Taylor Swift in Hamburg: Singin‘ In The Rain
Völlig durchnässt spielte Taylor Swift erstmals live in Hamburg.
Junge Mädchen und erwachsene Frauen, die selbstbewusst zu „The Man“ tanzen, Fans die Taylor Swift zurufen „Taylor you’ll be fine“ und gemeinsam brüllen „Karma is the guy on the Chiefs“. Das Hamburger „Eras“-Tour-Konzert hat alle Erwartungen erfüllt, wenn nicht übertroffen. Swift lieferte einen Abend voller Euphorie und Nässe.
Premiere in Hamburg
Es war Swifts erster Gig, den sie in ihrer Karriere in Hamburg spielte. Der Regen, der die Besucher im Open-Air-Stadion plagte, entwickelte sich zu einem unerwarteten Special Effect, als die Sängerin die Einzigartigkeit dieser Unwetter-Show betonte. „Würdet ihr mir die Ehre erweisen mit mir im Regen zu tanzen?“, fragte Taylor Swift ins Publikum.
Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten um schallte in Form eines begeisterten Jubels durchs ganze Stadion. Selbst nach 30 Minuten im strömenden Regen performte Swift mit einem strahlenden Lächeln im Gesicht und schien sich sogar am schüttenden Regen zu erfreuen. Das Unwetter verwandelte sich in einen faszinierenden Soundeffekt, der perfekt zu „Fearless“ passte, als Swift mit der Zeile „There’s somethin‘ ‚bout the way the street looks when it’s just rained“ begann.
Wie bekannt, wird jeder Abschnitt ihrer Karriere durch ausgewählte Songs repräsentiert. Die „Speak Now“-Setlist, einschließlich des Liedes „Enchanted“, war emotional aufgeladen, auch wenn „Long Live“ fehlte. Insbesondere die Überraschungslieder sorgten für eine besondere Note. Die Anspannung im Stadion war vor allem in diesen Momenten deutlich zu spüren – nicht zuletzt, weil in diesen Momenten fast alle mucksmäuschenstill waren und erraten wollten, welcher Song wohl gespielt werden würde. Diese spezielle Form der Spannung beherrscht derzeit niemand so clever wie Taylor Swift. Außerdem überraschte sie ihren Tänzer Kameron Saunders nach seinem Tanz-Solo während „Bejewled“ mit Geburtstagsglückwünschen und einer Umarmung.
Ein sicherer Hafen
Konzerte von Taylor Swift sind so etwas wie Happenings, das spürte man schon beim Betreten des Stadions. Die Fans, bekannt als „Swifties“, strahlten eine Solidarität aus, die wohl in dieser Form selten zu finden ist. Ob ihre Lieder nun alltägliche und vermeintlich banale Emotionen spiegeln, sie scheinen mühelos ein Echo in den Gefühlen der Zuschauer auszulösen.
Die Sicherheit während der Veranstaltung in Hamburg war durchaus sehr sichtbar, nicht zuletzt durch die erhöhte Wachsamkeit, die durch den tragischen Vorfall in Rio de Janeiro am Anfang der „Eras“-Tour geprägt wurde, bei dem ein 23-jähriger Fan verstarb.
Bei gesundheitlichen Zwischenfällen arbeitete die Menge zusammen, um schnell Hilfe zu leisten, und auch Swift selbst unterbrach zeitweise ihre Performance, um auf Notfälle hinzuweisen und sicherzustellen, dass Hilfe schnell ankam. Innerhalb weniger Minuten, nachdem die Fans kollektiv auf die Unfallstelle gezeigt hatten, huschte ein rotes Licht durch die Menge im Volksparkstadion, das einen zur Hilfe eilenden Mitarbeiter signalisierte.
Das Konzert bot einen sicheren Raum für alle, unabhängig von Geschlecht, Kleidung oder Verhalten. Hier war jeder willkommen und konnte ganz er selbst sein.
Visuelle Extravaganz der „Eras“-Tour
Was das „Eras“-Tour-Konzert ausmacht, ist die Live-Erfahrung, die durch keinen Film ersetzt werden kann. Die kollektive Energie von über 60.000 Fans, die wirklich alle von den Stehbereichen bis hin zu den Oberrängen sangen und tanzten, muss man erlebt haben. Auch die synchronisierten Armbandlichter verstärken dieses Gefühl der Zusammengehörigkeit und machen die Show zu einem visuellen Spektakel. Etwas nervig waren in Hamburg, zumindest im Stehbereich, die von Swifties in die vordersten Reihen mitgeschleppten 1,90 Meter großen Freunde, die sich kaum von rechts nach links bewegten und sichtlich keinen Spaß hatten. Da halft es nur, bei einem schnelleren Lied unauffällig an ihnen vorbei zu tanzen und sich die freie Sicht wieder zurückzuerobern.
Das Bühnenbild prägte die Show besonders. Ethan Tobman, der bereits für einige von Taylor Swifts Musikvideos, Grammy-Auftritte und Kurzfilme verantwortlich war, hat hier erneut ganze Arbeit geleistet. Seine Erfahrung, unter anderem mit Musikvideos für Beyoncé und Spielfilmen wie „Free Guy“ mit Ryan Reynolds, zeigte sich in jedem Detail. Die visuelle und filmische Qualität der Showelemente machte es mühelos möglich, in die Taylor-Swift-Welt einzutauchen.
Einprägsam war vor allem das Bühnenbild der neu hinzugefügten „Tortured Poets Department“-Ära. Taylor Swift führte hier ein ganzes Musical auf, das von ihr selbst mit „Female Rage: The Musical“ betitelt wurde. Getreu dem Musikvideo dieses Albums wurde ein riesiges Bett mit auf Tour genommen, das an ein Krankenhausbett aus einer Psychiatrie erinnern soll. Beim Zuschauen wird einem schon ganz schwindlig, wenn Swift auf dem Bett balancierend auf und ab gefahren wird und sich anschließend auf einer Art Box über die ganze Bühne bewegen lässt.
Die Sets mit hoher Energie wie „Lover“, „Reputation“ und „1989“ brachten das Publikum vermehrt zum Tanzen und Feiern. Das „Eras“-Tour-Konzert ist extrem lang und intensiv, da war es verständlich, dass einige Fans, insbesondere beim ruhigeren „Folklore“-Set, eine Pause brauchten und sich setzten.
Ein kleines Manko
Etwas vermisste man die „Debut“-Ära der 34-Jährigen, die es leider mit keinem Lied ins Set der „Eras“-Tour geschafft hat. Da bleibt nur zu hoffen, dass es einer der Songs ihres Debüt-Albums als Überraschungssong in die Setlist schafft. Was für ein Glück war es da, dass Hamburg während des ersten Konzertes „Teardrops on My Guitar“ als Überraschungslied bekam. Generell könnte man aber durchaus ein Stück beispielsweise aus dem „Red“-Segment streichen, um ihrem Debüt die verdiente Showeinlage zu gewähren und auch die „Speak Now“-Zeit hätte mehr als einen Song im Konzert verdient.