Taylor Swift: Das ROLLING-STONE-Interview

Mit ROLLING STONE ging Taylor Swift in die erste „Therapiesitzung“ ihres Lebens. Der US-Superstar über das neue Album „Lover“, enttäuschte Liebe und das aufgeheizte politische Klima in Amerika.

Dieses Interview wurde am 8. Oktober 2019 erstveröffentlicht.

Wie ein Wirbelwind stürmt sie in die Küche. Taylor Swift ist bester Laune, strahlt übers ganze Gesicht und sieht dem uns allen bekannten Popstar erstaunlich ähnlich. (Dieses klassisch-elegante junge Ding mit den roten Lippen? Check!) „Jemand muss mir helfen, meine Haare pink zu färben“, ruft sie – und schon Minuten später sind ihre Haarspitzen farblich auf Fingerlack, Sneakers und die gestreifte Bluse abgestimmt. Der optische Tupfer ist natürlich Teil der „Pastell-Ästhetik“, die wiederum ein elementarer Bestandteil ihres neuen Albums „Lover“ ist – und eine radikale Abkehr vom Image der schwarz gelackten Einzelkämpferin signalisiert, das ihr letztes Album definierte.

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Wir sind im Haus ihrer Mutter in Nashville. Hier, an der Kücheninsel mit der großen schwarzen Granitplatte, geht alles seinen gewohnten Gang. Mom, Dad und ihr jüngerer Bruder schauen vorbei – und die beiden Hunde (einer winzig, einer riesig) begrüßen die Besucher mit schlabbernder Begeisterung. Es könnte ein ganz normaler Wochenend-Besuch sein, den eine 29-Jährige ihren Eltern abstattet … wäre da nicht der Wahnsinn, der sie auf der anderen Seite des Korridors erwartet.

Auf einer großzügigen Terrasse warten 113 aufgedrehte, verheulte, zitternde, noch immer ungläubige Fans auf den Beginn eines der geheimen Privatkonzerte, die ein ritueller Bestandteil im Reich der Popkönigin sind. Sie wird ihnen ihr siebtes Album vorspielen (das an diesem Sonntagnachmittag Anfang August noch unveröffentlicht ist) und dazu ausgiebige Erklärungen und Kommentare liefern. Sogar die Cookies für diesen Anlass hat sie selbst gebacken.

Kurz vor der Session verziehen wir uns aber noch ins Büro ihrer Mutter (wo sie „den Google bedient“, wie Taylor es süffisant nennt), um noch ein paar Minuten zu plaudern. An den schwarz gestrichenen Wänden hängen klassische Schwarzweiß-Fotos aus der Rockgeschichte, darunter Aufnahmen von Bruce Springsteen und – nicht überraschend – James Taylor. Es gibt auch jüngere Fotos von Swift mit Kris Kristofferson und – gemeinsam auf der Bühne – Def Leppard, der Lieblingsband ihrer Mutter.

In der Ecke steht eine Akustikgitarre, die Swift als Teenager gespielt hat. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sie darauf einige ihrer größten Hits schrieb, doch sie kann sich an Details nicht erinnern. „Es wäre schon etwas seltsam, die Arbeit an einem Song mit dem Gedanken abzuschließen: Und dies ist der Moment, der für immer in mein Hirn eingebrannt sein wird„, sagt sie lachend. „Diese Gitarre erhielt die heiligen Weihen meiner göttlichen Songschreiberkunst.“

Der geheime Auftritt ist – wie der Name vermuten lässt – komplett off the record. Da ihr Weinglas in einigen Instagram-Fotos auftauchte, kann hiermit verraten werden, dass sie bei dem Auftritt gelegentlich zum Weißwein griff und bis fünf Uhr morgens mit jedem ihrer Fans sprach und Fotos machte.

Genau fünf Stunden später treffen wir uns in ihrem Nashville-Apartment – wo wir bereits 2012 für ihre erste RS-Coverstory zusammensaßen –, um unser eigentliches Interview zu beginnen. In den vergangenen sieben Jahren hat sie praktisch nichts an der Inneneinrichtung verändert (von einem neuen Billardtisch einmal abgesehen) – was den Eindruck verstärkt, mit einer Zeitkapsel in ihre Vergangenheit zu reisen. Da ist in einer Ecke noch immer der riesige Hase aus Moos, da ist der überdimensionale Vogelkäfig im Wohnzimmer – wobei der Blick aus dem Fenster inzwischen nicht mehr auf grüne Hügel geht, sondern auf anonyme Apartmenthäuser.

Sie ist barfuß heute Morgen, trägt blassblaue Jeans und eine blaue Bluse, die in der Taille verknotet ist. Ihr Haar ist zurückgekämmt, das Make-up minimal.

Wie kann man die letzten drei Jahre im Leben von Taylor Swift subsummieren? Im Juli 2016, nachdem sie sich kritisch zu Kanye Wests „Famous“ geäußert hatte, tat Kim Kardashian ihr Bestes, um Swift fertigzumachen. Sie veröffentlichte die heimliche Aufnahme eines Telefonates, das Swift und West geführt hatten. In der fragmentarischen Aufnahme hört man, wie Swift mit einer Textzeile des Songs – „…me and Taylor might still have sex“ – durchaus einverstanden ist. Über die Hintergründe der Zeile, die sie auf die Palme brachte – „I made that bitch famous“ – lernen wir leider nichts. Wie wir im Folgenden aber noch erfahren werden, gibt es aus ihrer Sicht noch diverse Aspekte, die zu diesem Thema erwähnt werden sollten. Der Backlash war jedenfalls heftig und ist bis heute noch nicht wirklich abgeebbt.

„Lover“ ist ihr erwachsenes Album

Später im gleichen Jahr entschloss sie sich, bei der anstehenden Präsidentenwahl keinem der Kandidaten die Steigbügel zu halten – was ihrer Reputation in der jungen Zielgruppe nicht gerade zuträglich war. Während die Wellen der Empörung über ihr zusammenschwappten, nahm sie „Reputation“ auf – intensiver, smarter Industrial-Pop, ausbalanciert mit transparenten und atemberaubend schönen Love-Songs. Irgendwann in dieser Phase traf sie auch Joe Alwyn, ihren derzeitigen Boyfriend. Und wenn einige Songs von „Lover“ ein Gradmesser sind, könnte es sich dabei um eine ernsthafte Beziehung handeln.

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In jedem Fall ist „Lover“ ihr „erwachsenstes“ Album geworden. Sie hat die Sounds und ihre eigene Persona neu austariert und dabei eine Mischung gefunden, die ihr die Tür ins nächste Jahrzehnt ihrer Karriere öffnen sollte. Es ist darüber hinaus eine willkommene Rückkehr zur klanglichen Vielfalt von „Red“ aus dem Jahre 2012. Das Spektrum reicht diesmal vom Mega-Bop „Cruel Summer“ (mit St. Vincent) über das Country-fizierte „Soon You’ll Get Better“ (mit den Dixie Chicks) bis zu „Paper Rings“, das dem Drive und Pep von „Shake It Off“ in nichts nachsteht.

Sie möchte – natürlich – über ihre Musik reden, hat aber auch keine Einwände, die letzten drei Jahre ihres Lebens gründlich aufzuarbeiten. Sie tut das mit einer schonungslosen Offenheit, die sich nicht in seichte Plattitüden zu retten versucht, sondern unserem Gespräch eine überraschend seriöse Note gibt. Sie hat sich in den letzten Jahren einen stabileren Schutzschild zugelegt, ist aber noch immer das Gegenteil von dem, was man ein Pokerface nennen würde. Wenn sie über eine Frage nachdenkt, sieht man jede noch so unscheinbare Schattierung der Emotion, die gerade über ihr Gesicht huscht; ihre Nase kräuselt sich in gespielter Verärgerung, als ich für sie den Begriff „old-school pop star“ verwende; ihre lachhaft blauen Augen bekommen einen eigenartigen Glanz, wenn wir über tieferschürfende Themen reden.

In ihren schlimmsten Momenten, sagt sie, „fühlt man sich so, als würde man mit aller Macht in einen Strudel gerissen. Was macht in einer derartigen Situation? Schlägt man mit den Armen wild um sich? Oder hält man den Atem an und hofft, dass man heil am anderen Ende wieder rauskommt? Ich habe Letzteres getan. Drei Jahre lang. Allein schon hier zu sitzen und ein Interview zu geben … die Tatsache, dass wir uns bereits kennen, ist der einzige Grund, dass ich noch nicht in Schweiß ausgebrochen bin.“

Als wie uns vor sieben Jahren unterhielten, lief alles in Ihrem Leben nach Plan. Und doch hatten Sie Angst, dass der Zug plötzlich aus dem Gleis springen könnte.

Ja, ich ahnte, dass etwas in der Luft lag. Ich hatte das Gefühl, entspannt auf einem Bürgersteig zu flanieren, gleichzeitig aber auch zu wissen, dass mir dieser Bürgersteig nur die Illusion von Sicherheit gab. Irgendwann würde er sich in Staub auflösen, irgendwann würde ich durch die Ritze fallen, die immer weiter aufklafften.

Man kann nicht immer nur gewinnen und von allen Leuten verehrt werden. Die Leute lieben das Wort neu nun mal über alles. Sie hissen deine Flagge bis an die Spitze des Fahnenmastes und winken ihr eine Weile zu, bis sie plötzlich feststellen: „Moment mal, wir lieben diese andere Fahne doch viel mehr.“ Und dann reden sie sich ein, dass du es bist, der etwas falsch macht. Du verkörperst nicht mehr das, was sie einmal geliebt haben. Du bist vom Weg abgekommen.

„Als ich 22 wurde war ich auf einmal diese Beziehungshexe“

Wenn du dann trotzdem weiter Musik machst und überlebst, wenn du weiterhin einen Draht zu deinem Publikum hast, werden sie deine Fahne vielleicht wieder ein Stückchen nach oben ziehen, dann wieder runter – und so weiter. Und bei Frauen im Musikgeschäft ist das noch extremer als bei Männern.

Diese Wechselbäder waren Ihnen aber bekannt, da Sie bereits zu Beginn Ihrer Karriere Genickschläge verdauen mussten.

Ich hatte mehrere Phasen in meiner Karriere, in denen ich mich über Herausforderungen nicht beklagen konnte. Als ich 18 war, hieß es: „Nun ja, aber sie schreibt diese Songs ja nicht selbst.“ Also reagierte ich darauf, indem ich mein drittes Album alleine schrieb.

Als ich 22 wurde, war ich auf einmal diese Beziehungshexe, die von Männern gar nicht genug kriegen konnte. Also ging ich zwei Jahre lang mit keinem Mann mehr aus. Und dann hieß es 2016, dass eigentlich alles, was ich anpacke, komplett krank und verkorkst sei. Und wenn ich doch mal was Gutes ablieferte, war’s ein glücklicher Zufallstreffer.

Wenn ich einen mutigen Schritt machte, machte ich ihn aus den falschen Motiven. Wenn ich mich verteidigte, war ich die schrille Schreckschraube, die sofort ausflippt. Für eine Weile hatte ich wirklich in den Eindruck, als käme ich aus dieser destruktiven Endlosschlaufe überhaupt nicht mehr raus.

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Es war so wie … Ich habe einen Bruder, der zweieinhalb Jahre jünger ist als ich. Die erste Hälfte unseres Lebens sind wir uns nur an die Gurgel gegangen, während wir inzwischen die dicksten Freunde sind. Kennen Sie dieses Spielchen, das Kinder spielen? Wenn ich fragte: „Mom, kann ich vielleicht was Wasser haben?“, meldete sich Austin umgehend auch zu Wort: „Mom, kann ich auch was Wasser bekommen?“ Dann wieder ich: „Er äfft mich nur nach.“ Und er: „Er äfft mich nur nach.“ Was er natürlich in diesem schrillen Tonfall sagte, der mir total auf den Keks ging. Und genauso fühlte ich mich 2016. Also entschloss ich mich, gar nichts mehr zu sagen. Wobei es noch nicht mal ein Entschluss war – es passierte einfach von ganz allein.

Aber offensichtlich muss es auch positive Dinge in Ihrem Leben gegeben haben. Das schlägt sich ja ebenfalls in „Reputation“ nieder.

Die Momente, die meine wahre Geschichte erzählen, sind Songs wie „Delicate“, „New Year’s Day“, „Call It What You Want“ und „Dress“. Denn unter der rabiaten Oberfläche erzählt das Album eigentlich eine Lovestory. Eine Lovestory inmitten des Chaos. All diese metallisch-martialischen Hymnen beschrieben das, was in der Außenwelt vor sich ging. Das war der Kampf, den ich vom Fenster aus verfolgte – während es gleichzeitig diesen Zustand neugewonnener Ruhe und Zufriedenheit gab, den ich mir zum ersten Mal in meinem Leben nach eigenen Vorgaben erarbeitet hatte …

Es ist seltsam, aber in den schlimmsten Momenten meiner Karriere, meiner Reputation sozusagen, stellten sich die wundervollsten Melodien und musikalischen Ideen ein – in dieser abgeschiedenen Stille, die ich mir selbst auferlegt hatte. Und ich habe auch die schönsten Erinnerungen an die Kommunikation mit Freunden, die wirklich an meinem Wohlbefinden interessiert waren – auch wenn mich sonst alle Leute hassten. Die schlimmen Sachen taten wirklich weh, aber die guten werden am Ende die Oberhand behalten. Die positive Lehre, die ich aus dieser Zeit gezogen habe: Man kann den Leuten nicht vermitteln, wie dein Leben wirklich aussieht.

Wie darf man das verstehen?

Ich war wie ein Golden Retriever, der ständig mit dem Schwanz wedelte: „Klar. Ja. Natürlich! Was möchtest du wissen? Was kann ich für dich tun?“ Inzwischen bin ich wohl eher so was wie ein Fuchs.

Bereuen Sie in diesem Zusammenhang vielleicht auch die Rezeption, die Ihre „Girl Squad“-Idee in der Öffentlichkeit erhielt?

Klar. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Leute ernsthaft den Eindruck hatten: „Das ist eine elitäre Clique, die mich nie und nimmer in ihre Reihen aufnehmen würde – selbst wenn ich verzweifelt darum gebeten hätte.“ Holy shit, das hat mich wirklich umgehauen. Ich dachte mir: „Das lief wirklich nicht so, wie du dir das vorgestellt hast.“ Ich war der festen Überzeugung, dass wir Frauen wirklich zusammenhalten können – wie es bei Männern völlig normal ist. Das Patriarchat erlaubt es Männern nun mal, ihre Kumpel- und Buddy-Clubs zu haben. Wenn du ein männlicher Künstler bist, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass du die Kunst deiner Konkurrenten respektierst.

Während man von Frauen erwartet, dass sie sich ständig in den Haaren liegen?

Man geht stillschweigend davon aus, dass wir uns abgrundtief hassen. Selbst wenn wir für ein gemeinsames Foto posieren und lachen und uns in den Arm nehmen, geht die ganze Welt davon aus, dass alle ein Messer in ihrer Handtasche haben.

Wie groß war die Gefahr, dass Sie selbst in diese Falle tapsen würden?

Es ist eine gefährliche Versuchung, keine Frage. Niemand ist immun, weil wir nun mal ein Produkt dessen sind, was uns die Gesellschaft, die Peer-Groups und inzwischen auch das Internet vorkauen – es sei denn, man hat die Möglichkeit, eigene Erfahrungen zu machen.

„Die Leute lieben es nun mal, sich in Hass-Exzessen zu suhlen. Wie die Piranhas.“

Einmal sangen Sie über einen Star, „who took the money and your dignity, and got the hell out“. 2016 notierten Sie in Ihrem Journal: „This summer is the apocalypse.“ Wie nah waren Sie dran, selbst das Handtuch zu werfen und auszusteigen?

Ich habe definitiv oft darüber nachgedacht. Ich dachte daran, dass Worte der einzige Weg sind, um mich auszudrücken und irgendwie Sinn aus dieser Welt zu machen – dass inzwischen aber alles, was ich sage und schreibe, gegen mich ausgelegt wird. Die Leute lieben es nun mal, sich in Hass-Exzessen zu suhlen. Wie die Piranhas. Die Leute hatten so viel Spaß, mich zu hassen, dass es nicht mal mehr einen nennenswerten Grund oder Auslöser geben musste. Ich hatte den Eindruck, als sei die Situation so aus dem Ruder gelaufen, dass es kaum noch Hoffnung auf Besserung gab.

Ich schrieb ständig wirklich aggressive und verbitterte Gedichte, ich schieb eine Menge Essays, von denen ich wusste, dass ich sie nie veröffentlichen würde. Letztlich drehten sich alle um das gleiche Thema: das Gefühl, in einer Scham-Spirale gefangen zu sein und keinen Ausweg zu finden. Ich fand nicht einmal einen Weg, aus meinen Erfahrungen zu lernen – weil ich nicht wusste, was ich falschgemacht hatte.

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Und das war doppelt schwierig für mich, weil ich gewöhnlich Leute nicht mag, die keine Kritik vertragen können. Also versuchte ich mich selbst zu analysieren – was natürlich auch ein schmerzhafter Prozess sein kann. Ich wollte wirklich die Gründe kennenlernen, warum mich Leute nicht mögen. Denn würde ich sie kennen, könnte ich sie zumindest bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen. In meiner eigenen Unsicherheit habe ich oft schlimme Sache gesagt, die tausendmal verletzlicher waren.

Andererseits zählen sie einige dieser kritischen Stimmen inzwischen zu Ihren Freunden – oder nicht?

Einige meiner wichtigsten Freundschaften sind auf diese Weise entstanden: Die öffentliche Kritik, die sie über mich geäußert hatten, führte zu einem intensiven Gedankenaustausch. Haley Kiyoko etwa wies in einem Interview darauf hin, dass ich über straighte Beziehungen schreibe, aber deswegen nie in der gleichen Weise kritisiert werde wie sie, wenn sie Beziehungen zu anderen Mädchen thematisiert. Womit sie völlig recht hat.

Und Ella – Lorde – hatte mich zunächst angemacht, weil mein Image in ihren Augen fake sei oder so was Ähnliches. Aber wie soll ich mit jemandem kommunizieren, der mir ins Gesicht sagt: „Ich kann dich als Mensch nicht ernstnehmen, weil du fake bist.“ Und wenn man dir vorwirft, immer nur das arme Opfer zu spielen, nimmt es dir die Möglichkeit, dich überhaupt noch ehrlich zu äußern. Soll ich etwa immer nur lächeln und nie zugeben, dass meine Gefühle verletzt werden? Das wäre wirklich fake. Oder sollte ich meine Gefühle ehrlich äußern und auf Kritik entsprechend reagieren? Doch halt – dann würde ich ja wieder das Opferlamm spielen.

Gibt es überhaupt eine Möglichkeit, dieser Zwickmühle zu entkommen?

Wenn mich früher Leute für etwas kritisierten, habe ich mein Bestes gegeben, den Missstand abzustellen – das war schon so, als ich Fünfzehn war. Aber irgendwann wird einem klar, dass es nicht individuelle Kritikpunkte sind, die gegen mich vorgebracht werden, sondern ein Kuddelmuddel aller möglichen Anschuldigungen. Und daraus zog in den Schluss, dass ich mein Leben künftig nicht mehr in aller Öffentlichkeit führen könne. Wenn man seine Privatsphäre schützt, gibt es keine Diskussionen, keine Enthüllungen, keine Debatten. Mir wurde klar, dass ich es gewesen war, der die Einladung ausgesprochen hatte: Ihr könnt mein Leben so spielen, als sei es ein Videogame.

Die Zeile „The old Taylor can’t come to the phone right now. Why? Because she’s dead“ war ja witzig, aber wie wörtlich sollte man sie nehmen?

Es gibt einen Teil von mir, der sich immer verändern wird. Ich musste in vielen Aspekten erst erwachsen werden, musste meine Grenzen kennenlernen und mich entscheiden, was ich mit der Öffentlichkeit teilte und was nicht. Diese alte Version von mir, die blauäugig mit der ganzen Welt alles teilte, was sie lieber unter Verschluss gehalten hätte? Ich glaube, diese Taylor gibt’s nicht mehr.

Und es war tatsächlich ein großer Spaß, mit Jack (Antonoff) im Studio zusammenzusitzen und diese Idee mit dem Telefonat zu entwickeln. Weil so eigentlich alles erst anfing: mit einem dummen Telefonanruf, den ich besser nicht hätte annehmen sollen.

Sie hätten sich viel Ärger erspart, wenn Sie das wirklich getan hätten.

Ja, es wäre absolut genial gewesen, wenn ich nur diesen einen Satz gesagt hätte. (lacht)

Was die Bild- und Formensprache von „Lover“ betrifft, so kann ich aber durchaus eine Rückkehr zur alten Taylor feststellen.

Ja, ich glaube, dass ich mich kreativ noch nie so bei einer früheren Version bedient habe wie diesmal – vor allem, wenn es sehr, sehr autobiografisch wird. Aber ob es nun die bekenntnishaften Passagen waren oder eher die Ohrwurm-Elemente: In diesem Punkt habe ich mich wirklich bei meinem alten Ich bedient.

Was dieses ominöse Telefonat angeht: Haben Sie im Rückblick irgendwas falsch gemacht? Gibt es etwas, das Sie bedauern?

Außenstehende, die den Hintergrund nicht kennen, können wohl kaum nachvollziehen, wie diese Geschichte ablief. Weil solche Sachen nie ohne eine Vorgeschichte ablaufen. Bevor er mich bitch nannte, waren schon Sachen passiert, die mir bitter aufgestoßen waren. Ich hatte einfach die Nase voll von dem, was zwischen uns beiden ablief. Es war eine Kettenreaktion, die nicht erst mit dem Song oder dem Telefonat anfing.

Für eine Weile hatte ich den Eindruck gehabt, als sei zwischen uns wieder alles im Lot. Was ich aus ganzem Herzen begrüßte. Denn nach dem, was 2009 passiert war, wünschte ich mir eigentlich nur, dass er mich respektiert. Wenn jemand derart drastisch seine Missachtung demonstriert und sprichwörtlich sagt, dass du einen Preis nicht verdient hast … Ich wollte einfach nur Respekt von ihm. Und ich hasse diese Eigenschaft an mir selbst: „Dieser Typ hat mich niedergemacht, aber mir fällt nichts Besseres ein, als seinem Respekt nachzulaufen.“ Aber so war ich nun mal.

Also treffen wir uns zum Dinner und bleiben in Kontakt. Und ich bin glücklich, weil er jetzt wirklich nette Sachen über mich erzählt. Ich hatte den Eindruck, als würden alte Narben verheilen – noch Sachen aus der Kindheit, wenn man sich missverstanden und ausgestoßen fühlt.

Dann stehen die Video Music Awards 2015 auf dem Programm. Er sollte den „Vanguard Award“ in Empfang nehmen und rief mich diesbezüglich an. Ich habe das Gespräch nicht heimlich mitgeschnitten, kann es Ihnen also auch nicht vorspielen. Aber er rief mich eine Woche vorher an und wir sprachen rund eine Stunde. „Ich wäre dir wirklich, wirklich dankbar, wenn du mir diesen Vanguard Award überreichen würdest. Es würde die Welt für mich bedeuten.“

„Auf der Bühne schreit er herum“

Und er legt sich richtig ins Zeug und textet mich voll – und er kann in solchen Situationen wirklich unglaublich süß sein. Und ich war so aus dem Häuschen, dass er gerade mich darum bat. Also schrieb ich eine kleine Rede, doch als wir dann auf die Bühne kommen, schreit er herum: „MTV hat für die Verleihung Taylor Swift engagiert, weil sie damit Einschaltquote machen wollen.“ (Seine exakten Worte waren: „You know how many times they announced Taylor was going to give me the award ‚cause it got them more ratings?“) Und ich stehe da im Publikum, den Arm um seine Frau gelegt, und spüre, wie es mir kalt den Rücken runterläuft.

Und in diesem Moment wurde mir endgültig klar, dass er ein doppelzüngiger Mensch ist: dass er hinter der Bühne der große Charmeur ist, aber auf der Bühne der coole Typ sein will, der alle anderen alt aussehen lässt. Ich war jedenfalls außer mir. Er wollte mich nach der Show in seinem Umkleideraum sehen, doch ich lehnte ab. Dann schickte er mir am nächsten Tag dieses riesige Blumenbouquet und wollte sich entschuldigen. Und ich sagte: „Weißt du was? Ich möchte wirklich nicht, dass es noch mal dicke Luft zwischen uns gibt, deshalb: Ich hak die ganze Geschichte hiermit ab.“ Und ich war so gerührt, als er dann anrief und sehr respektvoll war und auch von der einen Zeile in seinem Song erzählte …

Der Zeile „… me and Taylor might still have sex“?

(Nickt) Und ich sagte: „Prima. Jetzt sind wir wirklich wieder quitt.“ Und dann höre ich den Song und denke mir: „Jetzt hab ich die Nase aber wirklich gestrichen voll. Wenn du wirklich Knies haben willst, kannst du ihn haben. Aber dann sollten wir auch mit offenen Karten spielen.“

Und dann machte er die gleiche Geschichte mit Drake. Die Folgen für Drakes Familie waren jedenfalls gewaltig. Genau das gleiche Muster: Er sucht deine Nähe und schmeichelt sich ein – und lässt dich dann ins offene Messer laufen. Ich möchte gar nicht mehr drüber reden, weil es mich jedes Mal auf die Palme bringt. Ich mag nicht den ganzen Tag über negative Scheiße reden, aber es ist das gleiche Muster. Schauen Sie sich nur mal an, was Drake zu der Geschichte zu erzählen hat. (West beteuert seine Unschuld. Mit Pusha-T’s Enthüllung, dass Drake ein uneheliches Kind in die Welt gesetzt habe, will er nichts zu tun haben. Er entschuldigte sich auch bei Drake, „negative Energie“ in die Welt gesetzt zu haben.)

Wann kamen Sie an den Punkt, dass Sie „I Forgot That You Existed“, den Opener von „Lover“, schreiben konnten?

Es war irgendwann auf der „Reputation“-Tour – die für mich die emotional wichtigste Weichenstellung meiner ganzen Karriere war. So ausgeglichen, so mental gesund war ich jedenfalls nie zuvor. Wenn mir nach dieser Tour schlimme Sachen passierten, ließ es mich kalt. Der Ärger, den ich vor ein paar Monaten mit Scott (Borchetta) hatte? Kratzt mich nicht mehr. Vor drei Jahren wäre ich noch ein Häufchen Elend gewesen und hätte nicht gewagt, meine unmissverständliche Meinung zu sagen. Irgendwann auf dieser Tour ging mir ein Licht auf: Ich weiß nun, dass der Aspekt der öffentlichen Wahrnehmung, der meine gesamte Identität prägte, ein denkbar ungesunder Ort ist.

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Was brachte die eigentliche Erleuchtung?

Das Bewusstsein, dass ich vor allem Entertainer bin, hat sich immer mehr herauskristallisiert. Die Vorstellung, dass ich mich in diesem epischen Kampf mit den anderen Frauen befinde – was natürlich von den Medien nur noch aufgebauscht wurde –, ist heute nicht mehr von Bedeutung. Wir müssen nicht alle scheitern und untergehen, weil es nur einen Sieger geben kann. Inzwischen sage ich mir: „Weißt du was? Katy wird eine Legende werden. Gaga wird eine Legende werden. Beyoncé wird eine Legende werden. Rihanna wird eine Legende werden. Weil die Arbeit, die sie leisten, weitaus substanzieller ist als die Kurzlebigkeit und Kurzsichtigkeit unserer heutigen Welt, in der es nur um Klicks und die nicht abreißende Flut von vermeintlichen News geht.“ Und als ich auf der Tour den Zuschauern in die Augen sah, wurde mir das zum ersten Mal wirklich klar. Wir sind Entertainer – und sollten auch selbst unseren Spaß daraus beziehen.

Es ist ein interessantes Gedankenspiel, die letzten Alben als eine Trilogie zu verstehen. „1989″ war für Sie ein radikaler Neubeginn.

Absolut. Und ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass das ausschließlich meine Entscheidung war, die intern höchst umstritten war und entsprechend bekämpft wurde.

Nachdem man nun weiß, dass Sie mit Scott Borchetta, Ihrem früheren Label-Boss, ein nicht gerade harmonisches Verhältnis hatten, beginnt man zu ahnen, dass es im Lauf der Jahre noch weitere Konfrontationen gegeben haben muss.

Viele der besten Sachen, die ich je gemacht habe, waren das Resultat harter Auseinandersetzungen, wirklich aggressiver Auseinandersetzungen. Aber ich möchte nicht den gleichen Fehler wie er machen und nun bizarre Anschuldigungen aus dem Zylinder holen. Wenn man 15 Jahre lang zusammenarbeitet, gibt es zwangsläufig Ups und Downs.

Ich war immer davon überzeugt, dass er in mir die Tochter sah, die er selbst nicht hatte. Und selbst wenn wir durch viele hässliche Phasen gingen und kreative Differenzen hatten, wollte ich ihn eigentlich wegen seiner positiven Beiträge in Erinnerung halten. Ich wollte mit ihm befreundet sein. Ich glaubte bereits zu wissen, wie sich Verrat anfühlt, musste mich aber durch ihn eines Besseren belehren lassen – gerade weil er Teil meiner Familie gewesen war.

Es ist schon ein groteskes Gefühl, an einem Tag seine Tochter zu sein – und am nächsten zu verstehen, dass ich nur seine preisgekrönte Milchkuh war, die er so lange mästete, bis er sie an den bestzahlenden Schlachthof verkaufen konnte.

Er wirft Ihnen vor, Auftritte bei dem Parkland-Protest (für die Opfer der High School-Toten in Florida) und Ariana Grandes Manchester-Benefiz abgelehnt zu haben.

Unglaublich. Die Sache war die: Jeder in meinem Team wusste, dass ich unter keinen Umständen behelligt werden wollte, wenn Scooter Braun mit einem Vorschlag an mich herantrat. Die Tatsache, dass die beiden Herrschaften nun Geschäfte miteinander machen – nach dem, was Scott über Scooter Braun verlauten ließ –, ist schon ein herber Schock. Und weiß Gott: So leicht kann mich nichts mehr schockieren.

Da haben wir also zwei sehr reiche, sehr mächtige Männer, die 300 Millionen Dollar Fremdkapital in die Hand nehmen, um damit die Rechte an meiner Arbeit zu kaufen. Und dann stellen sie sich in eine holzgetäfelte Bar, heben das Glas auf ihren Coup und lassen sich für ein oberpeinliches PR-Foto ablichten. Weil sie mich ausgetrickst hatten und den Deal so heimlich durchzogen, dass ich nicht mal den Hauch einer Ahnung hatte. Und mich auch nicht mehr wehren konnte.

Auf rein musikalischem Level scheint „Lover“ mehr Indie-Assoziationen auszulösen als all Ihre Alben zuvor.

Das freut mich zu hören, danke. Es ist definitiv ein rastloses, quecksilbriges Album, für das man so schnell keine Schubladen findet. Ich gab mir diesmal selbst die Erlaubnis, noch einmal Themen aufzugreifen, die ich schon früher bearbeitet hatte, die aber vielleicht einen neuen Ansatz verdient hatten. Und ich griff auch verstärkt auf Instrumente zurück, die ich schon vor geraumer Zeit benutzt hatte. Als ich an „1989″ arbeitete, wollte ich unbedingt den Big Pop machen, der in den Achtzigern angesagt war – sei es mithilfe einer bombastischen Produktion, sei es mit den vollfetten Chören, die damals jedermann benutzte. Einfach hemmungslos big.

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Bei „Reputation“ hatte ich dann meine Gründe, wieder alles eine Nummer runterzufahren. Das Album war von Natur aus nicht der kommerzielle Überflieger. Bei den heimlichen Gigs zur Veröffentlichung hatte ich Schwierigkeiten, meinen Fans die Hintergründe zu erklären. „Ich weiß, dass wir hiermit Neuland betreten. Ich bin nie in fremde Charaktere geschlüpft, aber viele Popstars tun es. Es ist ein cleverer Trick, einfach zu behaupten: Das ist mein Alter Ego. Ich habe noch nie damit gespielt, aber es macht wirklich Spaß.“ Und es machte auch Spaß auf der Bühne, wenn man die Düsternis mit dem Bombast kontrastieren konnte, die Verbitterung mit der Liebe – und all den anderen Ups and Downs, die ein Album mit einer emotionalen Achterbahnfahrt zu liefern vermag.

„Daylight“ ist eine wundervolle Nummer, die ich mir auch als Titelsong des Albums gut vorstellen könnte.

War sie auch fast. Aber dann dachte ich mir, dass sie vielleicht ein wenig zu sentimental ist.

Und vielleicht auch ein bisschen zu eindeutig und offensichtlich?

Viel zu offensichtlich. Das ging mir auch durch den Kopf, weil ich das Album tatsächlich „Daylight“ nennen wollte. Aber „Lover“ traf den Nagel in meinem Kopf besser und war auch als Konzept flexibler. „You Need To Calm Down“ etwa macht mehr Sinn in diesem konzeptionellen Rahmen: Es geht nicht zuletzt darum, dass Leute Diskriminierung befürchten müssen, nur weil sie Menschen lieben, die vom gesellschaftlichen Mainstream nicht akzeptiert werden.

„Lover“ und „Paper Rings“ sind eher organische Songs, die aber – wie Sie unlängst sagten – vielleicht am besten von einer Hochzeitskapelle gespielt werden sollten. Passiert es oft, dass eine visuelle Idee die Stilvorlage für die Produktion liefert?

Manchmal habe ich diese verrückten Fantasien, wo ein Song am besten gespielt werden sollte. Für „Lover“ und „Paper Rings“ stellte ich mir tatsächlich eine Hochzeitskapelle vor, aber eine aus den 70er Jahren – einfach um zu vermeiden, dass Instrumente, die noch nicht erfunden waren, auch nicht gespielt werden durften.

Ich lebe von diesen visuellen Ideen. Für „Reputation“ war es die nächtliche Skyline einer Stadt. Ich wollte überhaupt keine traditionellen akustischen Instrumente. Ich stellte mir alte, verlassene Lagerhallen vor, Fabriken – diese ganzen Assoziationen an eine vergangene Industrielandschaft. Deswegen wollte ich bei der Produktion ganz auf Holzinstrumente verzichten. Es gab keinen Holzboden auf diesem Album.

„Lover“ hingegen lebt geradezu davon, dass es auf einem alten hölzernen Scheunenboden stattfindet: Alte, zerrissene Gardinen flattern im Wind, man sieht Felder mit Blumen und fühlt viel Samt.

Auf „Miss Americana & The Heartbreak Prince“ wagen Sie sich auf politisches Terrain vor, bemühen dazu aber Metaphern, die eigentlich eher in der High School zuhause sind.

Es gab so viele Einflüsse, die sich in diesem Song niederschlugen. Ich schrieb ihn ein paar Monate nach den Midterm-Wahlen von 2018. Ich wollte das Thema Politik angehen und suchte nach einem metaphorischen Ort, wo ich die Szenerie ansiedeln konnte. Ich dachte also an die traditionelle US-High School, auf der es zwar soziale Traditionen gibt, die aber eigentlich eher die individuelle Isolation verstärken. (Diese Outsider treffen sich dann gewöhnlich unter der Tribüne des Sportplatzes, wo sie sich gegenseitig ihr Leid klagen. – Red.)

https://www.youtube.com/watch?v=eIRCskNRTDY

Ich denke mir, dass es auch in unserer politischen Landschaft immer mehr Leute gibt, die sich unter der Tribüne versammeln, um mit einer gemeinsamen Initiative die Lage in unserem Land zu verbessern.

Ich fragte mich schon, ob sich Ihre Bewunderung für Fall Out Boy vielleicht in dem Titel niedergeschlagen hätte.

Ich liebe Fall Out Boy über alles. Ihr Songwriting, ihre Lyrics haben mich wirklich beeinflusst – vielleicht mehr als jeder andere. Sie nehmen sich eine banale Phrase und geben ihr einen überraschenden Dreh: „Loaded God complex / Cock it and pull it.“ (Gewöhnlich würde man von einem „loaded gun complex“ sprechen. In der veränderten Version ist vermutlich ein Mann mit einem übergroßen Ego gemeint, der von seiner Freundin befriedigt werden möchte.– Red.) Als ich das hörte, wollte ich meinen Ohren nicht trauen.

„Ich schrieb die Zeile „I see the high-fives between the bad guys“ nicht nur, weil ich in diesem Land immer mehr Rassismus sehe, sondern auch weil die Leute, die diese furchtbaren Positionen vertreten, es mit einem triumphierenden Schulterklopfen und Gelächter tun.“

Sie singen von „American stories burning before me“. Meinen Sie damit die Illusionen von Leuten, die dem Traum eines vergangenen Amerikas nachhängen?

Es sind eher die Visionen eines Amerikas, die wir alle hatten, bevor sich die politische Landschaft so radikal änderte. Auch über die Naivität, mit der wir diesen Zustand als gottgegebene Normalität empfanden. Aber es geht auch um die Amerikaner, die einfach ihr Leben leben möchten, die ein vernünftiges Auskommen haben möchten, um eine Familie zu gründen oder die Person zu lieben, die sie nun mal lieben wollen. Miterleben zu müssen, wie diese Leute ihre Ansprüche und ihre Rechte verlieren – oder wie sie in ihrer angestammten Umgebung nicht mehr willkommen sind, ist schon schmerzhaft.

Ich schrieb die Zeile „I see the high-fives between the bad guys“ nicht nur, weil ich in diesem Land immer mehr Rassismus sehe, sondern auch weil die Leute, die diese furchtbaren Positionen vertreten, es mit einem triumphierenden Schulterklopfen und Gelächter tun. Es ist einfach nur abstoßend.

Sie waren ein blonder, blauäugiger – und bislang unpolitischer – Popstar, von dem fremdenfeindliche Rechtsradikale bislang annehmen durften, dass Sie einer der ihren seien.

Ich glaube, das tun sie seit geraumer Zeit schon nicht mehr. Ja, das war schon arg irritierend – auch wenn ich es eher im Nachhinein mitbekam, weil ich zu diesem Zeitpunkt kein Internet mehr auf meinem Handy haben wollte. Mein Team und meine Familie waren ernsthaft besorgt, weil meine Gemütslage nicht die beste war. Und es gab eine Menge Sachen, mit denen sie sich rumschlagen mussten, ohne mir davon zu erzählen.

Das war allerdings auch die einzige Zeit in meiner Karriere, in der mir das passierte. Gewöhnlich sitze ich im Fahrersitz. Ich möchte das Flugzeug genau in die Richtung steuern, die ich für richtig halte. Aber damals gab es wirklich eine Phase, in der ich voll bedient war: „Jungs, ich pack das nicht mehr. Ihr müsst mir das abnehmen, weil ich mich gerade aus dem Staub mache.“

War das der Zeitpunkt, als eine White Supremacist-Website den Eindruck erweckte, Sie würden mit ihnen sympathisieren?

Das hab ich nicht mal mitbekommen, aber wenn es so war … wie gesagt: einfach nur abstoßend. Es gibt wirklich nichts, das schlimmer wäre als diese weißen Übermenschen. Diese Leute sollten aus der Gesellschaft verbannt werden.

„Ich möchte nämlich nicht, dass es wieder einen Backlash gibt – so wie bei Hillary“

Inzwischen sauge ich alles begierig auf, das irgendwie mit Politik zu tun hat – während ich früher in diesem politischen Niemandsland lebte. Die Person, der ich meine Stimme gab, war halt immer gewählt worden. Es war eine unglaubliche Zeit, als Obama Präsident war, weil uns der Rest der Welt respektierte. Wir waren so stolz, eine derart würdige Person im Weißen Haus zu haben. Zum ersten Mal ging ich zur Wahl, als er zum Präsidenten gewählt wurde, die zweite war seine Wiederwahl. Ich denke, dass die meisten Leute so wie ich funktionieren: Sie konnten sich bei der letzten Wahl einfach nicht vorstellen, dass so etwas wirklich passieren würde.

Aber inzwischen zählt für mich nur noch die 2020-Wahl: Wie kann ich helfen, ohne die Situation ungewollt zu verschlimmbessern? Ich möchte nämlich nicht, dass es wieder einen Backlash gibt – so wie bei Hillary, als sich die Unterstützung aus dem Celebrity-Camp eher als Klotz am Bein erwies.

Man hat Sie wüst beschimpft, weil Sie in der Vergangenheit eine eindeutige politische Position vermieden hatten. Bedauern Sie heute, dass Sie nicht früher schon „fuck it“ sagten und die Vorsicht über Bord warfen?

Absolut. Aber es gibt eine Menge Dinge, die ich bedaure. Es ist fast so was wie ein tägliches Ritual.

„Ich denke, dass wir als Demokratische Partei mehr wie ein Team auftreten müssen. Wenn du die rote Kappe trägst, wissen alle, dass du ein Republikaner bist.“

Rechneten Sie denn fest damit, von konservativen Fans gekreuzigt zu werden?

So kann man’s ausdrücken. Es ist schon eine merkwürdige Erfahrung, wenn man schwarz auf weiß nachlesen kann, dass dich so ziemlich jedermann unter der Sonne zu hassen scheint. Und das ist eine quantifizierbare Erfahrung, das sind echte Zahlen. Sie wissen, dass ich hier nicht die Drama-Queen spiele …

Es gab eine Menge Leute, die sich bei den Stadion-Gigs dementsprechend Luft machten.

Stimmt, aber das war zwei Jahre später …

Ich denke, dass wir als Demokratische Partei mehr wie ein Team auftreten müssen. Wenn du die rote Kappe trägst, wissen alle, dass du ein Republikaner bist. Und wenn wir wirklich eine Veränderung auf den Weg bringen wollen, müssen wir proaktiv unsere Gemeinsamkeiten unterstreichen. Wir müssen aufhören, unsere Differenzen dermaßen unter die Lupe zu legen, dass sie die gemeinsamen Ziele in Vergessenheit geraten. Es gibt keine guten und schlechten Demokraten mehr. „Du bist ein Demokrat? Super. Steig ein. Lass uns gemeinsam Spaß haben.“

Hier kommt eine wirklich existenzielle Frage: Warst du als Superfan glücklich mit dem Game of Thrones-Finale?

Oh, mein Gott. Ich habe viel Zeit mit dieser Frage verbracht. Ich habe gelesen, dass unser Hirn auf das Ende deiner liebsten TV-Serie in der gleichen Weise reagiert wie auf das Ende einer Beziehung: Es gibt kein gutes Ende. Das ist klinisch erwiesen. Selbst wenn es ein anderes Finale gegeben hätte, wären die Leute noch immer aufgebracht gewesen – weil sie im Unterbewusstsein nicht wollten, dass die Serie zu Ende geht.

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Ich war dankbar zu lesen, dass Ihre „list of names“ (in „Look What You Made Me Do“) eine direkte Referenz zu Aryas „kill list“ gewesen sei.

Es macht mir Spaß, von Filmen, TV-Shows, Büchern und anderen Sachen beeinflusst zu werden. Ich liebe es auch, über die innere Dynamik eines Charakters zu schreiben. Aber ich kann nur hoffen, dass mein ganzes Leben nicht so kompliziert sein wird wie dieses vertrackte Charakter-Geflecht, das uns Filme und TV-Serien vorsetzen.

Wobei es eine Zeit in Ihrem Leben gab, mit der nicht mal ein fiktives Filmkomplott hätte konkurrieren können.

Die Vorstellung ist erschreckend.

Doch nun, da Sie ihr Leben simplifizieren wollen, besteht natürlich die Gefahr, dass Sie verstärkt andere Quelle anzapfen müssen, um neue Songideen zu bekommen.

Ich glaube nicht, dass ich schon an diesem Punkt angekommen bin. Vielleicht kommt der Punkt, wenn ich einmal eine eigene Familie habe – falls dieser Fall eintreten sollte. (Pause) Ich weiß nicht, warum ich das gesagt habe! Aber es stimmt schon: Ich habe das oft von anderen Künstlern gehört, dass sie ihre Inspirationen woanders suchen mussten, weil sie sich privat so abgeschottet hatten. Aber ich weiß noch immer nicht, warum ich das gerade gesagt habe. Ich habe nicht die geringste Ahnung, in welchen Bahnen mein Leben verlaufen wird. Ich weiß nur, dass mir im Moment das Songschreiben leichter fällt denn je zuvor.

Sie reden nicht über Beziehungen, singen aber darüber und tun das mit entwaffnender Offenheit. Wo ist der Unterschied?

Singen kann manchmal dabei helfen, deine Gefühle präziser zu artikulieren. Man kann nicht Worte zu Papier bringen und meinen, dass sie einen Außenstehenden in der gleichen Weise berühren wie ein Song, der mithilfe akustischer Schwingungen dieses Gefühl optimal vermittelt … Aber keine Frage: Es gibt diesen inneren Widerspruch, einerseits ein konfessioneller Songschreiber zu sein, aber gleichzeitig miterleben zu müssen, wie – vor zehn Jahren – mein Leben in dieses seltsame Pop-Culture-Phänomen transformiert wurde.

Sie wurden mehrfach mit den Worten zitiert, dass die Hörer zu viel Zeit auf die Frage verschwenden, welcher Zeitgenosse in welchem Song aufs Korn genommen werde. Aber haben Sie dieses Versteckspiel nicht selbst initiiert?

Ich habe schon früh in meiner Karriere gelernt, dass mir dieser Vorwurf in jedem Fall gemacht werden würde. Wenn man also einmal weiß, dass diese Spielregeln dein Leben beeinflussen werden, schaut man sich das große Plus-Minus-Konto an und entwickelt eine Strategie, die am besten zu dir passt.

Andererseits habe ich das Songschreiben nie als strategischen Faktor meiner Karriere verstanden. Ich habe keinerlei Probleme, hier und heute einzugestehen, dass es andere Entscheidungen gibt – wie das Marketing eines Albums –, die ausschließlich nach strategischen Kriterien getroffen werden. Und es macht mich fuchsteufelswild, dass Frauen sich anscheinend gezwungen fühlen, ihr geschäftliches Talent unter den Scheffel zu stellen, während sich männliche Künstler damit brüsten können. Niemand scheint sich vorstellen zu können, dass ich es bin, der die Strategie für mein Geschäft entwickelt – gerade weil es ein anderer Teil des Hirns ist als der, der fürs Songschreiben zuständig ist.

Bereits als Teenager fühlten Sie sich für den geschäftlichen Aspekt verantwortlich.

Ja, aber gleichzeitig habe ich – und das bereue ich noch heute – alles nur Erdenkliche getan, um diese Tatsache zu vertuschen. Ich wollte den Leuten weismachen, dass nicht ich es bin, der die Marketing-Puppen tanzen lässt. Sie sollten nicht erfahren, dass ich mehrmals pro Woche in einem Konferenzzimmer hocke und geschäftliche Vorschläge mache. Ich habe lange Zeit den Irrglauben propagiert, dass das Publikum nur Musikerinnen mag, die ein Glücksfall des Schicksals sind. Wir sollten so tun, als seien wir selbst völlig überrascht von unserem Erfolg: „Nicht zu fassen! Schon wieder ein Hit! Wir können uns wirklich nicht beim Glück beklagen.“

„Ich konnte mich wirklich mit Daenerys identifizieren!“

Taylor Swift stand wegen eines geplanten Auftritts bei einem Pferderennen in der Kritik ihrer Fans – nun hat sie die Show abgesagt.
Taylor Swift stand wegen eines geplanten Auftritts bei einem Pferderennen in der Kritik ihrer Fans – nun hat sie die Show abgesagt.

Bei der Frauen-Fußball-WM feierte Alex Morgan überschwänglich ein Tor – und musste dafür viel Kritik einstecken. Es war ein perfektes Beispiel für die immer noch verbreitete Meinung, dass wir unsere Erfolge nicht feiern dürfen, dass wir nicht stolz darauf hinweisen können: „Ja, das war meine Idee. Und ich war es, die das Konzept realisiert hat.“ Ich finde, das ist wirklich unfair.

Dabei lieben die Leute inzwischen gerade die jüngeren Musikerinnen, die auch geschäftlich ihren eigenen Weg gehen. Es ist eine Entwicklung, die nicht mehr aufzuhalten ist. Man braucht sich nur das Game of Thrones-Finale in Erinnerung zu rufen: Ich konnte mich wirklich mit Daenerys identifizieren, weil sie eine Faustregel perfekt personifizierte: Für eine Frau ist es viel einfacher, an die Macht zu kommen – als an der Macht zu bleiben.

Immerhin mordete sie …

Aber das war doch nur eine Metapher! Natürlich gefiel es mir nicht, dass sich Daenerys in diese männermordende Furie entwickelte, aber ich hatte schon den Eindruck, als sei dies die eigentliche Botschaft gewesen: Die Leiter zur Spitze ist man schnell hochgeklettert, aber erst danach wartet die eigentliche Herausforderung. Mir ging es doch auch so: In den Zeiten, in denen ich durchdrehte, versuchte ich immer, meine Karriere genauso fortzuführen, wie ich sie begonnen hatte. Es ist leichter, Macht zu bekommen als sie zu festigen. Es ist leichter, Beifall und Aufmerksamkeit zu bekommen als sie an sich zu binden.

Wir dürfen uns also glücklich schätzen, dass Sie 2016 nicht auf einen Drachen zurückgreifen konnten …

(Aufgebracht) Aber ich hab Ihnen doch gesagt, dass ich diesen Aspekt ihres Charakters nicht mag! Doch die gesamte Serie war schon eine Reflektion darüber, wie wir als Gesellschaft Frauen in Machtpositionen behandeln – wie wir uns gegen sie verschwören, um ihnen den Weg so steinig wie möglich zu machen. Und irgendwann kommt dann der Punkt, wo man sich als Frau fragt: „Hat sich eigentlich irgendetwas verändert?“ Mir ist das sicher 60 Mal so in meiner Karriere passiert. Ich kam an einen Punkt, wo ich einem fiktiven Gegenüber die Frage stellte: „Okay, im letzten Jahr hast du mich noch gemocht. Was ist seitdem passiert, dass du mich plötzlich nicht mehr magst? Sieht ganz so aus, als müsste ich mich verändern, damit ich weiterhin das Privileg habe, euch unterhalten zu dürfen.“

Sie sagten einmal, dass Ihre Mutter Sie als Kind nie bestrafen konnte, weil Sie sich immer schon selbst bestraft hätten. Offensichtlich suchten Sie ständig nach Bestätigung – auch und gerade, wenn Sie kritisiert wurden. Diese Charaktereigenschaft war offensichtlich immer die treibende Kraft in ihrem Leben.

Ja, das ist sicher eine treffende Beobachtung, die Sie da machen. Ich stellte mir die Frage: Wenn du weiterhin gute Sachen zu machen versuchst – auch wenn gleich alle Zyniker aus ihren Löchern kommen und deine gute Absicht infrage stellen –, würdest du dann noch immer gute Sachen machen? Und die Antwort ist: ja. Kritik hat mir bei der Entwicklung meines Charakters geholfen. Böswillige Kritik um ihrer selbst willen ist hingegen ein Element, das ich künftig ignorieren werde.

Klingt gut und vernünftig. Ist das nun der Stoff, aus dem Psychotherapien sind – oder sind das nichts als praktische Erfahrungen?

Ich war nie in Therapie. Ich spreche viel mit meiner Mom, weil meine Mom alles mit eigenen Augen erlebt hat. Wenn man den Download eines 29-jährigen Lebens machen würde, müsste man sich lange gedulden – während Sie jedes Detail bereits kennt. Und wir reden nonstop. Wenn ich mal einen ganz, ganz üblen Tag hatte, konnten wir auch stundenlang telefonieren. Ich schreibe ein paar Zeilen, die mir durch den Kopf gingen – und anstatt sie irgendwo zu posten, lese ich sie ihr einfach am Telefon vor.

Ich muss in diesem Zusammenhang an eine Zeile aus „Daylight“ denken: „So many lines that I crossed unforgiven.“ Es ist eine andere Art von Beichte.

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Ich freue mich, dass Sie die Zeile mögen, weil das wirklich etwas ist, das mich beschäftigt: dass man am Ende seines Lebens zurückblickt und feststellt, dass man Mist gebaut hat – egal, wie gut und rein die Intentionen auch waren. Manchmal betrifft es Leute, die einmal eine Rolle in deinem Leben spielten, inzwischen aber verschollen sind – und nichts kann man mehr rückgängig machen. Ich erzählte den Fans gestern Abend, dass ich an meinen schlechten Tagen manchmal das Gefühl habe, als sei mein ganzes Leben ein riesiger Müllberg – gefüllt mit schlimmen Headlines, schlimmen Dingen, die mir widerfuhren, Fehlern, die ich gemacht habe, Klischees und Gerüchten, die andere Leute über mich seit 15 Jahren verbreiten. Und das floss in das Video von „Look What You Made Me Do“ ein, wo sich einige meiner früheren Ichs sprichwörtlich den Kopf einschlagen.

Aber es stimmt schon: Diese Linie sagt viel über meine Angst aus, dass man es nie schafft, ohne Fehler durchs Leben zu gehen. Oft trifft man die falsche Wahl, die falsche Entscheidung – auch wenn man genau das vermeiden wollte. Manchmal sagt man ein falsches Wort und verletzt Leute – auch wenn man überhaupt nicht die Absicht hatte. Und am Ende des Tages weiß man einfach nicht, wie man das Problem lösen könnte. Und wenn man 29 ist, hat sich da schon eine Menge Ballast angesammelt.

Wenn ich einmal kurz den „Mr. Rolling Stone“ heraushängen lassen darf: Es gibt einen Songtext von Bruce Springsteen, der mit Sicherheit Wasser auf Ihre Mühlen ist: „Ain’t no one leaving this world, buddy/Without their shirttail dirty or hands a little bloody.“

Der ist gut! Niemand kommt ohne Blessuren durchs Leben, niemand kommt heil und in einem Stück hier wieder raus. Ich denke mal, dass viele Leute an dieser Erkenntnis reichlich zu knabbern haben. Ich weiß, dass ich dran geknabbert habe, weil ich als Kind aufwuchs in dem Wissen: „Wenn ich ein guter Mensch bin und die richtigen Entscheidungen treffe … wer weiß? Vielleicht könnte ich das Projekt ja sogar mit der Bestnote abschließen?“ Inzwischen weiß ich, dass ich mir das abschminken kann.

Es ist sehr aufschlussreich, sich „I Did Something Bad“ in diesen Zusammenhang anzuhören.

Dass Ihnen das auffällt, ist wiederum für mich sehr aufschlussreich. Tatsächlich habe ich jahrelang versucht, diesen „Gutmensch“-Komplex mit der Realität in Einklang zu bringen. Schon als Kind hatte ich mich immer bemüht, Gutes zu tun und ein zuvorkommender Mensch zu sein. Aber manchmal kommt man mit dieser Einstellung eben unter die Räder. Und wie reagiert man, wenn man unter die Räder kommt? Soll ich dann brav zu Hause sitzen, meinen Salat essen und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen? „I Did Something Bad“ behandelt die Tatsache, dass ich etwas tat, das mir eigentlich komplett gegen den Strich ging. Katy (Perry) und ich sprachen neulich über unsere Sternzeichen … (Lacht) Worüber auch sonst?!

Worte für die Ewigkeit.

(Lacht) Ich hasse Sie. Nachdem wir uns wieder zusammengerauft hatten, führten wir jedenfalls ein endlos langes Gespräch, in dem es unter anderem um die Frage ging, warum es zu Missverständnissen zwischen Menschen kommt – nicht nur zwischen uns beiden. Und in diesem Zusammenhang sprachen wir auch über unsere Sternzeichen. „Ich bin Skorpion“, sagte sie, „und Skorpione stechen automatisch zu, wenn sie sich bedroht fühlen.“ „Ich bin Schütze“, antwortete ich, „und wir treten einen Schritt zurück, schauen uns die Lage an, analysieren unsere Gefühle, heben den Bogen, spannen die Sehne – und feuern.“ Es ist also ein völlig gegensätzlicher Ansatz, um mit Schmerz, Verunsicherung, Missverständnissen umzugehen.

In meinem Fall stelle ich dabei eine seltsame Zeitverzögerung fest – zwischen dem Moment, in dem ich verletzt werde, und dem Moment, in dem ich meine Gefühle artikuliere. Verstehen Sie, was ich meine? Und deshalb kann ich auch nachvollziehen, warum es Leute in meinem Leben gibt, die sagen: „Whoa. Ich wusste ja gar nicht, dass ich dich derart verletzt hatte.“ Bei mir dauert es immer einen Augenblick länger.

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Wenn Sie sich das Video von der VMA-Verleihung 2009 anschauen, können Sie genau sehen, wie ich geradezu schockgefroren bin. Ich stehe einfach nur bewegungslos da und sage keinen Ton. Aber das ist nun mal meine Art, mit Schmerz umzugehen. Fünf Minuten später wusste ich genau, was ich fühlte. Würde ich mich spontan äußern, hätte ich garantiert überreagiert. Aber in den fünf Minuten habe ich Zeit, meine Eindrücke zu verarbeiten. Und wenn sich der Staub bis dahin gelegt hat, denke ich mir: „Alles unter Kontrolle. Ich kann damit leben. Nur gut, dass mir im Eifer des Gefechts kein böses Wort herausgerutscht ist.“

Das Dumme ist nur: Wenn mir etwas wirklich Übles widerfahren ist, kommt es ebenfalls erst mit Verzögerung in meinem Kopf an – weil ich zunächst krampfhaft versuche, es mir selbst auszureden: „Es sieht vielleicht übel aus, aber es gibt bestimmt eine plausible Erklärung dafür.“ Das war ein Mechanismus, den ich dringend abstellen musste.

Weil Sie sich am Ende noch alles Mögliche eingeredet hätten?

Genau. Wenn ich immer spontan meine Meinung gesagt hätte, hätte ich im Lauf der Jahre vielleicht diversen Leuten auf die Füße getreten. Vielleicht hätte ich einen Streit vom Zaun gebrochen, obwohl ich im Unrecht war. Aber statt alles runterzuschlucken, nahm ich mir vor ein paar Jahren ernsthaft vor, künftig schneller und spontaner auf meine Emotionen zu reagieren. Und es hat mir tatsächlich geholfen. Manchmal kommt man an einer Auseinandersetzung eben nicht vorbei. Aber ein spontaner Streit ist letztlich besser als eine lange schwelende Fehde, die man erst mit Verzögerung anzettelt.

Mein Reden.

Ich habe wirklich das Gefühl, als hätte ich gerade erfolgreich eine Therapie-Session hinter mich gebracht. Und da ich noch nie in Therapie war, kann ich mit Fug und Recht behaupten, dass es die beste Session war, die ich je hatte.

SOPA Images Getty Images
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