Tee am Nachmittag, Chucks im Sommer
Unser Autor Wolfgang Doebeling bringt ein Buch mit ausgewählten Interviews heraus. Zeit für einige Nachfragen
Als Autor dieser Zeitschrift ist er den Lesern gut bekannt und wird von manchen geradezu kultisch verehrt. Jetzt hat Wolfgang Doebeling eine Auswahl seiner Interviews in dem Buch „Pleased To Meet You“ (Verlag Wilhelm Fink) zusammengefasst. Das Vorwort schrieb Travis-Sänger Fran Healy, der den Musikjournalisten als „one of the most ‚in the moment‘ people“ beschreibt, dessen musikalischer Enthusiasmus mit dem von John Peel vergleichbar sei. Natürlich verbietet es sich, dem passionierten Stones-Fan die Band-Frage zu stellen. Dafür dürften ihn einige der folgenden Entscheidungen in Gewissenskonflikte gestürzt haben. No kiddin‘!
Mick oder Keith?
Als Gesprächspartner Mick, als musikalisches Gewissen Keith, als Musiker sind sie nur gemeinsam genial. Mögen sie sich noch lange aneinander reiben!
Stream oder Download?
Mickriger Musikersatz, eins so obsolet wie das andere. Es will mir nicht einleuchten, dass dafür auch noch gezahlt wird.
Stadt oder Land?
Stadt. Rhythmus, Konzerte, Plattenläden. Auf dem Land würde ich verkümmern.
Emmylou Harris oder Dolly Parton?
Emmy. Sie hatte die schönste aller Stimmen und die exquisiteste Backing Band ever, ein paar wundervolle Jahre lang.
Gram Parsons oder Townes Van Zandt?
Townes. Mit ihm verband mich eine Freundschaft über den Musikbetrieb hinaus, GP habe ich nur aus der Ferne verehrt. Als Songwriter hatte Townes allenfalls Hank Williams neben sich, doch sagen durfte man so etwas in seiner Gegenwart nicht, derlei Vergleiche machten ihn hochgradig verlegen, ja zornig.
Boots oder Turnschuhe?
Chucks, in den Sommerhalbjahren seit 1966, nicht dasselbe Paar allerdings. Leicht, luftig, ohne Leder.
Tee oder Kaffee?
Morgens Kaffee, nachmittags Tee. Earl Grey für gewöhnlich.
Beatles oder Beach Boys?
The Beach Boys, all things considered, trotz „Kokomo“ und Status Quo.
Früher oder später Scott Walker?
Es gibt nur einen Scott, da bin ich Monotheist. Von „The Plague“ bis „Dimples“ ist es gar nicht so weit, es zieht sich unüberhörbar ein roter Faden durch dieses grandiose Œuvre. Sein für mich bewegendstes Werk ist freilich ein spätes: „The Drift“.
Deutschrock oder Schlager?
Keine Ahnung, was schlimmer ist. Ich meide beides, bin weder Kulturpatriot noch Masochist.
Blur oder Oasis?
Oasis, ganz klar. Blur waren mir immer zu beflissen, aber „Beetlebum“ ist toll.
The Clash oder Ramones?
The Clash. Beide Bands waren goldrichtig, beide auch verdammt wichtig, und mit beiden war ich unterwegs. Im Van der Ramones die Ostküste hinauf zu touren, war freilich ein eher devian-tes Vergnügen. Musikalisch aufregender waren für mich The Clash, geistig anregender sowieso.
Max Gösche