Technikmuffel
Auch auf dem neuen Album seiner Band Sophia setzt Robin Proper-Sheppard die Trauerarbeit fort
Die Geschichte zum Albumtitel ist ziemlich traurig: Ein Vater und sein neunjähriger Sohn verlaufen sich an der nordenglischen Küste. Während der Nebel dichter und dichter wird und die Flut immer höher steigt, versucht der Vater per Handy einem Rettungsteam ihren Standort zu beschreiben. Doch obwohl die Helfer nur wenige hundert Meter entfernt sind, verhindern die schlechte Sicht und der heftige Seegang eine Rettung. Vater und Sohn ertrinken und die Retter hören dabei zu.
Robin Proper-Sheppard war von dieser wahren Begebenheit so gerührt, dass er darüber einen Song schrieb, der dem neuen Album seiner Band Sophia den Namen gab: „Technology Won’t Save Us“. „Technologie ist grundsätzlich nichts Schlechtes“, sagt der 38-Jährige,“doch wir verlassen uns zu sehr auf die trügerische Sicherheit, die sie suggeriert. Selbst den Tod versuchen wir zu betrügen, doch das bringt uns kein bisschen mehr Glück und Zufriedenheit“.
Das instrumentale Titelstück des vierten Sophia-Albums ist nicht nur ein dramatisch bombastischer Höhepunkt, er ist zugleich der teuerste und aufwändigste Track, den die Band – zu der momentan neben Proper-Sheppard nur noch der Schlagzeuger Jeff Townsin gehört – jemals aufgenommen hat: Zart gezupfte Gitarren, Oboen und Flöten leiten ein Opus ein, das nach gut drei Minuten einen unwiderstehlichen symphonischen Sog entwickelt. Ein ganzes Orchester spielt dröhnend auf, lässt gewaltige Klangwellen an unsichtbare Ufer brechen, bis alles im Feedback kollabiert. „Mir gefällt die Idee, dass dieses sorgfältig orchestrierte Musikstück mit der extremsten Verzerrung endet, die ich jemals aufgenommen habe“, freut sich Proper-Sheppard. Vier Sophia-Alben sind seit 1995 mit unterschiedlichen Besetzungen erschienen. Davor war der Gitarrist und Sänger der Kopf von The God Machine, einem hart aber differenziert rockenden Trio aus San Diego, das sich 1990 in London niederließ. Nachdem einer der Musiker an einem Gehirnrumor starb, endete die relativ kurze Karriere der vielgelobten Band. Proper-Sheppards Mutter erlag vor kurzem ebenfalls dem Krebs, der Song“Lost“ schildert einen letzten Besuch an ihrem Sterbebett: „Ihr ganzer Körper war bereits voller Metastasen, sie hatte nur noch drei Tage zu leben. Dennoch verzichtete sie auf eine Behandlung. Bis zu diesem schwarzen Tag war sie glücklich, ein erfülltes Leben lag hinter ihr – welchen Sinn hätten da Maßnahmen gehabt, die den Tod nur um ein paar qualvolle Tage herauszögern? Nein, „Technology won’t save us!“.
Doch das neue Sophia-Album handelt glücklicherweise nicht nur vom Tod und den falschen Heilsversprechen der Technik: „Twilight At The Hotel Moscow“ ist ein weiteres, großartig arrangiertes Instrumental, ein imaginärer Soundtrack für einen melancholischen Film Noir, Streicher voller Wehmut, Trompeten voller Hoffnung. „Im Sommer 2004 habe ich einige Monate in Belgrad gelebt, ‚Twilight‘ beschreibt einen Sonnenuntergang über der Donau, den ich von meinem Hotelzimmer aus gesehen habe.“ Proper-Sheppard hat eine Zeitlang daran gedacht, London für immer zu verlassen. „I just realised I can’t afford to live in this city/ But who cares, no one ever smiles and the weather’s shitty“, klagt er etwa im puristischen „Big City Riot“. „Ich glaubte, eine Veränderung zu brauchen, deshalb wollte ich alles aufgeben, sogar mein Studio. Das ist vermutlich der einzige Song von mir, den Leute hören und denken: Dieser Typ ist ja total deprimiert. Doch beim Schreiben, allein in meinem Zimmer, habe ich mich tatsächlich so gefühlt. Dabei liebe ich London. Hier habe ich Fußball entdeckt!“ Dabei lächelt er und schaltet sein schickes schwarzes Apple-Notebook ein.