The Continental Drifters: Ohne Eitelkeit und kommerzielle Ambitionen
Es hatte etwas Komisches und Rührendes und war doch, zu Ende gedacht, grenzenlos deprimierend. In den Applaus hinein hatte Peter Holsapple von der Bühne herab seine Band feilgeboten, nicht marktschreierisch, eher flehentlich. Es begab sich vor genau einem Jahr, und der Bazar war die Musikmesse „South By Southwest“ in Austin/ Texas. Ob denn von den versammelten Musik-Funktionären keiner Interesse an seiner Band habe, barmte Holsapple, ob denn keines der vielen anwesenden Labels die Heimstatt sein wolle für die Continental Drifters. Allseits betretenes Schweigen. „Good music“, ließ sich ein immerhin Profi achselzuckend vernehmen. „Yeah“, entfuhr es einem anderen Talent-Scout, „too good“.
Illusionen seien ihnen fremd, beteuern die Continental Drifters gern. Trotzdem scheine ich an einen wunden Punkt der Band-Psyche zu rühren, als ich den letztjährigen Null-Stolz-Selbstveräußerungsversuch ins Gedächtnis zurückrufe. Ein kollektives Stöhnen hebt an, und Holsapple verkündet mit finsterem Blick: „Diese Leute sind Creeps. Der ganze Musikbetrieb ist in den Händen von Deppen.“ Schon, attestiere ich, „but you were pleading with the creeps.“ Allgemeines Gelächter. „Was für ein großartiger Titel für ein Album“, höhnt Holsapple feixend: „Pleading With The Creeps“. Bitterkeit ist herauszuhören, aber auch Trotz. Und ein unerschütterliches Selbstbewußtsein, das in der schönen Gewißheit gründet, einer Band anzugehören, die ihresgleichen nur in grauer Vergangenheit hat Vergleiche mit The Band drängen sich auf- und nicht nur, weil Drummer Carlo Nuccio auch als Sänger einen passablen Levon Helm abgibt, sondern weil ihre Stilmixtur ähnlich eklektizistisch ist und ihre Musikalität ähnlich elektrifizierend. Live fliegen die Funken, zwischen Band und Publikum, zwischen den Drifters: organische Chemie. Vor vier Jahren waren sie in LA. zusammengewachsen, ohne kommerzielle Ambitionen oder sonstige niedere Beweggründe. „More pussy than Frank Sinatra“ – mit diesem vollmundigen Versprechen war es einst Ronnie Hawkins gelungen, jene Hawks hinter sich zu sammeln, aus denen später dann The Band wurden. Die Gelüste der Continental Drifters sind ungleich platonischer und gipfeln allenfalls in einem besonders beseelten Ensemble-Spiel, das sich für Augenblicke zum orgiastischen Kick verdichtet Klingt nach Sublimierung, ist aber Labsal für die Sinne und überträgt sich in Schüben aufs Publikum.
Gegen Ruhm und Geld hätten sie freilich wenig einzuwenden. Die beiden weiblichen Drifters haben bereits davon gekostet. Vicki Peterson bei den Bangles, Susan Cowsill Ende der 60er Jahre als jüngster Sproß der Familien-Hitfabrik The Cowsills. Den Männern war dagegen nur Kult-Status beschieden. Bassist Mark Walton dank der Mitgliedschaft bei Dream Syndicate und Peter Holsapple kraft seiner führenden Rolle bei den wunderbaren dB’s. Niccio und Lead-Gitarrist Robert Mache waren stets nur Session-Sidemen und kennen Kult und Ruhm nur vom Hörensagen.
Vielleicht sind die beiden deshalb weniger abgeklärt und optimistischer als ihre altgedienten Kollegen. Eine Zuversicht, die weder durch die Abgeschiedenheit von New Orleans noch durch das Fehlen eines Label-Deals gedämpft wird. „Unsere Zukunft liegt in Europa“, weiß Peter Holsapple, „weil man hier Musik intensiver hört und sie auch intelligenter reflektiert.“