The Police: Stewart Copeland – „Wir hatten kurze Haare. Wir waren der Feind“

Der Police-Drummer über „Synchronicity“ und die Chancen einer Reunion

Am 1. Juni 1983 veröffentlichten The Police ihr fünftes und letztes Studioalbum „Synchronicity“. Zum 41. Jubiläum der Platte ist am 26. Juli eine Neuauflage inklusive Video-, Bild- und Ton-Material erschienen. Die „Synchronicity“-Box enthält 55 unveröffentlichte Songs. Das Reissue ist als 6-CD, 4-LP, 2-CD, 2-LP, 1-LP und Picture Disc verfügbar.

Wir sprachen mit Police-Schlagzeuger Stewart Copeland, 72, über das Vermächtnis der Band, die etwas tat, was noch keine Band nach ihrem erfolgreichsten Album tat: ihr Ende beschließen.

Mr. Copeland, „Synchronicity“ enthält mit „Miss Gradenko“ auch einen von Ihnen geschriebenen Song – er überwand die strenge Qualitätskontrolle von Sting. Er handelt von Liebe hinter dem Eisernen Vorhang. Wie nahmen Sie das Jahr 1983 war, als im Kalten Krieg ein atomarer Konflikt zwischen den Blockmächten drohte?

Ich würde ja gerne mit Ihnen übereinstimmen, dass hinter Text und Komposition ein höheres Prinzip steckt. Aber ich sang nur über einen Traum. Der Blick auf eine totalitäre Gesellschaft voller Menschen, die nicht Mensch sein dürfen, sondern wie gefesselt sind in ihren Uniformen. Aber Menschen können eben nicht aus ihrer Haut. Aber doch aus ihrer Uniform. So wie Miss Gradenko. Der Ich-Erzähler im Song verliebt sich in sie. Es ist ein Lied über Menschlichkeit in einem autoritären System, über Menschlichkeit unterhalb der unerbittlichen Oberfläche. Es handelt nicht vom Atomkrieg, das wäre zu groß gedacht.

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Sting blickte auf die Welt von 1983 voller Sorge. „Every Bomb You Make“, und „When The World Is Running Down …“ sang er schon drei Jahre davor.

Natürlich, Sting fixiert sich auf die großen Konflikte in der Welt. Aber ich? I wrote about a horny soviet guy. 

In den Linernotes zur Box ist die Rede von einer zusätzlichen „Miss Gradenko“-Strophe, in der es um Nordkorea geht.

Ich kann mich daran nicht erinnern! Aber es wäre gut, wenn sie existiert. Dies ist ein Land, in dem das öffentlich zur Schau getragene Leben doch ein radikal anderes ist, als das im Privaten. Sogar im Umgang mit den nächsten Nachbarn. Man kreiert eine Fassade. Aber niemand, keine Diktatur, kann das innere Leben eines Menschen bestimmen.

Auf der „Synchronicity“-Tour wurden 1983 bis 1984 alle Songs des Albums gespielt. Bis auf Ihren und den Ihres Kollegen Andy Summers, „Mother“. Wurden beide Stücke zumindest für die Bühne geprobt?

Nein, wir haben nie geprobt.

Äh …

Wirklich nicht. Wir starteten die Studioaufnahmen rund 20 Minuten, nachdem wir die Lieder der anderen zum ersten Mal hörten. Sting stellte seine Songs vor, Andy, ich. Sting hatte viele gute Songs, er schüttelte einen nach dem anderen aus dem Ärmel. Viele seiner Demos entstanden am Synthesizer. Ich lauschte, dann spielte ich auf den Drums. 20 Minuten, mehr brauchte es nicht. Bei der Gitarre sah das tatsächlich etwas anders aus. Das konnte schonmal zwei Monate dauern. Verschiedene Effekte und Spielweisen. Sting konnte tagelang im Aufnahmeraum stehen und singen, bis er die richtige Klangfarbe fand. Aber das Schlagzeug? Spontan! Doch ich habe auch etwas zur Verteidigung meiner Lieder, die Sting zurückwies, zu sagen.

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Unbedingt!

Ich habe eine Golden-Globe-Nominierung, als auch eine Grammy-Nominierung für meine Soundtrack-Arbeit zu „Rumble Fish“ erhalten, Francis Ford Coppolas Verfilmung von S.E. Hintons Roman. Der Film hieß in Deutschland „Rusty James“, oder?

„Schreiben Sie, Francis Ford Coppola ist Schuld am Ende von Police!“

Nicht, dass ich wüsste. Ich kenne ihn als „Rumble Fish“.

Nun, ich trug einige meiner Kompositionen in diesen Film hinein. Ich spürte ja selbst, dass das Material nichts war für Police. Ich konnte Stings Haltung zu den Liedern von Andy und mir auch nachvollziehen. Um Texte voller Überzeugung zu singen, muss man sie, denke ich, auch selbst geschrieben haben. Ich bin nicht wie Sting. Wir könnten, zumindest was unsere Denkweisen betrifft, nicht weiter voneinander entfernt sein. Ich spürte es: Wann immer er seine eigenen Songs intonierte, hatte das viel mehr Power. Doch konnte er, wenn er wirklich wollte, auch fremde Lieder glaubhaft rüberbringen: „Omegaman“ vom „Ghost In The Machine“-Album, komponiert von Andy. Was für ein klasse Song! Ich wünschte nur, wir hätten mehr Zeit in genau dieses Stück investiert. Es hätte ein Police-Klassiker werden können.

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Der„Rumble Fish“-Score erschien, wie „Synchronicity“, im Jahr 1983. Trug die Genugtuung über die Anerkennung durch Kritiker dazu bei, das drohende Ende von Police erträglicher zu machen?

Schreiben Sie, Francis Ford Coppola ist Schuld am Ende von Police! Ich nahm den Soundtrack direkt nach „Synchronicity“ auf. Die Police-Welt im Studio empfand ich als sehr dunkel und feindselig. Ich sagte es immer wieder: The Police waren wie ein Prada-Anzug, fabriziert aus Rasierklingen.

Wie hielt man das aus?

Aus heutiger Sicht alles halb so wild. Wir wissen heute, dass aus den Dynamiken innerhalb der Band gute Sachen entstanden sind. Aber damals? Es war hart. Mixing und Overdubs fanden in Morin-Heights in Kanada statt, und von da aus zu Francis nach Kalifornien zu reisen, dort aufzunehmen, ohne auch nur eine einzige Verhandlung führen zu müssen … keine Kämpfe, keine Fremdbeurteilungen. Ab und zu schaute Francis im Studio vorbei. „Das klingt toll! Weiter so!“, sagte er dann. Es war eine wundervolle Welt. Ich hatte ganz vergessen, wie schön es sein kann, Musik zu machen ohne dafür beurteilt zu werden. Ohne Konflikt. Ohne Kompromiss.  Ich fing an zu verstehen, dass das Leben außerhalb von Police besser sein könnte. Wobei man nicht vergessen sollte, dass meine Kollegen auch längst außerhalb der Band Musik machten. Wir dachten dasselbe: Es ist großartig, Songs zu veröffentlichen, die die Welt in Flammen setzen. Aber es gibt mehr im Leben. Wir waren dankbar dafür, erkannt zu haben: Die Trennung erfolgte im genau richtigen Moment.

„The Police waren wie ein Prada-Anzug, fabriziert aus Rasierklingen“

Produzent Hugh Padgham setzte Sie und ihre Kollegen in verschiedene Aufnahmeräume, um einen besseren Klang für alle drei Instrumente zu kreieren. Von seinem sagenhaften „Gated Reverb“-Drum-Sound, den er für Phil Collins erschuf, ist aber nicht so viel übrig geblieben, oder?

Also, hier muss ich Hugh Padgham verteidigen. Sein Job bestand zwar im Sound, nicht im Versuch, die Band zusammenzuhalten. ich meine, Hugh war es gewohnt mit Erwachsenen zu arbeiten. Mit Menschen, die sich respektieren. Nicht mit Leuten wie uns. Man hat ihn ins Rattennest von Police geworfen. Niemals hätte er darauf vorbereitet sein können, mit drei Arschlöchern klarzukommen. Wir waren nicht Genesis, wir waren nicht U2, und wir waren nicht Rush. Die waren zivilisiert. Nun sollte man meinen, drei Arschlöcher in drei verschiedene Räume zu verpflanzen, sollte die Probleme lösen. Aber die haben sie nur potenziert. Wir waren drei Charaktere, die durch die räumliche Trennung erst Recht das Gefühl hatten, sich in verschiedene Richtungen entwickeln zu müssen.

Padgham hat auch „Ghost In The Machine“ co-produziert. Ich finde, ihr Schlagzeug klingt darin knackiger. In „Synchronicity“-Liedern wie „Synchronicity II“ klingen die Drums ein wenig matschig.

Interessante Deutung, denn Hugh Padgham nutzte für die Aufnahmen dieselbe Technik. Der gleiche Raum, das gleiche, ja … das gleiche Alles. Vielleicht hatte sich das Gated Snare im Stil von Phil Collins schon ein wenig überlebt. Als Hugh Padgham mit uns zusammenarbeitete, hatte er schon keine Lust mehr auf Gated Reverb. Aber ich bin von Ihren Eindrücken überrascht. Es gibt sehr, sehr große Klangunterschiede zwischen unseren ersten drei Alben, „Outlandos D‘ Amour“, „Regatta De Blanc“ und „Zenyatta Mondatta“ auf der einen, und „Ghost In The Machine“ auf der anderen Seite. Aber, wie ich finde, keinen großen Unterschied im Klang zwischen „Ghost In The Machine“ und „Synchronicity“.  Die Unterschiede sind da wirklich subtil. Was haben Sie noch bemerkt?

Mein Lieblingseinsatz von Ihnen ertönt in „Spirits In The Material World“, vor dem ersten Chorus,  sowie in „Wrapped Around Your Finger“, als sie am Ende das Tempo erhöhen: ein doppelter Taktschlag auf der Snare. Als wollten Sie Sting sagen: Sieh zu, jetzt!

Danke! Nun, „Spirits“ ist sehr tight, „Wrapped“ ist sehr loose. Meiner Ansicht nach liefert genau dieses Lied wie kein anderes den Beweis dafür, dass ich manchmal überhaupt keine Ahnung davon habe, was ich eigentlich da mache.

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Na, nun kommen Sie aber!

Mein Spiel lässt durchschimmern, dass ich den Song gar nicht kenne. Ich versuchte ja, genau zuzuhören. Aber besteht der Vers nun aus acht Takten – oder 16? Und wann beginnt der Refrain? Schauen Sie, Sting war bei den Aufnahmen ja nicht im selben Raum wie ich. ich versuchte zu improvisieren. Ok, könnte das der Refrain sein? Let’s go! Oder habe ich gar den Einsatz versäumt?

„Sting versuchte, ein Diktator zu sein. Ich versuchte, ein loyaler Minion zu sein“

Gibt es sonst noch Lieder, die Sie aus heutiger Sicht für wenig gelungen halten?

„Wrapped Around Your Finger“ könnte tatsächlich der einzige sein. Aber ich kann mir das ganz gut vergeben. Ich glaube, es gibt keine Nummer, die ich zweimal gleich spielte. Das konnte für meine beiden Kollegen durchaus ein Problem sein. Sting versuchte, ein Diktator zu sein. Ich versuchte, ein loyaler Minion zu sein. The leaders command, the loyal troops fuck it all up. That’s me. Ich bin, wie ich bin. Wenn ich am Schlagzeug loslege, sieht das so aus: If I’m banging shit, I am banging shit. Egal, worüber wir uns geeinigt hatten. Wenn ich erstmal saß, wenn ich erstmal losschlug, war ich in meiner Welt.

Ohne Ausnahme?

„Every Breath You Take“ war anders. Das entstand nach Gesprächen. Vielen Sitzungen. Wir wussten, dass es wichtig sein würde, es zu verbessern. Aber wirklich, von allen, allen Liedern war „Wrapped Around Your Finger“ exakt dasjenige, das jede Organisation vermissen ließ. Als die Tour begann, hatte ich den Dreh raus. Alles gut. And on the other hand: the album does not suck.

Sie sagten, Sie seien mit Ihrem Drumming auf „Every Breath You Take“ ganz und gar nicht zufrieden gewesen. Das Lied hätte viel besser klingen müssen.

Nein. Das stimmt nicht.

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„Andy hat die Nummer gerettet, so sieht’s aus“

„Meiner bescheidenen Meinung nach ist dies der beste Song von Sting mit dem schlechtesten Arrangement. Ich denke, Sting hätte diesen Song von jeder anderen Gruppe spielen lassen können und er wäre besser gewesen als unsere Version – abgesehen von Andys brillantem Gitarrenpart. Im Grunde genommen fehlt der Groove völlig. “ So werden Sie in einem Interview zitiert.

Wow! Das habe ich nie gesagt. Da wurde ich falsch zitiert. Gut, dass Sie das aufbringen, dann kann ich das jetzt klarstellen. Wir wussten von Anfang an: Das Ding wird ein Hit. Keine Ahnung, was ich mal gesagt haben könnte, als ich sauer auf Sting war. Und, übrigens: Wie man auf dem „Synchronicity“-Reissue hören kann, haben wir einige verschiedene Versionen durchprobiert. Keine ist richtig gut. Gleichzeitig wussten wir, bereits in Stings Synthesizer-Version, die Nummer könnte durch die Decke gehen. Andy hat die Nummer gerettet, so sieht’s aus. Seine Gitarre hat „Every Breath You Take“ in die Stratosphäre emporgehoben. Vielleicht gab es ein einziges Problem mit dem Song.

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Welches?

Er war nicht typisch für The Police. Ich betrachtete uns noch immer als wütende Rock-Band. Ich musste jedoch akzeptieren, dass jede wütende Rock-Band, egal, wie wütend sie doch ist, eines im Repertoire hat: die Power-Ballade. Sogar Led Zeppelin haben sie parat, die Power-Ballade. „Stairway To Heaven“. Es ist nicht das typische John-Bonham-Lied. Aber was ist es dennoch? Ihr größter Song.

Es gibt ein tolles Video, das die Kämpfe innerhalb von Police zeigt. Sting redet konzentriert mit einer Reporterin, Sie kippen ihm unvermittelt ein Glas Wasser ins Gesicht. Danach rennt er Ihnen hinterher, in einen Wald, wahrscheinlich um sich mit Ihnen zu prügeln.

Okay. Dies ist ein gutes Beispiel.

Ein gutes Beispiel für was?

Für etwas, das vor laufender Kamera passierte, überall im Netz zu sehen ist …und Sie haben die Geschichte komplett falsch erinnert.

Oh Nein.

Sting hat MIR Wasser ins Gesicht gekippt. Und ich renne deshalb ihm hinterher. Aber ich mache Ihnen keinerlei Vorwürfe. Aus Wahrnehmungen wie Ihrer wird Zeitgeist geformt.

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Es gibt noch mehr dieser Storys. Ich zitiere: „Ständig haben sie sich geschlagen. Und dann hat Sting mit einem Schlag Stewarts Rippe gebrochen!“. Manches davon ist wahr. Wie die „Wasser ins Gesicht“-Geschichte, auch wenn Sie nun die Hauptdarsteller falsch zugeordnet haben. So. Und es stimmt, eine Rippe kam zu Bruch. Doch es war nicht meine. Sondern seine! Gottverdammt! Aber davon abgesehen: Jeder Kampf entsprang hysterischem Quatsch. Das waren selten Wutkämpfe. Bei der Rippen-Story ist es so: Das passierte damals vor der gesamten britischen Pressemannschaft. Bei der „Synchronicity“-Tour im Shea Stadium …

… der Auftritt in New York City am 18. August 1983 gilt laut Sting als Karrierehöhepunkt von Police …

… ja, und wir führten uns vor diesen Leuten auf wie die Monkees. Wir waren einfach euphorisch. Wir waren die andere britische Band, die das Shea Stadium eroberte. Die Band nach den Beatles. Sting griff nach meiner Zeitung, ich griff nach seinem Rücken. Ich musste mein Knie nunmal an seiner Rippe platzieren, damit ich meine Zeitung, das dürfte die „New York Times“ gewesen sein, ihm entreißen konnte. Leute, das war doch nur eine Haarrissfraktur. Offiziell war die Rippe gebrochen. Und wenn schon. Es war halt nur eine Rippe – und dann auch nur seine!

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Bandmanager war Miles Copeland. Er vermittelte zwischen Ihnen und Sting. Ist es ein Vorteil oder Nachteil, wenn der ältere Bruder als Mediator in Erscheinung tritt?

„Musik ist eine Feier. Ein aggressives Verlangen, jedes Gebäude niederzubrennen. Ich will anzünden. Ich will Feuer machen“

Miles könnte versucht gewesen sein, seinen kleinen Bruder zu beschützen. Aber ehrlich, ich glaube, so war er nicht. Und er machte auch keinen Unterschied aus. Sting und ich, wir gingen uns permanent an die Kehle. Weder Miles, noch Hugh Padgham, auch nicht Andy – keiner konnte den Konflikt friedlich lösen. Der Graben war zu tief. Heute wissen Sting und ich, warum wir uns so stritten. Wir machen Musik aus fundamental unterschiedlichen Gründen. Wir hören Musik aus unterschiedlichen Gründen. Auch die Funktion, die Musik in unserem Leben ausübt, ist verschieden. Für ihn? Ist Musik ein schöner Ort, den er besucht, um Schönheit zu kreieren. Und um gelassener zu werden. Für mich? Ist Musik eine Feier. Ein aggressives Verlangen, jedes Gebäude niederzubrennen. Ich will anzünden. Ich will Feuer machen. Lichter brennen lassen. Die Zusammenarbeit mit Sting war schwierig, immer schon. Die Musik aber: Die war interessant, zu jeder Zeit.

„Synchronicity“ war für den Grammy als „Album des Jahres“ nominiert, verlor aber gegen Michael Jacksons „Thriller“, das nicht mal im selben Jahr erschien. 

Klar, „Thriller“ war eben so groß, dass das trotzdem ging! Es war seine Rache. Denn wir hatten ihn von Platz eins der Albumcharts gekickt. Seine Rache, er bekam den Grammy.

Beim „Record of the Year“ hatte „Every Breath You Take“ auch verloren, gegen „Rosanna“ von Toto. Vielleicht auch, weil The Police keine Amerikaner waren?

Ach Quatsch. Ich weiß das doch alles gar nicht mehr. Wäre das unser erster Grammy gewesen?

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Nein, The Police, und gerade Sie, erhielten für den Song „Regatta De Blanc“ eine Auszeichnung für die „Best Rock Instrumental Performance“. 1980 war das.

„Wir könnten die erste New-Wave-Band gewesen sein, die einen Grammy erhielt“

Was ich weiß, ist: Wir waren eine der ersten, wenn nicht gar die erste Punk- und New-Wave-Band, die von der Old Wave akzeptiert wurde. Bis dahin galt: Jeder mit kurzen Haaren war „Der Feind“. Alle Bands, alle Radiostationen, alle Journalisten, der amerikanische ROLLING STONE, alle betrachteten uns als Feind. The Police war die erste Band, die trotz ihres Aussehens akzeptiert wurde. Wir könnten die erste New-Wave-Band gewesen sein, die einen Grammy erhielt, Sie müssten das mal recherchieren. Diesen Widerstand in der Grammy-Jury zu brechen, gegenüber allen, die abstimmten … Ich erinnere mich an das Mixing der „Synchronicity“-Platte in den AIR-Studios in Montserrat. Da waren unter den Ton-Ingenieuren auch einige Zausel. Und kaum kam die Nachricht an, dass wir einen Grammy in der Tasche hatten, veränderte sich dort die Atmosphäre. Uns war das mit dem Grammy komplett egal. Aber für die alten Bastarde im Studio war es plötzlich legitim, The Police zu mögen.

Das Musikjahr 1983 war für Briten äußerst bedeutend. Es gab Post-Punk von Orange Juice, Aztec Camera und The The, klugen Teenage-Pop von Tears for Fears, New Romantics wie Culture Club und Duran Duran, ausgerechnet David Bowie mit seinem unerwartet größten Erfolg, „Let’s Dance“, und Def Leppard und Billy Idol hielten alle für einen Amerikaner. Wie passten The Police da rein?

Ich habe David Bowie nie getroffen. Und die New Romantics  …waren für mich ein fremder Volksstamm. Ich sehe das so: Jeder Musiker hat einen Rückspiegel. Darin zu sehen sind alle Musiker, die Großes geleistet haben, aber eben die Vergangenheit darstellen. Ich finde, in den Rückspiegel zu blicken, bekommt einem oft nicht gut. Das geht nicht gut aus. Es fällt einem leichter, Band zu wertschätzen, die nach einem selbst gekommen sind. Zehn Jahre. Nein noch besser: 20 Jahre! Nirvana. Ich liebe sie, ich liebe sie! Es fällt einem schwer, Bands zu wertschätzen, die direkt nach einem selbst ihre Karriere beginnen. Man ist doch so sehr im Elfenbeinturm verschanzt, mit seinem eigenen Lebensweg derart beschäftigt, dass man richtig großen Abstand benötigt, um sich auf andere Bands einlassen zu können. Die New Romantics sind an mir vorbeigegangen. Ich hatte eine lediglich vage Vorstellung von ihnen. Schicke Klamotten. Komische Frisuren. Kein Groove. Keine Energie, mit der ich mich verbinden kann. ich bin ein großer Bewunderer von … wie hießen die nochmal? Schlechte Band, aber ich liebe ihr Album … (singt) „Don’t You Want Me, Baby?“, der Typ hatte sich penibel Haare über eine Gesichtsseite gekämmt, zwei Backgroundsängerinnen …

… The Human League.

Ja! Dafür hasse ich mich. Nennt man wohl „Guilty Pleasure“, dieses Album zu mögen. Also, ab und zu gute Musik bei den New Romantics. Aber die Szene? Habe ich nicht verstanden.

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Die „Synchronicity“-Tour verzeichnete eine sensationelle Liste von Support-Acts. Joan Jett,  Stevie Ray Vaughan, Peter Tosh, Talking Heads, James Brown, R.E.M., Madness, UB40, Bryan Adams und so fort. Wie kam das zustande?

Hey! Sie haben die wichtigsten Bands vergessen. The Cramps und The Go-Go’s. Ach, die meisten unterstanden entweder dem Management von Miles oder waren bei seiner Plattenfirma unter Vertrag. Ich hatte damit kein Problem. Aber, vielleicht können Sie sich vorstellen, ein ganz bestimmtes Bandmitglied von Police hatten ein Problem damit, bestimmte … Unternehmenswerte zu bewerben. Juckte mich nicht. Was mich störte: Einige Bands waren auf der Bühne echt langweilig. Ich will keine Namen nennen. Das bekamen wir aber einfach mit. Wir fühlten das. Die Bühne war dann kalt, als wir sie betraten. Anders die Go-Go’s. Da stand alles unter Feuer. Nicht nur in Hallen, sogar in den Stadien. Ihre Leser können ja raten, wen ich mit „langweilig“ meine.

Ok: Talking Heads?

Alles klar, ich habe zu viel gesagt. Fürs Protokoll: „Remain in Light“ habe ich rauf- und runtergehört.

Der Police-Tourfilm „Around the World“ zeigt 1982er-Konzerte in Indien und Ägypten. Das waren Länder, die damals als exotisch für westliche Bands galten – und heute noch seltener betourt werden. Die ersten sechs Tourneedaten der „Ghost in the Machine“-Welttournee lauteten übrigens: Böblingen, Essen, Kassel, Freiburg, Rüsselsheim, Eppelheim.

Ich habe erst vor kurzem ein Konzert in Indien gegeben. Indien ist nur leider nicht mehr exotisch, das bedaure ich. Aber Bands spielen da doch am laufenden Band.

Wann tritt Taylor Swift dort mal auf? Ed Sheeran?

Die werden von Veranstaltern vertreten, die viel Geld machen wollen. In Indien, China oder Nigeria könnten die nicht genug Geld für Tickets einnehmen. Für Sie und mich sind das Länder. Für die sind das Märkte. Mit Police wollten wir in den Nullerjahren in China auftreten. Es hieß dann: Klar, das klingt nach Spaß. Aber eure Roadcrew besteht aus 200 Leuten. So viel Geld könnten wir von den Fans dort nicht verlangen, um das wieder reinzuholen. Die Rolling Stones hatten das in China probiert. Hat sie ein Vermögen gekostet.

„Wir bringen alle Platten als Reissues heraus“

Warum hat es 31 Jahre bis zur ersten Deluxe-Version eines Police-Albums gebraucht? Und: Dem Set ist eine Instrumentalversion von „Roxanne“ beigefügt, ein Song, der gar nicht auf „Synchronicity“ gehört – heißt das, es wird keine weiteren Reissues mehr geben?

Doch. Wir bringen sie alle. Vier kommen also noch. Und daran sollten wir den Beatles die Schuld geben. Bis dahin lautete unsere Devise: Nur die fertige, offizielle Version sollen die Leute hören. Das war die Originalveröffentlichung. Alles andere ist irrelevant. Dann aber sahen wir die Beatles-Doku „Get Back“. Die Beatles, wie sie ihr Album erschufen. From the scratch. Wie in ihrer Unterwäsche. Songs im Anfangsstadium – und das beeinträchtigte keineswegs die Gravitas ihrer Kunst. Es vergrößerte die Gravitas sogar. „Get Back“ weckte die intellektuelle Neugier, unbedingt erfahren zu wollen, wie diese Meisterwerke entstanden. Und wenn das sogar bei den Beatles funktionierte, dann tut es das bei uns doch vielleicht auch. Das hat uns die Türen geöffnet. „Synchronicity“ ist nur der Anfang. Wie Wagner sind wir. Wir arbeiten von hinten nach vorn.

Würden Sie weiteres Videomaterial von Police zeigen, auch mit den Konflikten? Bei den Beatles-Erklärern hat das ja für Klarheit, vielleicht sogar für Frieden gesorgt.

Das wäre doch, in unserem Fall, ein sehr deprimierender Film. Andererseits: Die Beatles brachen bei den Aufnahmen zu „Let It Be“ auseinander und kamen für „Abbey Road“ wieder zusammen. Sie durchlitten ein ähnliches Drama wie wir mit „Synchronicity“. Nun saßen die vier Beatles zumindest stets in einem Raum. Sieht auch als Film besser aus als das Bild, das wir drei in drei verschiedenen Aufnahmeräumen abgaben.

Können Sie abschätzen, ob es jemals, nach 2006, eine weitere Police-Reunion geben wird?

Natürlich, das kann ich. Die Wahrscheinlichkeit beträgt 99, 99999999999999999 (Anzahl der Neuner beim Abtippen des Interviews mitgezählt) Prozent, dass wir das nicht tun werden.

Ich habe mich nicht verhört?

Richtig.

Stewart Copeland live: am 23. August 2024, mit seinem Police Deranged Orchestra auf dem Schallkultur Festival 2024 in Weimar.

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