The Bee Gees: Das letzte ROLLING STONE-Interview mit Robin Gibb

Auch in den Songs fremder Leute ist Raum für eigenen Schmerz, sagt der Hauptberufs-Bee-Gee Robin Gibb unserem Autoren Jörn Schlüter im Februar 2003. Es war, wie sich nun leider herausstellte, das letzte ausführliche Interview mit Gibb.

Leider aus einem traurigen Anlass präsentieren wir Ihnen hier noch einmal das letzte ausführliche Robin Gibb-Interview mit dem deutschen ROLLING STONE. Der Sänger und Mitbegründer der Bee Gees ist am Sonntag, dem 20. Mai 2012 im Alter von 62 Jahren verstorben

Die schmerzliche Scheidung von Gattin Molly Hullis, die seltsam anmutende Ehe zu Buchschreiberin Dwina Murphy, das distanzierte Verhältnis zu den Brüdern, schließlich der Tod des Bruders Andy als Dauerthema – Robin Gibb ist ein Mann, dessen Leben oft im krassen Gegensatz zum Schmachtpop der Bee Gees steht. Auch das neue, betont modern aufbereitete Soloalbum, „Magnet“, gewährt keine privaten Einblicke. Robin Gibb, im Zwiegespräch ein hoch reflektierter Beobachter mit scharfsinnig-sprödem Humor, nennt die Gründe.

Das letzte Soloalbum von Robin Gibb liegt 17 Jahre zurück. Warum kommt jetzt ein neues?

Ich bin eines Morgens im April aufgewacht und dachte: Ich möchte eine Soloplatte machen. Ich bin dann ins Studio gefahren und habe angefangen.

Klingt nicht nach einem lang gehegten Plan.

Ich denke, die Inspiration einer konkreten Idee sollte möglichst direkt umgesetzt werden. Das gilt für eigentlich alles im Leben; wer sich erst hinsetzt und lange plant, verpasst den Moment.

Auf der Platte sind überwiegend Fremdkompositionen. Gibt es nichts mehr zu beweisen?

Ganz recht: Ich muss mich nicht mehr beweisen. Der Impuls war, einige Stücke zu singen, die mir gefallen und die die Sprache sprechen, die ich mit diesem Album im Sinn hatte: schwarzen R&B und Soul, wie man ihn in den USA macht.

Man fragt sich, wo in all den Popstandards eigentlich der Robin Gibb vorkommt, der all den Zerbruch und schweren Verlust erleben musste. Werden solche Erfahrungen nie zu Musik?

Nicht auf direktem Weg. lch bin eine Art Schauspieler: Anstatt meine Gefühle direkt zu zeigen, packe ich meine Erfahrungen in eine Rolle, die es anderen möglich macht, sich zu identifizieren. Und mein Thema ist dabei ja ein sehr zentrales: In den Songs, die die Menschen am meisten berühren, geht es immer um das Gefühl, jemanden zu vermissen. Das sind die Lieder, die es an die Spitze schaffen.

Warum?

It plucks into the human psyche. Das Gefühl, jemanden oder etwas zu vermissen, ist ein grundsätzliches Gefühl, wie Sex, ein Urinstinkt und eine natürliche Sehnsucht, die jeden Menschen treibt.

Klingt ziemlich spirituell.

Ich denke, alle Menschen, die kreieren, sind im Kern spirituell. Kreative Menschen haben ein bestimmtes, exklusives Sensorium; ein Teil ihres Geistes ist offen, um Energien aufzunehmen, die andere nicht aufnehmen können.

Ist das eine Gabe, die die Bee Gees auszeichnet?

Ja, ganz sicher. Schon als Kinder zogen wir uns in unser eigenes Universum zurück, während die anderen Fußball spielten. Unsere Vorstellung von Spaß war es, Lieder zu schreiben.

Sie leben in der Nähe von Oxford, über Ihr Anwesen erzählt man sich viel Wundersames…

Unser Haus ist 1000 Jahre alt, also älter als Westminster Abbey – immer wenn ich da hingehe, stört mich diese furchtbar neumodische Architektur (lachi). Nein, im Ernst: Das Haus ist eine Art Mikrokosmos der englischen Geschichte. Jeanne d’Arc wurde hier von den verantwortlichen Bischöfen zum Tode verurteilt, die Kämpfe des Bürgerkriegs werden von tiefen Schwertkerben bezeugt, und so weiter. Bis zum 16. Jahrhundert war es außerdem ein Kloster. 500 Jahre Meditation – ich bilde mir ein, dass das die entspannte Atmosphäre des Hauses geprägt hat.

Apropos entspannt: Woher stammt der Antrieb, so bald nach dem letzten Album der Bee Gees eine Soloplatte zu machen? Altersunruhe?

Es ist ein Missverständnis, dass die Popmusik den Jungen gehört. Die Popmusik, mit der ich aufgewachsen bin, ist im Kern genau die, mit der die Kids heute aufwachsen. Das sieht man ja daran, wie viele Boybands unseren alten Songs covern. Sicher: Ich kann nicht Teil sein von diesem sexy-Model-mit-Plattenvertrag-Ding, aber das ist uninteressant. Und, ganz ehrlich: Was soll ich denn sonst machen?

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