Taylor Swifts Wahl-Empfehlung hat Klasse

Die Sängerin hat ihr Votum für Kamala Harris bekanntgegeben. Rhetorik und Stil waren so nicht zu erwarten.

Wochenlang fragten sich nicht nur Swifties, die hingebungsvollen Fans von Taylor Swift, wann der Popstar in den US-Wahlkampf eingreifen würde. Aber bis zuletzt schwieg die 34-Jährige auffällig. Das ist nun vorbei. Seit Dienstag (10. September) wissen wir: Taylor Swift wird ihre Stimme für das demokratische Duo Kamala Harris/Tim Walz abgeben.

Diese Wahlempfehlung ist nicht deshalb ein Paukenschlag, weil sie überraschend kommt. Vor vier Jahren unterstützte sie bereits (eher leise) Joe Biden. Ihr Kommentar zur US-Wahl hat vielmehr ein beeindruckendes Timing, weil es direkt auf die schwierige TV-Debatte zwischen Harris und Trump folgte. Zudem wählte die Musikerin eine so zielgerichtete wie versöhnliche Rhetorik, wie man sie von einer Musikerin kaum erwarten darf.

Lawrence O’Donnell, einflussreicher Polit-Kommentator und Produzent der TV-Serie „The West Wing“, äußerte sich deshalb auch begeistert. Auf Twitter schrieb er: „Dies ist die bedeutendste prominente Unterstützung für eine Politikerin, die ich je gesehen habe. Der Zeitpunkt ist absolut exquisit, die Formulierung ist makellos. Für jemanden, der für so etwas wie politischen Rückhalt absolut nicht bekannt ist, war dies perfekt und überzeugend.“

Taylor Swift bringt Erstwählerinnen an die Urne

Swift versah ihre Ankündigung mit einer pädagogischen Empfehlung für ihre Anhängerinnen, sich rechtzeitig registrieren zu lassen und frühzeitig zu wählen. Ein geschickter Schachzug, denn im komplizierten US-Wahlsystem kommt es auch auf solche Kleinigkeiten an (gerade für Erstwählende, zu denen viele ihrer Hörerinnen gehören). Die Republikaner versuchen schon mit ersten rhetorischen Querschlägern die Mär von einem angeblich erneuten Wahlbetrug anzurühren.

Trump und Harris im TV-Duell

Zudem zeigte sich die Sängerin auf eine Art versöhnlich, die nicht erkennen lässt, dass es ihr um eine Abrechnung mit dem Gegenkandidaten geht. „Ich halte sie für eine besonnene, begabte Führungspersönlichkeit und glaube, dass wir in diesem Land so viel mehr erreichen können, wenn wir von Ruhe und nicht von Chaos geleitet werden“, schrieb Swift über Harris, ohne Trump auch nur zu erwähnen. Und ergänzte sogleich, dass ihre Stimme auch dem Partner an ihrer Seite gilt: „Ich war so ermutigt und beeindruckt von ihrer Wahl des Kandidaten Tim Walz, der sich seit Jahrzehnten für LGBTQ+ Rechte, IVF und das Recht der Frau auf ihren eigenen Körper einsetzt.“

Sympathie für Walz, Spitze gegen Vance

Gerade letztere Bemerkung hat viel Zugkraft, äußerten doch zuletzt zahlreiche politische Beobachter, dass es ein geschickter Schachzug der Demokraten war, den relativ unbekannten Gouverneur von Minnesota als Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten aufzustellen. Als „All American Coach“ und fürsorgliche Vaterfigur an ihrer Seite sorgt er nicht nur für ein emotionales Profil, das die einstige Staatsanwältin Harris nicht mitbringt. Er steht auch für Werte und politische Positionen, die Harris bewusst oder unbewusst nicht besetzt. Es sind Themen, die in den Songs von Taylor Swift angedeutet sind und mit denen sich ihre Fans identifizieren.

Ihre Antipathie für den Partner von Donald Trump, J.D. Vance, brachte die Musikerin hingegen mit sehr viel Gefühl für den richtigen (Internet-)Humor auf den Punkt. Sie postete ein Bild mit einer ihrer Katzen und unterzeichnete ihren Beitrag mit „Taylor Swift“ und „Childless Cat Lady“. Die Unterschrift war eine direkte Anspielung auf Trumps Vizepräsidentschaftskandidaten, der sich zuletzt darüber beschwerte, dass Amerika „von einem Haufen kinderloser Katzenfrauen regiert wird, die mit ihrem eigenen Leben und den Entscheidungen, die sie getroffen haben, unglücklich sind.“

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Möglicherweise entspringt Swifts Empfehlung gar nicht so sehr einem länger gehegten Plan. Sie folgt wohl eher den Umständen eines ruppigen Wahlkampfes, der auch mit unlauteren Mitteln geführt wird. Dazu gehören nicht nur vulgäre Schmähungen des Gegners, sondern auch der Einsatz von KI. „Kürzlich wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass künstliche Intelligenz von ‚mir‘ fälschlicherweise Donald Trumps Präsidentschaftskandidatur unterstützte“, schrieb sie. Dies habe ihre Ängste in Bezug auf die neue Technik und die „Gefahren der Verbreitung von Fehlinformationen“ geweckt.

Ein wenig hatte man in den vergangenen Monaten das Gefühl, Taylor Swift würde fast dazu genötigt, sich zur US-Wahl zu äußern. Manche nahmen schon Wetten an, wann die Sängerin ihre Vorliebe für die Demokraten hinterlegen würde. Dies könne einen entscheidenden Effekt auf den Ausgang der Wahl haben, meinen Experten mit Blick auf die gigantischen Streaming-Erfolge Swifts und die Einnahmen ihrer historischen „Eras“-Tour. Das mag sein, aber es wird statistisch nicht zu belegen sein.

Künstler sind nicht in der Verantwortung, politisch Stellung zu beziehen. Tun sie es aber doch, ist es oft eine Frage der Klasse, wie sie es machen. Taylor Swift hat mit ihrem Kommentar gezeigt, dass sie auch dieses Spiel mit den Erwartungen versteht wie keine andere Musikerin der Gegenwart.

Win McNamee Getty Images
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