Specials-Sänger Terry Hall: Er wurde nur 63 Jahre alt
Der Sänger und Mitbegründer der legendären britischen Ska-Band The Specials ist tot. Als Working-Class-Teenager mit genialistischen Zügen war er bereits früh erfolgreich. Sein hochproduktives Leben blieb gleichwohl eine Rumpelstrecke.
Beim Interview mit dem deutschen ROLLIG STONE im November 2018 erinnerte sich Sänger und Produzent Terry Hall an seinen frühen Ausstieg bei der Ska-Band The Specials:
„Mein Gott, ich war kaum 23 und wollte neue verrückte Sachen machen … Für mich war Ska als verbindende Idee und musikalischer Kompass erst mal ‚durch’…“. Nun ist Hall im Alter von 63 Jahren verstorben.
Die vielköpfige Formation aus der mittelenglischen Industriestadt Coventry gehörte Ende der 1970er-Jahre zusammen mit Madness und The Beat zu den führenden Vertretern des Revivals der Prae-Regaae-Spielart, die einst karibische Einwanderer auch nach Großbritannien brachten. The Specials hatten damals nach längerer Pause das neue Album „Encore“ im Gepäck. Eine anschließende Europa-Tour fand vor ausverkauften Hallen statt.
Damals in der neuen, schicken Zentrale der Plattenfirma Universal Music vor fünf Jahren machte Hall einen wachen und fitten Eindruck. Der oft genug in Interviews lakonische bis mürrische Songwriter war an diesem Vormittag im High-End-Büropark am Bahnhof Kings Cross für seine Verhältnisse sogar gut drauf.
In der Nacht Dienstag (20. Dezember) vermeldeten diverse UK-Medien nun die Nachricht von seinem Tod.
„Mit großer Traurigkeit geben wir bekannt, dass Terry, unser wunderbarer Freund, Bruder und einer der brillantesten Sänger, Songschreiber und Texter, die dieses Land je hervorgebracht hat, nach kurzer Krankheit verstorben ist“, hieß es beim Kurznachrichten-Dienst Twitter von seiten der (Rest-)Band.
Und weiter:
„Terry war ein wunderbarer Ehemann und Vater und eine der freundlichsten, lustigsten und aufrichtigsten Seelen. Seine Musik und seine Auftritte haben die Essenz nicht nur seines Lebens verkörpert … die Freude, den Schmerz, den Humor, den Kampf für Gerechtigkeit, aber vor allem die Liebe ..:“ Abschließend ist eher allgemein von einer „kurzen Krankheit“ die Rede. Näheres ist bislang nicht bekannt.
Zu den ersten Musiker-Kollegen, die Hall kondolierten, gehörte noch in der Nacht der Protestsänger Billy Bragg.
In ihrem langen Nachruf in der Tageszeitung „The Guardian“ erinnert Autorin Laura Snapes an die mentalen Probleme, mit denen Hall seit seiner Jugend zu kämpfen hatte. „2003 hatte er begonnen, sich selbst mit Alkohol zu behandeln. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens suchte er nach alternativer Behandlung mit Medikamenten, denen er seit seiner Verabreichung von Valium als Teenager misstraute. Er begann eine Kunsttherapie.
Zusammen mit Nachbarschafts-Kumpels, sowie seinem kreativen Widerpart Jerry Dammers, gründete Hall The Specials Anfang 1977. 1981 erfolgte bereits nach dem zweiten Album der Split der aus weißen und schwarzen Musikern bestehende Band.
Songs wie „Message to You, Rudy“, „Gangsters”, „Too Much Too Young” oder der gespenstische Abgesang auf den „kranken Mann im Ärmelkanal“ mit „Ghosttown“ waren in jener Zeit durchaus Charts-Kompatibel, zumindest in Großbritannien. In Deutschland war Ska vor allem mit Jugendkultur und einem von den „Rude Boys“ (= coole karibische Styler in engen Anzügen und „Pork Pie“-Hütchen) inspirierten Kleidungsstil verbunden.
Nach der Trennung der Band engagierte sich Hall in vielerlei Projekten. Legendär seine Melancholiker-Formation Fun Boy Three, welche die Ska-Wurzeln in Richtung Pop auffächerte. Aber auch FB3 waren nach zwei in Fachkreisen hoch geschätzten Alben („The Fun Boys Three“ und „Waiting“) bald wieder passé.
Im FB3-Song „Well Fancy That“ verarbeitet er die ungewollten sexuellen Annäherungen seines Lehrers bei einem „schooltrip to France“, die er als 12-Jähriger erfahren hatte. Der „Guardian“ erwähnt in diesem Kontext auch eine Verbindung der Pädagogin zum einem Pädophilen-Ring. „You took me to France on the promise of teaching me French” heißt es vieldeutig in den Lyrics.
Mit der Nachfolgeband The Colurfield war Hall 1984 dann auf dem Pop-Planeten angekommen. Im Duo Terry & Anoushka bewies er seine Duett-Qualitäten. Der vielseitige Songwriter übernahm Jahre später auch eine musikalische Rolle in Damon Albarns Dauerprojekt The Gorillaz.
Hall hinterlässt seine Frau, die Regisseurin Lindy Heymann. Sie hatten einen Sohn; Hall hat zwei ältere Söhne mit seiner Ex-Frau Jeanette Hall.