„The Thing – Das Ding aus einer anderen Welt“: 20 grausame Fakten
„The Thing“: Ein Film, wie es ihn nie wieder geben wird. Wissenswertes zum Horror-Klassiker
1982 brachte John Carpenter seine Verfilmung des Horror-Romans „Who Goes There?“ als „Das Ding aus einer anderen Welt“ ins Kino. Lesen Sie hier wichtige Fakten zum Film.
01. ROLLING STONE kennt die Antwort auf die (zweit)wichtigste Frage des Universums
Die meisten Sci-Fi-Geeks würden wohl die aus „Star Wars“ bekannte Frage „Wer schoss zuerst – Han oder Greedo?“ als wichtigsten Diskussionspunkt aller Zeiten benennen. Aber dicht darauf folgt das finale Aufeinandertreffen von MacReady (Kurt Russell) und Childs (Keith David) aus dem „Ding“.
Ist einer der beiden längst ein Monster – und wenn ja, wer von den beiden? Kein Laber-Abend ohne diese Erörterung, denn der Film lässt die Frage offen. Verzweifelt sezieren Fans die Szene, erörtern den Kälte-Atem des einen oder die Whiskey-Flasche (war da Benzin drin, war das ein Test um das Ding zum Gifttrinken aufzufordern?) des anderen. Dabei hatte Regisseur John Carpenter sich im ROLLING-STONE-Interview längst verraten. Ein bisschen zumindest. „Ich weiß, wer das Ding ist!“, sagte er. Einen von den zweien, MacReady oder Childs, hat es also erwischt – der ist kein Mensch mehr, sondern Monster.
02. Ach Gottchen, „E.T.“?
„Das Ding aus einer anderen Welt“ floppte 1982 und gilt als Zäsur im Schaffen John Carpenters. Nie zuvor hatte er vor Drehstart mehr Geld zur Verfügung, selten stand der finanzielle Ertrag in derart schlechtem Verhältnis zum Aufwand. Der Regisseur begann am Hollywood-System zu verzweifeln. Bald würde er die Hollywood-Studios wieder verlassen.
Eine beliebte Theorie besagt, dass das blutige „The Thing“ scheiterte, weil Steven Spielberg nur 14 Tage zuvor seinen niedlichen „E.T.“ ins Kino schickte, und der Zuschauer sich lediglich für einen der zwei Außerirdischen entscheiden wollte. Verschwörungstheoretiker glauben gar, Spielberg selbst habe im Studio – beide Filme wurden von Universal Pictures vertrieben – interveniert, damit Carpenters Werk weniger stark beworben wird als seines. Das ist unwahrscheinlich und nicht im Interesse irgendeines Studios.
Vielleicht lag’s auch am Weiß. Eine Faustregel besagt, dass Wetter-Filme idealerweise in der jeweiligen Jahreszeit anlaufen sollten. Und antarktisches Eis im Frühsommer …
Falls sich der Autor dieser Zeilen richtig erinnert, lief 1982 zumindest im deutschen Fernsehen ein Werbeausschnitt zur besten Sendezeit, in Wim Thoelkes „Der Große Preis“ – und zwar die härteste Szene, die Verwandlung von Norris.
03. Das Ding als Sinnbild
Krebs, Aids, sogar Hepatitis: In das außerirdische „Ding“ werden viele Bedeutungen hineininterpretiert. Die Literatur und das Netz sind voll mit Metaphern, für die der Gestaltwandler stehen soll. Auch für Kalter-Kriegs-Paranoia: Wer hat sich „angesteckt“, wer ist heimlich ein Kommunist? Mit „The Thing From Another World“ gab es 1951 bereits eine Filmversion von John W. Campbells Roman „Who Goes There?“, der auf genau diese politischen Ängste, die Kommies kommen, anspielte.
Tagline des 82er-Films: „Man is the warmest place to hide.“ John Carpenter hatte nach dem Dreh jedenfalls konkrete gesundheitliche Sorgen. Er litt an Hautkrebs, wahrscheinlicher Auslöser: starke Sonnenbestrahlung, reflektiert durch den Schnee in British Columbia.
Dabei entstand vieles am „Ding“ nicht in der Natur, sondern durch Innenaufnahmen in den Universal-Studios, abgewickelt im kalifornischen Sommer. Die Crew hatte Probleme mit diesen Ortswechseln. Schreckliche Wechselwetter-Gefühle für alle, die den künstlichen Winter hinter sich ließen, sobald es zur Mittagspause in die Sonne ging.
04. Netz-Liebe
Outpost #31 heißt eine liebevoll gestaltete „The Thing“-Fansite, die allerlei Fragen (nun, außer die zu unserem Punkt 1!) beantwortet. „Outpost #31“ ist der Name der amerikanischen Forschungsstation in der Antarktis, die vom „Ding“ heimgesucht wird.
Auf der Tributseite werden auch nicht umgesetzte Skizzen und Stop-Motion-Versuche („Blair-Box-Monster“), Outtakes sowie Fotos der Dreharbeiten gezeigt, etwa die nicht verwendete Todesszene von Forscher Fuchs: Der Mann wurde mit einer Schaufel an die Wand getackert.
05. Roll the Dice!
Zwölf Männer leben und arbeiten in der Forschungseinrichtung am Südpol. Im Film überleben nur zwei von ihnen (wobei einer das Monster sein dürfte). Als Fan kann man das nun ändern. Zuletzt erschien das „The Thing: Infection at Outpost 31“-Brettspiel, das man hier vorbestellen kann.
06. Underwater Love?
Das Drehbuch durchlief mehrere Phasen, bevor Carpenter sich für eine bestimmte filmische Umsetzung entschied. In einer frühen Fassung wurde die Basis unter Wasser angesiedelt, in einer anderen stand das Menschen-einverleibende Monster metaphorisch für Liebe und Symbiose. Carpenters Inspiration für der Dezimierung der Crew: Agatha Christies Roman „Und dann gabs keines mehr“ (Original: „Ten Little Niggers“, später umbenannt in „Ten Little Indians“).
Frühere Drehbuchautoren hatten die Idee, das Film-Monster im Verborgenen zu lassen, nie zu zeigen. Carpenter: „Natürlich zeigen wir das ‚Ding‘. Und zwar richtig.“
07. Ey, Puppe!
Es existieren verschiedene alternative Szenen, einige gesendet, andere unveröffentlicht, die dem Film ein anderes Ende geben. Eine zeigt den Außerirdischen als Husky, der sich von der abgebrannten Station davonmacht. Eine andere den Überlebenden MacReady, der in einem Lazarett durchgecheckt wird – er hat sich nicht angesteckt.
Auch die Szene mit MacReadys Sexpuppe – Zeichen seiner Einsamkeit – hat es nicht in die finale Fassung geschafft.
08. Vom Kurs abgekommen
Es ist unklar, warum das „Ding“ vor Millionen Jahren auf unseren Planeten stürzte. Wir sehen zu Beginn ein trudelndes Raumschiff, das auf der Erde notlandet. Was bedeuten könnte, dass das Wesen entweder Pilot der Maschine gewesen ist, Passagier – oder ein Gefangener, und, im arktischen Eis eingefroren, der einzig Überlebende des UFOs.
Die Truppe um MacReady macht jedenfalls keinerlei Anstalten in das Fluggerät einzusteigen. Ein Versäumnis? Das müsste eigentlich leidenschaftlich diskutiert werden, ist aber in Fan-Foren kaum Thema. Böte ein Besuch des Raumschiffs doch die Möglichkeit Wissen zu erlangen – was die Männer aber eben nicht ausnutzen.
Vielleicht wollte Carpenter Produktionskosten sparen, indem er die ursprüngliche Lebenswelt des Monsters ausblendet. Dramaturgisch war diese Entscheidung gut. Die Hintergründe des „Ding“ bleiben ausgespart und MacReady und Co zeigen auf, dass sie die Existenz des Außerirdischen nicht ergründen wollen. Es soll die Menschheit einfach in Ruhe lassen.
09. Grünes Blut
Für die Spezialeffekte zeichneten Stan Winston, der später durch „Aliens“ und „Predator“ ein Masken-Star werden würde, sowie Rob Bottin verantwortlich, damals 22 Jahre alt. Im Werwolf-Film „Das Tier“ tobte der Kalifornier sich ein Jahr zuvor spektakulär aus.
Lustigerweise wollte John Carpenter eigentlich dessen Werwolf-Konkurrenten engagieren, Maskenbildner und Oscar-Preisträger Rick Baker („An American Werewolf In London“). Das im „Ding“ oft zu sehende grüne statt wie anzunehmen rote Gewebe des Monsters war ein Zufallsprodukt der Tricks, entstanden durch Verbrennung von Gummi und Plastik. Bottin, der in solchen Szenen Apparaturen oft in unmittelbarer Nähe selbst betätigte, begab sich damit in gesundheitliche Gefahr.
10. Es hat Verstärkung mitgebracht
Keine Angst vor dem Außerirdischen! Dahinter steckt nur ein Mann. Dahinter steht auch nur ein Mann. „The Thing“ hat einige Filmfehler.
Relativ deutlich ist ein Crew-Mitglied im Hundestall zu sehen, als es das „Ding“ von hinten bedient, in dem Moment, als sich dessen Blütenmaul öffnet. Im obigen Bild sieht man die Rundung der menschlichen Schädeldecke hinter dem Viech.
11. Ganz normale Kerle
„You Gotta Be Fuckin’ Kidding!“ sagt Palmer (David Clennon, dritter von rechts), als er das Ergebnis der wohl spektakulärsten „Thing“-Transformation begutachtet, ein Menschenkopf mit Fühlern, auf Spinnenbeinen. Palmer spricht aus, was die Zuschauer denken.
Bill Lancaster (Sohn von Schauspiel-Legende Burt) schrieb das nach Leben schmeckende Drehbuch mit eben solchen Dialogen, die echte Menschen wirklich sprechen – fern von wissenschaftlicher Verkünstelung, wie viele Filme es nutzen um Extraterrestrisches zu erklären. Die Leute stecken in der Scheiße, und sie wollen einfach nur aus der Scheiße wieder raus. Mini-Details verraten, wie sehr die Crew aneinanderhängt: als Bennings zu Beginn von den Norwegern angeschossen wird, eilt MacReady ihm zu Hilfe. Mac, ein Alki, lässt seine Flasche bei ihm stehen, weil er danach anderen zu Hilfe eilen will, und die Buddel dann nur nerven würde. Bennings sieht das als Aufforderung, die Flasche, sobald Mac aus dem Bild ist, zu ergreifen und sofort einen Schluck daraus zu nehmen.
„My God, what the hell happened here?“, fragt Dr. Copper. „Come on Doc“ – lass uns einfach weitergehen, schauen, was passiert ist, sagt Mac. Keine Ursachenforschung, nur Betrachten, was vorfiel.
Einige der schönsten Dialoge:
MacReady: „I don’t know. Thousands of years ago it crashes, and this thing… gets thrown out, or crawls out, and it ends up freezing in the ice.“
Childs: „I just cannot believe any of this voodoo bullshit.“
Palmer: „Childs, happens all the time, man. They’re falling out of the skies like flies. Government knows all about it, right, Mac?“
Childs: „You believe any of this voodoo bullshit, Blair?“
Palmer: „Childs, Childs… Chariots of the Gods, man. They practically own South America. I mean, they taught the Incas everything they know“.
(…)
MacReady: „I know I’m human. And if you were all these things, then you’d just attack me right now, so some of you are still human. This thing doesn’t want to show itself, it wants to hide inside an imitation. It’ll fight if it has to, but it’s vulnerable out in the open. If it takes us over, then it has no more enemies, nobody left to kill it. And then it’s won.“
12. Betriebssysteme
Misstrauen macht sich breit unter den zwölf. Aber was soll man sagen, Feindschaften waren von Anfang an unter den Männern angelegt.
Einer heißt Mac, ein anderer Windows.
13. Charakterköpfe
Der Film geht gerade mal etwas über 100 Minuten, aber das ist für John Carpenter und Bill Lancaster genug Zeit, um uns alle zwölf Darsteller rundum vorzustellen – sie sind mehr als nur Monsterfutter, um Effekte in Szene zu setzen. Heutige Horrorstreifen wie „Alien: Covenant“ mit ihren charakterlosen Opferbrigaden sollten sich mal ein Beispiel daran nehmen.
Wie Filmkritikerin Anne Billson in ihrer „The Thing“-Analyse (aus der Buch-Reihe „BFI Modern Classics“) schreibt, sind Körperhaltung, Physiognomie und Eigenheiten der Mannschaftsmitglieder derart individuell, dass jeder einzelne auch dann erkennbar bleibt, wenn er sich uns mit vermummten Gesichtern und in dicken, alle Konturen verbergender Schneejacke präsentiert.
14. Größter Fan
Mit seinem Western „The Hateful Eight“ gab Regisseur Quentin Tarantino sich 2015 erstmals als Carpenter-Fan zu erkennen. Auch er verpflanzte eine Gruppe einander misstrauender Menschen in ein durch Schneestürme versiegeltes Gebäude, außerdem engagierte er Kurt Russell alias MacReady als Hauptdarsteller.
Ennio Morricone schrieb die Musik für beide Filme – und verwendete für die „Hateful Eight“ auch Stücke aus seinem „Thing“-Score. Dafür erhielt er mit 88 Jahren seinen ersten Filmmusik-Oscar. Streng genommen nicht in Ordnung, weil nur Soundtracks ausgezeichnet werden dürfen, die unbenutzte Originalkompositionen bzw. Originalinterpretationen enthalten.
15. Wer hat’s geschrieben?
Das Verhältnis zwischen dem italienischen Komponisten und Carpenter scheint nicht ganz ausgeleuchtet zu sein. Carpenter hatte mit dem „Ding“ mehr Budget als je zuvor und wollte für die Musik nicht mehr selbst verantwortlich zeichnen. Er sagt, er sei stolz darauf Morricone verpflichtet haben zu können (Jerry Goldsmith war wegen „Poltergeist“ nicht verfügbar).
Der Regisseur wünschte sich „Furcht und Verzweiflung“ vom Musiker. Allerdings räumte er auch ein, Morricone eine Maßgabe gegeben zu haben. Er sollte in jedem Fall auch elektronische Klänge verwenden. Die dürfte der Italiener Anfang der 1980er-Jahre allerdings nicht mehr wirklich auf dem Schirm gehabt haben. Später fügte Carpenter selbst eigene atmosphärische Skizzen hinzu.
Das legendäre Titelstück „Humanity (Part II)“, das Morricone zugeschrieben wird, erinnert in seinem Minimalismus an Carpenters eigene Scores. Der Bass gibt einen Herzschlag vor – einen Herzschlag, der nicht menschlich erscheint. So ist es der Komponist, der dem Wesen des „Ding“ sein spezielles Leben einhaucht.
Ein Interview zur Musik Morricones steht im bald erscheinenden Buch „Conversations with Carpenter“, dessen Auszüge dem Waxworks-Soundtrack-Reissue von „The Thing“ beigelegt sind.
16. Einzigartigkeit
„Einen Monsterfilm wie diesen hat es noch nie gegeben“, sagt John Carpenter in dem Waxworks-Interview. „Und das wird es auch nie mehr wieder. Er war wild, grausam und erbarmungslos. “ Den Vergleich mit dem 1979, also drei Jahre vor dem „Ding“ erschienenen „Alien“, kontert der Filmemacher. „Das ‘Ding‘ ist ein Film über das Ende der Welt. Bedrohlicher als ‚Alien’, wie ich finde. In ‚Alien‘ gibt es Hoffnung. Schließlich jagt Sigourney Weaver das Monster aus dem Raumschiff und legt sich danach friedlich zum Schlafen hin, in ihrer Unterwäsche.“
Tatsächlich markiert „The Thing“ den Höhepunkt des Masken- und Puppenkinos: „This is it“, befand auch Carpenter selbstbewusst.. Alles, was technisch möglich ist, was technisch möglich war, wurde hier, 1982, ausgespielt. Bis zu James Camerons revolutionärem „Terminator 2: Judgement Day“ mitsamt der per Computer generierten Effekte blieb das „Ding“ Messlatte. Allein schon die Bewegungen der Installationen sind in ihrer extrem hohen Geschwindigkeit verstörend: Einige der Monster wurden an den Motoren von Waschmaschinen angeschlossen.
„The Thing“ hat kein Happy End. Carpenter merkt an: „Vielleicht hat die Leute aber vielmehr gestört, dass keine Frauen mitspielen.“
17. Das Leben ist ein Schachspiel
Ist MacReady am Ende das „Ding“? Wer weiß. Auf jeden Fall ist es ironisch, dass ausgerechnet der Pilot bis zum Ende alles versucht, notfalls per Gewalt, um die Gesunden von den möglicherweise Infizierten zu trennen – also nach (eigenen) Regeln spielt und sich nicht reinreden lässt. Mitmenschen wie Schachfiguren bewegt.
In einem richtigen Spiel, dem gegen den Schachcomputer, wird schon zu Beginn des Films klar: Er ist ein schlechter Verlierer: „Cheating Bitch!“
18. Hollywood Art
Im Vergleich zu „E.T“ hatte „The Thing“ natürlich ein Indiefilm-Image. Aber die Marketing-Abteilung ließ sich nicht wirklich lumpen. Das offizielle Filmplakat zeichnete Drew Struzan, der schon die berühmt gewordenen Werbeposter von „Star Wars“ und den Indiana-Jones-Filmen verantwortete.
Das „Ding“-Motiv beeindruckt auch deshalb, weil es keinerlei Hinweise auf die Blutrünstigkeit des Monsters zulässt – aber durch die flirrende Leerstelle im Gesicht des Mannes andeutet, dass es sich nicht zu erkennen geben wird.
19. Wer’s als Erster hat gerochen …
https://www.youtube.com/watch?v=oU1eTC3ipJo
Über das „Ding“ lachen kann man trotzdem. „The Farthing“ heißt eine auf YouTube angelegte Spoof-Reihe, bei der die ernsten Gesichter der Darsteller mit Furzgeräuschen unterlegt wurden.
20. Das neue Ufo
Warum baut das Blair-Ding ein Ufo? Weil das Monster die Erde verlassen will. Was zwei verschiedene Schlüsse zulässt. Entweder, das Ding wollte nie auf der Erde wandeln, alles eine Notlandung, es infizierte Menschen nur um zu überleben. Oder: Es sieht seine Aufgabe darin, sich auf unserem Planeten fortzupflanzen, während ein anderer Teil von ihm wieder auf Reisen geht.