The Thermals – Berlin, Lido
Trotz Kritikerlobs allerorten bleiben The Thermals die kleine, feine Lieblingsband von nebenan. Konzise spielend und posierend
Beim letzten Berlinbesuch der kleinen, feinen Band The Thermals aus Portland wurde die Leidensfähigkeit des Publikums im hoffnungslos überfüllten Knaack auf eine harte Probe gestellt – und so zog man diesmal ins etwas größere Lido um. Trotzdem ist die Stimmung an diesem vorweihnachtlich-kuscheligen Montagabend zunächst betont familiär-vertraut. Die Thermals sind trotz zuletzt ansteigender Erfolgskurve immer noch zuerst eine Band für Eingeweihte. Das ehemalige Kino füllt sich indessen zögerlich, aber beständig. Man trifft viele Bekannte, die Vorfreude ist immens.
Die israelische Vorband Monotonix macht ihrem Namen alle Ehre und veranstaltet einen dumpfen, monotonen Postrock-Noise ohne besondere Merkmale. Weil die Band nicht auf, sondern vor der Bühne spielt. Und der Sänger ein schmieriger Typ mit strassbesetztem Gürtel, Bierbauch und Thomas-Magnum-cirka-1985-Frisur und -Schnauzbart allerlei Bohei veranstaltet (vermutlich – der Post-Rock-Geisteshaltung gemäß – ein ironisches Posieren). Trotzdem macht sich Langeweile breit.
Weitaus besser wird natürlich anschließend die Hauptband aufgenommen. Die Musiker bauen selbst die Instrumente auf, der neue Schlagzeuger Lorin Coleman musste zuvor sogar draußen auf dem Flur noch T-Shirts verkaufen.
Als die durch den Gitarristen Joel Burrows zum Quartett angewachsenen Thermals schließlich um Punkt halb elf mit „Our Trip“ vom Album „Fucking A“ loslegen und die nach Indie-Maßstäben anbetungswürdige Bassistin Kathy Foster wie gewohnt zu hopsen beginnt, weiß man gleich: Es wird gut!
Fixpunkt auf der Bühne ist natürlich Thermals-Kopf Butch Harris, ein überaus sympathischer No-Bullshit-Typ. Wahrscheinlich trägt er die ausgelatschten Turnschuhe, das verblichene T-Shirt und die alten Jeans auch daheim hinterm Tresen der Kneipe, in der er immer noch arbeitet.
Breitbeinig beherzigt Harris die zweite Ramones-Regel – kein großes Trara zwischen den Songs! -, beschränkt seine Zwischenansagen auf ein gelegentliches „thanks a lot“, vermittelt aber trotzdem in jedem Moment ein Höchstmaß an aus greifbarer Leidenschaft resultierender Präsenz.
Nur Thermals-Profis können derweil die einzelnen Songs auseinander halten, die die Band jeden Abend in exakt der gleichen Reihenfolge spielt. Ein atemloser Mahlstrom euphorisierender Zwei- bis Dreiminüter, in dem die Lieder der neuen, ja eigentlich als weniger verschrammelt rezipierten Platte „The Body, The Blood, The Machine“ längst vorbildlich aufgehen. Irgendwann kippt Harris versehentlich ein Bier um, legt zum Schutz der Effektgeräte ein Handtuch aus und verkündet heiser: „two more“.
Und ganz zum Schluss, beim Motto-Song „Everything Thermals“, bauen sie tatsächlich noch eine kleine Tanz-Choreographie ein, deren Höhepunkt ein synchronisierter Duck-Walk ist. „The Thermals go right to your head/ The Thermals have sex in your bed/ Everything in circles.“
Noch Stunden nach dem Konzert umspielte ein seliges Grinsen unsere Lippen.