The Rolling Stones: So war ihre letzte Show in Newark
US-Kollege Rob Sheffield war für uns beim letzten Konzert der Comeback-Tour der Rolling Stones. Diesmal begrüßten die Stones im Prudential Center in Newark die Black Keys, Bruce Springsteen und Lady Gaga.
Mick Jagger hat die Worte „This could be the last time“ hunderte Male gesungen – aber an diesem Abend hatten sie einen ganz besonderen Klang. Die Show der Rolling Stones in Newark, New Jersey am 15. Dezember war immerhin die letzte Show ihrer Jubiläumstour, auf der sie ihre ersten Konzerte seit fünf Jahren gegeben hatten. Und da noch immer keine weiteren Auftritte für 2013 angekündigt sind, befürchteten viele Fans, dies könnte nun wirklich der allerletzte gewesen sein.
Aber was auch immer die Zukunft noch bringen mag für die größte Rock’n’Roll-Band der Welt: In dieser Nacht hatten sie ihren Spaß, stürmten im Stones-Style von Klassiker zu Klassiker und boten eine geradezu verschwenderische Anzahl an Gästen auf – von Lady Gaga, die „Gimme Shelter“ bereicherte bis zu Bruce Stringsteen, der für „Tumbling Dice“ die Gitarre umschnallte.
Und dennoch waren alle Augen auf Jagger gerichtet – ein „cosmic blur of hips and ribs and lips“, der jeden Song mit der gleichen umwerfenden, rücksichtlosen Angriffsluft attackierte – egal ob er sich durch „Honky Tonk Woman“ scharwenzelte oder zu „Dead Flowers“ auf seiner Gitarre spielte (der Song wurde auf der Tour zum ersten Mal gespielt und im Vorfeld mit der neuen App der Band von den Fans gevotet). Einen Großteil der Show trug er dabei das gleiche hautenge Outfit, das er auf der 1969er-Tour getragen hatte: schwarze Röhrenhose, hautenges Longsleeve-Shirt, spitze, kubanische Stiefel. In seinem Fall könnte es sogar EXAKT dasselbe Outfit sein – es würde zweifelsohne noch passen (Wie macht der Mann das eigentlich? Zumba? Tantra? Pilatis? Oder liegt es einfach daran, dass er regelmäßig die Sau rauslässt?).
Keith Richards spielte eine beeindruckende Anzahl von Gitarren, und überzeugte besonders bei „Gimmy Shelter“ und „It’s Only Rock’n’Roll“. Und obwohl er die meiste Zeit im Bühnenhintergrund über seinen Gitarren erstrahlte, enterte er das Mikrofon für ein gelungenes Mick-freies Zwischenspiel mit „Before They Make Me Run“ und „Happy“. Ron Wood wirkte erstaunlich fit, tanzte auf der Bühne herum und etablierte seine Rolle als ungezogener Schuljunge, während Charlie Watts mit der ihm eigenen unerschütterlichen Ruhe die Drums bearbeitete.
Das hohe Tempo der Show ließ nicht viel Platz für Balladen oder entspanntes Geplauder. Mick fertigte die Gäste vor und auf der Bühne dermaßen fix ab, dass er anmerkte, er fühle sich wie Davit Letterman. Lady Gaga lieferte sich ein spektakuläres, souliges Duett in „Gimme Shelter“ und stakste dabei in einem gestreiften Jumpsuit auf Plateaustiefeln über die Bühne, als wäre sie direkt aus dem Booklet von „Tattoo You“ gestiegen. Die Black Keys gaben sich bei Bo Diddleys „Who Do You Love“ die Ehre, während der Freddie King Tribute „Going Down“ zu einem metal-artigen Blues Jam wurde – mit Gary Clark Jr. und John Mayer an den Gitarren, die mit Wood und Richards exzessive Solo spielen (die Stones haben der Versuchung widerstanden, direkt im Anschluss Taylor Swift für „Wild Horses“ einzuladen – DAS hätte großartig werden können!)
Jagger sagte dem Publikum, dass zahlreiche Gäste tausenden Meilen zurückgelegt hätten, um an diesem Abend in New Jersey zu sein: „They’ve flown from Moscow and Los Angeles and Saskatoon and God knows where else.“ Dann fügte er hinzu: „Our next guest, he just had to walk here“, und Bruce Springsteen betrat die Bühne für „Tumbling Dice“, dem unumstrittenen Höhepunkt des Abends. Springsteen sang einige Zeilen mit Jagger während er Gitarre spielte, breit grinste, seine Otis-Redding-Moves ausspielte und immer und immer wieder „You got-ta roll me!“ rief.
Für Gitarrenfreunde dürfte das Showcase für Mick Taylor ein weiterer Höhepunkt gewesen sein, der bekanntlich in den „Sticky Fingers“ / „Exile On Main Street“-Jahren zwischen Brian Jones und Ron Wood in der Band gespielt hatte. Alle drei Gitarristen jammten den „Midnight Rambler“ gemeinsam, während Jagger die Mundharmonika blies. Obwohl die Stones den Song weit über die Zehn-Minuten-Marke ausdehnten, war da in jeder Sekunde diese sirrende, zuckende Ruhelosigkeit. Wie eigentlich die gesamte Show über, hatte man das Gefühl, die komplette Geschichte der Band in diesem einen Song zu spüren.
Aber selbst in feierlichen Momenten wie diesen, wäre es nicht im Sinne der Stones, sentimental zu werden. Sie blieben sich und ihrer raubauzigen Bedrohlichkeit treu. Fünf der ersten sechs Songs thematisierten explizit den Tod, und die eine Ausnahme – der Opener „Get Off My Cloud“ – ist die ultimative Ode der Stones, die Menschheit hinter sich zu lassen, und sich in die eigene Fantasiewelt zu flüchten. Wie immer, boten die Stones also wenig Behaglichkeit: Nur fiese Gitarre, ungezügelte Energie und die ihnen eigene „Satanic Majesty“.
Set List:
„Get Off Of My Cloud“
„The Last Time“
„It’s Only Rock & Roll (But I Like It)“
„Paint It Black“
„Gimme Shelter“ (with Lady Gaga)
„Wild Horses“
„Going Down“ (with John Mayer & Gary Clark Jr.)
„Dead Flowers“
„Who Do You Love“ (with the Black Keys)
„Doom and Gloom“
„One More Shot“
„Miss You“
„Honky Tonk Women“
„Before They Make Me Run“
„Happy“
„Midnight Rambler“ (with Mick Taylor)
„Tumbling Dice“ (with Bruce Springsteen)
„Start Me Up“
„Brown Sugar“
„Sympathy for the Devil“
„You Can’t Always Get What You Want“ (with the Trinity Wall Street Choir)
„Jumpin’ Jack Flash“
„Satisfaction“