Television – Hamburg, Fabrik
Unter dem Motto "Marquee Moon Revisited" spielen Television Songs ihres Klassikers von 1977 - wagen sich aber auch an einige neue Stücke
Ihr Sinn für Timing ist immer noch gespenstisch gut. Just in dem Moment, da Cassano auf dem Fernseher hinter dem Tresen zum 1:0 trifft, entern Television die Bühne. Für den Bruchteil einer Sekunde fragt man sich irritert, ob der aufmunternde, doch nicht frenetische Beifall nun der Band gilt oder doch der Squadra Azzurri. Als rund eine Stunde später Ibrahimovic mit einer irren Ballett-Einlage per Hackentrick den Ausgleich für die Schweden erzielt, donnert gerade das Eröffnungsriff von „See No Evil“ durch den halbgefüllten Saal. De-Däng-De-De-De-De-Däng. Bis Tom Verlaine eine Saite reißt, noch bevor er „What I want, I want now“ deklamieren kann. Das kleine Malheur ist nicht unbedingt symbolträchtig. Schon per Konzertplakat („Marquee Moon Revisited“) der Verpflichtung enthoben, ein womöglich nur sehr mittelmäßiges, aktuelles Album vorstellen zu müssen, können sich Television ihrer Vergangenheit widmen, die damals wie Zukunft klang, ohne heute ganz alt auszusehen. Dabei offenbart der zweite Blick gerade live, wie wenig Television einzig die Band von Tom Verlaine war und ist Vielmehr sind es ja diese kleinen, ingeniösen Licks von Robert Lloyd, die „Venus“ und „Prove It“ so unsterblich machen. Und die Basis dafür legt nicht zuletzt Billy Ficca, in dessen Schlagzeugspiel stoische Wucht und eine Ahnung von Jazz glücklich zueinanderfinden. Nur weil Lloyd, Ficca und der prototypische Bassist Fred Smith Form, Halt und Kraft organisieren, kann Verlaine improvisierend in jenen Räumen wandeln, in denen Magie und Mediokrität oft genug nur einen Wimpernschlag auseinanderliegen. Als eine Stimmpause zwischen zwei Songs endlos gerät, flüchtet er sich in Sarkasmus. Dies sei jetzt ihr „conceptual silence piece“. So flattert ein Rockzipfel von Seventy-Seven durch die Fabrik. Television müssen sich nur selbst zitieren und tauchen dabei mit dem Blues-Mutanten „Little Johnny Jewel“ sogar kurz in die Prä-77-Phase ab. Das Tour-Motto wird indes nur exakt zur Hälfte eingelöst. Kein „Elevation“, kein „Friction“, kein „Guiding Light“, kein „Torn Curtain“. Dafür zwei, drei Stücke, die niemand kennt. Fernöstliche Modulationen bleiben hängen, die den Eindruck nähren, Tom Verlaine habe zuletzt mal ein Pfeifchen mit Robert Plant durchgezogen.
„This case is closed“, singt Verlaine am Ende von „Prove It“. Die Akte Television scheint noch nicht ganz geschlossen. Auf die nächste Wiedervorlage darf man gespannt sein.