The Pale White im Interview: Der Sound von Newcastle
Das Trio aus Nordost-England über die neue Generation von Rockmusikern, und wie man in der TikTok-Ära Aufmerksamkeit generiert.
Mit „A New Breed“ haben The Pale White aus Newcastle eine neue E.P. veröffentlicht. Das Alternative-Rock-Trio, bestehend aus Adam Hope (Gitarre, Gesang), Tim Booth (Bass) und Jack Hope (Schlagzeug), trat hierzulande bereits auf dem Hurricane- und Southside-Festival, als auch beim ROLLING STONE Beach (2002) auf. Ein Interview über ihre Pläne für die Zukunft.
Ihr seid Anfang 20. Euren Sound kann man als „New Vintage“ beschreiben. Wie oft musstet ihr von Gleichaltrigen schon hören: Rock and Roll ist doch tot?
Jack Hope: Rock and Roll war nie tot.
Adam Hope: Ich kenne die Sprüche, diese Vorbehalte. Es klingt klischeehaft, aber man muss an dem festhalten, was man mag. Ich wüsste gar nicht, wie man unsere Songproduktionen ummodeln könnte, so dass sie bestimmten Trends folgen.
Tom Booth: Als Reagge- oder Tranceband jedenfalls sehe ich uns nicht.
Wo seht ihr euch in fünf Jahren?
Jack Hope: Wir spielen nun seit acht Jahren zusammen. Hätte man mir damals erzählt, dass wir die Vorband der Pixies sein würden, ich hätte das nie für möglich gehalten. Aber diesen Traum haben wir ja nur verwirklicht, weil wir so geblieben sind, wie wir sind. Aber, ganz ehrlich, wir haben wirklich hartnäckig nachgefragt, ob wir die Pixes supporten dürfen. Sie sind meine Lieblingsband.
Tom Booth: Pixies supporten bald Pearl Jam, sie eröffnen die Konzerte in Australien. Ohne die Pixies würde es Pearl Jam nicht geben.
Adam Hope: Manchmal schaue ich mir Festivalplakate aus den Nullerjahren an. Headliner wie Arctic Monkeys, Kings of Leon, Foo Fighters oder Black Rebel Motorcycle Club … solche reinen Rock-Billings gibt es heute immer seltener. Dafür haben sie allesamt gemein, dass sie Headliner geworden sind.
Der bekannteste Musiker aus eurer Heimatstadt ist wahrscheinlich Sting. Wie steht ihr zu ihm?
Jack Hope: Ich lebe in der Straße, in der er aufwuchs. Am Hafen, wo man morgens im Nebel die Schiffe an den Docks sieht.
Adam Hope: Und ich wohne nur eine Straße weiter. In Stings Elternhaus wird mittlerweile ein China-Imbiss betrieben.
Jack Hope: Ich liebe The Police.
Tim Booth: Und ich wünschte, ich könnte Bass spielen wie Sting! Er wird noch immer gefeiert. Auch diejenigen aus Newcastle, die ihn nicht mögen, erkennen seine Herkunft an. Es als jemand zu schaffen, der nicht aus London kommt, sondern aus dem Nordosten, das bedeutet schon was.
Jack Hope: Es gibt ja noch mehr Musiker aus Newcastle. Brian Johnson von AC/DC, Bryan Ferry. Mark Knopfler.
Tim Booth: Und, nun ja, Ant & Dec.
Warum hat Newcastle so gute Bedingungen für aufstrebende Musiker?
Tim Booth: Es gibt noch immer eine große Arbeiterklasse dort. Sting sang darüber. Letzten Endes geht es um Eskapismus. Dabei fühlen wir uns dort wohl.
Adam Hope: Man hat wirklich nicht viel außer der Musik.
Was passiert, wenn ihr erfolgreich werdet? Geht es nach London?
Tim Booth: Nein.
Jack Hope: Newcastle.
Adam Hope: Newcastle.
Tim Booth: Früher hieß es vielleicht noch: London oder Manchester und sonst nichts. Aber seit dem Internet spielt der Wohnort doch keine Rolle mehr.
Adam Hope: Heute gibt es doch Videocalls!
Der Manchester-Sound wurde im Zuge der Hacienda-Bewegung weltberühmt. Gibt es einen Sound of Newcastle?
Adam Hope: Die Musikszene ist groß, aber einen Newcastle-Sound? Ich weiß nicht.
Tim Booth: Nicht nur die Szene der Stadt, die ganze Stadt wirkt auf mich eklektisch.
Euer erfolgreichster Song auf Spotify, „That Dress“, hat rund 13 Millionen Streams. Wie viele Cent spült das in eure Kassen?
Adam Hope: Ja, ein paar Pfund kommen da zusammen. Toll, oder? Ich will mir nicht vorstellen, wie das Verhältnis aussähe, wenn anstelle von Millionen Streams ordentlich viele physische Einheiten verkauft werden. Aber es bringt doch nichts, darüber nachzudenken. Wir sind eine der unendlich vielen Bands, die live spielen, um zu überleben.
Jack Hope: Dafür gibt es auf Tour auch noch unseren Merchandise-Stand. Dort setzen wir mehr Alben ab als online über unsere Seite.
Adam Hope: Aber auch Tourneen sind kostspielig geworden. Für unsere Supportshows für die Pixies in Dublin kostete die Anreise nach Irland mit der Fähre 700 Britische Pfund. Dafür muss ja auch einer zahlen.
Rentiert es sich für euch, so viel Musik wie möglich aufzunehmen?
Tom Booth: Wir reden regelmäßig darüber. Unser Plan sieht vor, so viele Songs wie möglich herauszubringen, dann erst möchten wir darüber nachdenken, wie sich das finanziert. Wir leben im viel beschworenen Zeitalter des Konsums. Des Medienkonsums, wie auch des Konsums von Kaufprodukten. TikTok, Short Videos, Digitalsingles … aber wir sehen uns als Body-of-Work-Band, als Albumband.
Arcade Fire gehen diesem Sommer auf Albumtournee, spielen die Songs ihres Debüts „Funeral“ von 2004. Gut möglich, dass sie die letzte Generation von Bands sein werden, die Albentourneen absolviert – einfach, weil Alben an Bedeutung verloren haben. Dabei sind die Musiker erst Mitte 40.
Jack Hope: Wann erschien das Debüt der Arctic Monkeys? 2005, 2006? Vielleicht gehen sie damit ja auf Konzertreise. Aber es stimmt, für die nachfolgenden Generationen sehe ich schwarz.
Adam Hope: Wir planen die baldige Aufnahme und Veröffentlichung unserer zweiten Platte, spätestens für 2025. Und vielleicht gehen wir damit ja in 20 Jahren auf Tournee! (lacht). Wie mich die Algorithmen jedoch nerven! Es muss in der heutigen Zeit ja irgendein Snippet angefertigt werden, das die Leute innerhalb der ersten 30 Sekunden berührt. Sonst hat man keine Chance mehr. Aber wir bleiben optimistisch.