, selbst Interviews geben – ich würde nicht tauschen wollen.
T: Für kein Geld der Welt.
Die ersten Songs des Albums gab es bereits im Oktober letzten Jahres – JETZT kommt dann endlich „This Modern Glitch“ – warum hat’s so lange gedauert? War es so schwer, den Schreibprozess wieder in Gang zu bringen?
D: Es war hart. Wir haben 34 Songs geschrieben, um diese Songs rauszufiltern. Wir haben irrsinnige Ausflüge in andere Genres gemacht. Und mussten erst mal wieder das finden, was wir unseren eigenen Stil nennen.
T: Am Anfang war es hart. Murph kann auf Tour keine Songs schreiben. Deshalb brauchte es eine Weile und einige schlechte Songs, bis wir wieder in Form waren.
Und warum erst jetzt das Album?
D: Eigentlich sollte es in November kommen. Aber wir waren erst Ende September fertig. Dann wollte das Label es aber nicht überstürzen, weil sie merkten, dass wir nicht hundertprozentig zufrieden waren. Also waren wir auch noch mal in L.A. und nahmen noch neue Parts auf und mischten es komplett neu. Nun ja – so kam eines zum anderen…
Ihr seid für viele die Band, die für den schnellen Spaß auf dem Indie-Dancefloor gut ist. Man findet euren Song „lustig“ und verpasst euch den Stempel, eine Fun-Band zu sein. Dabei sind auch auf „This Modern Glitch“ wieder viele selbstironische Seitenhiebe auf eigene Schwächen, man findet Verzweiflung in euren Songs und recht neurotische, sinnsuchende Charaktere. Oft zwar auch pointiert vertextet – aber der Spaß hat für mich oft auch eine dunkle Seite – eben als würde man fröhlich zu Joy Division tanzen. Hasst ihr es, wenn man euch als Spaßband abwatscht?
D: Du hast es ganz gut getroffen. Es ist die dunkle Seite des Spaßes, die man bei uns bekommt. Die schlimmen Situationen im Leben werden bei uns durch witzige Songs verarbeitet. So ist es auch mit uns als Band – oft schleppen wir uns einzeln durch den Tag, zweifeln an uns, an der Band. Aber sobald wir zusammen sind, euphorisieren wir uns gegenseitig.
T: Es nervt, wenn man uns automatisch vorwirft, wir würden das Musikmachen nicht Ernst nehmen, bloß weil unsere Lieder Spaß machen und Humor haben. Oft sind es Kollegen von dir, die damit kommen, oder Indie-Fans, die ganz genau wissen, was INDIE ist und was nicht. Das kotzt uns dann wirklich an – es ist nämlich verdammt schwer, Musik leicht klingen zu lassen.
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Gutes Stichwort: Im Video zu „Tokyo“ habt ihr die ganze Zeit wilde Parties und Exzesse, aber ihr seht nicht aus, als hättet ihr Spaß dabei. Fällt es euch manchmal schwer, die Leichtigkeit des Bandlebens zu bewahren?
T: Natürlich. Es ist wohl wie in jedem Job. Es kann Routine werden. Und man kann eben auch nicht immer feiern. Manchmal ist es schöner, nach dem Gig einfach im Hotel einen guten Film zu schauen.
D: Man hält uns oft für eine wilde Partyband. Das kann lustig und nervig zugleich sein. Zum Beispiel, wenn man gerade ein gutes Gespräch führt und dann gefragt wird: „Was machst du gleich??? Steilgehen???“ Und man sagt: „Nö, ins Bett gehen.“
Ihr spielt in diesem Jahr auf dem Hurricane und Southside. Nicht zum ersten Mal, oder?
T: Wir haben zweimal dort gespielt. Unser erstes Mal auf dem Hurricane war ein richtiger Schock für uns.
D: Es war die größte Show, die wir bis dahin jemals in Deutschland gespielt haben.
T: Aber das ahnten wir vorher nicht. Es war unser erstes großes Festival, wir waren recht früh dran und hatten nur ein paar andere Band vor uns. Wir wussten nicht, was uns erwartet. The Enemy waren vor uns dran – und da standen so vier- bis fünftausend Leute.
D: Und wir dachten – das ist OK so. Damit können wir umgehen. Aber dann kamen wir auf die Bühne und plötzlich standen da dreißig- oder vierzigtausend Leute. Und wir dachten nur: FUCK!!!! Aber dann kam der Adrenalin-Kick…
T: Das war das erste Mal, dass wir das so intensiv spürten.
D: Murph meinte, ich hätte danach gekotzt. Ich kann mich an nichts erinnern.
Seid ihr eher so Backstage-Hänger oder geht ihr auch raus, wenn ihr auf einem Festival seid?
T: Wir hängen ungern backstage rum. Wir schauen uns lieber Bands auf der Bühne an und lassen uns von der Atmosphäre aufsaugen.
D: Backstage fühlt es sich eh nie so richtig an, als wäre man auf einem Festival.
Was würdet ihr euch für den Backstage-Bereich wünschen, wenn ihr Headliner wärt?
T: Eine Tischtennisplatte.
D: Ja, auf jeden Fall.
T: Wir haben außerdem beschlossen, nur noch in Studios zu gehen, die eine Tischtennisplatte haben…
Vielleicht gibt’s ja auf dem Hurricane in diesem Jahr eine…
T: Gerne. Dann schau mal vorbei, wenn wir ein Rundlauf-Duell an den Start bringen.
Das wäre sicher spannend: Arcade Fire sagten meinem Kollegen, sie seien auch gute Spieler. Nur Zac von Rage Against The Machine würde sie an der Platte alle killen.
D: Ha ha – schade, dass sie da nicht spielen. Aber Dave Grohl hat sicher auch eine starke Vorhand…