The Strokes: New Yorker Retrolution
Mit einem Demo-Tape definieren The Strokes den Gitarrenrock der Nuller Januar 2001
Ich ging in die ‚Luna Lounge‘ und sah mir diese Band an, von der es hieß, sie könne sich einen Produzenten leisten“. So erinnert sich Gordon Raphael an sein erstes Strokes-Konzert. Bald darauf wurden Albert Hammond Jr. und Nick Valensi in Raphaels „Transporterraum NYC“-Kellerstudio im East Village vorstellig, um die Details seines „drei-Songs-in-drei-Tagen“-Angebots zu besprechen.
Handelseinig geworden, schufen die Musiker mit Raphael in jenen drei Tagen den Strokes-Sound – oder vielmehr: Sie setzten um, was Julian Casablancas zuvor detailgenau ersonnen hatte. „Julian hatte konkrete Vorstellungen“, bestätigt Raphael. „Zudem kommunizierte er seine Ideen auf interessante Weise, eher wie ein Maler oder Regisseur als wie ein Rock-Musiker.“ Casablancas findet derweil, der Produzent könne „wunderbar Schwingungen auffangen“.
Weshalb Raphael auch verstand, wie die Strokes klingen sollten: Nämlich wie eine zu ihrer Zeit ungehörte Platte, die jemand in ferner Zukunft finden würde – so Casablancas‘ kryptische Vorgabe. Dessen ungeachtet bediente man sich durchaus moderner Mittel. Raphael verkabelte altes Equipment mit acht Mikrofonen und nahm das sich daraus ergebende Signal mit der Recording-Software „Audio Logic“ auf. Und da Casablancas beim Songwriting eine Drum Machine benutzte, bat er darum, Fabrizio Morettis Schlagzeug ebenso klingen zu lassen. Der metallisch klickende Polter-Drum-Sound der Strokes war geboren. Als Leader und alleiniger Komponist war Casablancas also bereits damals unumstritten: Julian hat von Anfang an alles geschrieben und es gab nie einen Grund, daran etwas zu ändern“, erklärt Albert Hammond Jr..
Neben ersten Demo-Aufnahmen und täglichen Proben in „Manhattans Music Building“ spielten die Strokes im Jahre 2000 insgesamt elf Shows in ihrer Heimatstadt, die letzte in der ziemlich angesagten „Mercury Lounge“. Booker der Lounge war der 22-jährige Ryan Gentles. Ein paar Wochen später kündigte Gentles den Job und übernahm das Management der Strokes.
In seiner ersten Amtshandlung beauftragte er Matt Hickey, einen anderen Booker der „Mercury Lounge“, Kontakt mit Rough-Trade-Chef Geoff Travis aufzunehmen. Hickey spielte Travis das Strokes-Demo angeblich am Telefon vor, woraufhin dieser die Band nach London bat, um sie unter Vertrag zu nehmen. Travis, seit The Smiths nicht mehr so elektrisiert vom Sound einer neuen Band, überredete die Strokes, jene mit Raphael aufgenommen Demos ohne weitere Bearbeitung zu veröffentlichen. Der 22. Januar 2001 änderte dann auf einen Schlag alles: „The Modern Age EP“ erschien in England mit simplem Cover und nur drei Songs. So effektiv war das Verhältnis von Aufwand und Ertrag später weder beim gut halbstündigen Debütalbum noch bei den nur unwesentlich längeren ersten Konzerten. Mit der Schlagzeile „why New Yorks finest will change your life – forever“ hievte der „NME“ die völlig unbekannte Band in gewohnt pathetischer Manier auf den Titel, ein beispielloser Hype nahm seinem Lauf. Ähnlich wie einst die Ramones den amerikanischen Punk nach England brachten, eroberten die Strokes innerhalb kürzester Zeit London. Wie damals im „Roundhouse“ standen auch jetzt die Überflieger von morgen im Publikum. So erinnert sich Alex Turner an ein späteres Strokes-Konzert als initiierendes Erlebnis für die damals noch unentschlossen lärmenden Arctic Monkeys.
Ein gutes halbes Jahr später erschien schließlich „Is This It“-und definierte endgültig den Rock der kommenden Jahre.