The Last Soul Man – Zum Gedenken an Bobby Womack
Mit seiner rauen, gospelgeschulten Stimme, dem luftleichten Gitarrenspiel und grenzenlosen Stilverständnis schuf er Album-Klassiker des Soul, und noch 2012 legte er ein frisches, ambitioniertes Album vor. Nun ist Bobby Womack im Alter von 70 Jahren gestorben.
Wer der Geschichte der Soul Music nur anhand weniger auratischer Orte wie Memphis, Detroit und Chicago nachspürt, übersieht schnell, dass es in der Zeit, in der das Genre seine Gestalt fand, aus allen Himmelsrichtungen der USA groovte. Wie klingt etwa der klassische Soul Sound der West Coast? Vielleicht so energetisch, rast- und uferlos wie das Werk von Bobby Womack.
Der Mann, der von Sam Cooke entdeckt wurde und später dessen Witwe ehelichte, stand niemals still. Wilson Pickett taufte er zum „Midnight Mover“, Womack selbst trieb im Strom der Musikgeschichte oft vorne weg und oben auf, war selbst jedoch auch ein Getriebener seiner Süchte und Ambitionen. Wie sein Mentor Cooke wagte er den Sprung vom Gospel zum säkularen Rhythm & Blues und verweigerte sich stets allzu engen Genre-Grenzen.
In Los Angeles spielte er 1964 unter dem Gruppennamen The Valentinos gemeinsam mit seinen Brüdern den hybriden Rhythm-Blues-Country-Song „It’s All Over Now“ ein, der den Rolling Stones kurze Zeit später ihren ersten Nummer-1-Hit im Vereinigten Königreich bescherte. Womacks Talente als Songwriter und Gitarrist machten sich fortan auch Sly Stone, Aretha Franklin und Janis Joplin zu Nutze. Doch erst mit dem Cover des Pop-Standards „Fly Me To The Moon“ (1968) nahm seine eigene Solo-Karriere an Fahrt auf. Bis zum Disco-Trend der späten 70er, dem er wie viele andere Soul-Sänger mittleren Alters wenig entgegenzusetzen hatte, zeigte sich Womack nun als vielseitiger Meister seines Fachs.
Mit seiner rauen, gospelgeschulten Stimme, seinem luftleichten Gitarrenspiel und grenzenlosen Stilverständnis schuf er Album-Klassiker des Genres wie “My Prescription“ (1969), „Communication“ (1971) und „Facts of Life“ (1973). Brillante Tracks wie „Across 110th Street“, dem Quentin Tarantino Dekaden später auf dem „Jackie Brown“-Soundtrack zu erneutem Glanz verhalf, „Home Is Where The Heart Is“ und „How Could You Break My Heart“ zeigten, dass Womack die schnörkellose Tiefe des Southern Soul auch in modernere, urbane Gefilde zu überführen wusste.
1982 schuf er mit der ausufernden Deep-Soul-Ballade „If You Think You’re Lonely Now“ und dem Album „The Poet“ ein herzerwärmendes – und überraschend charttaugliches – Refugium gegen die allzu kühlen Oberflächen des Pop-Zeitgeists. Wenn er sich in seinem Song „I’m The Only Survivor“ (1985) wehmütig an all die verstorbenen Größen wie Otis Redding, Marvin Gaye und Jackie Wilson erinnerte und zwei Jahre später selbst als „The Last Soul Man“ feierte, zeugte das von großem Traditionsbewusstsein und noch größerem Ego.
Motiviert durch einen Gastauftritt bei den Gorillaz legte er 2012 nach langer Stille mit dem von Damon Albarn und Richard Russell produzierten „The Bravest Man in The Universe“ ein erstaunlich frisches, ambitioniertes Album vor, das der Bezeichnung „Alterswerk“ Hohn spricht.
Am 27. Juni starb Bobby Womack im Alter von 70 Jahren in Los Angeles. Dass man dieses Jahr mit „The Best Is Yet To Come“ noch auf eine finale Sammlung an Tracks hoffen darf, tröstet kaum über den großen Verlust. The Last Soul Man is gone.