„Taxi Driver“: Der negative Gottesbeweis

Vor 40 Jahren entfesselten Martin Scorsese und Paul Schrader in ihrem Meisterwerk den einsamen urbanen Soziopathen

Man kann viel sagen über das Amerika, die USA jener Zeit: Es war die Ägide von Gerald Ford, die John Updike als Phase von grenzenloser Libertinage und hemmungslosem Hedonismus beschreibt. Es fanden die Feiern zum 200. Jahrestag der Unabhängigkeit statt. Jimmy Carter stand vor der Tür. New York City war die schmuddelige Hauptstadt der Welt. In Hollywood herrschte eine neue Klasse von film- und kokainverrückten, promisken, ehrgeizigen, durchgedrehten und genialischen Freaks. Es war der Winter nach „Jaws“, es war zwei Sommer vor „Star Wars“. Es war die beste Zeit.

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Paul Schrader war in den 60er-Jahren als Sohn strenger Calvinisten im Mittelwesten aufgewachsen, er durfte kein Fernsehen gucken und näherte sich Mädchen vorsichtig. Dann studierte er Literatur, ging nach Los Angeles, schrieb Kritiken und gab eine Filmzeitschrift heraus. Dann reichte er seine Drehbücher herum. Sydney Pollack inszenierte „The Yakuza“ (1975) mit Robert Mitchum. Schrader stand auf dem Programm. Er war ein Kauz, und dann entdeckte er das Kokain, das sowieso überall war. Jetzt schrieb er wie ein Wilder. Er schrieb „Taxi Driver“. Das Buch gelangte zu Martin Scorsese, der mit „Mean Streets“ einen Film über das New York jener Zeit gedreht hatte. „Mean Streets“ ist ein Film über einen Mann, Harvey Keitel, der keinen Plan hat. „Taxi Driver“ ist ein Film über einen Mann, der einen Plan fasst.

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Robert De Niro war der Beste

Und dieser Mann ist Robert De Niro. Vielleicht war De Niro der beste Schauspieler seiner Generation, obwohl es Al Pacino, Robert Duvall, Jack Nicholson, Dustin Hoffman und Harvey Keitel gab. De Niro wurde Travis Bickle. Scorsese drehte wie bei „Mean Streets“ auf der Straße, Michael Chapmans Kamera wurde eins mit den Autos, dem Müll, dem Dampf, dem Lärm und der Hitze. Cybill Shepherd, die Erfindung von Peter Bogdanovich in „The Last Picture Show“ und in „Taxi Driver“ die Wahlkampfhelferin des Senators, wurde am Set bespöttelt – ihre Männergeschichten waren Legion, und niemand glaubte, dass sie spielen konnte.

Cybill Shepherd mit De Niro
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Aber Cybill Shepherd ist sehr gut als die Frau, die sie in „Taxi Driver“ darstellt. Sie ist die Frau, die sich für den Soziopathen Travis Bickle interessiert, sie ist angezogen von seiner Intensität und seinem Irrsinn, er ist ein interessanter Typ – aber sie ist abgestoßen von ihm, als er ihre Kris-Kristofferson-Platte nicht zu schätzen weiß und sie in ein schäbiges Porno-Kino einlädt. Sie ist eine gebildete Frau, die glaubt, Bickle erkannt zu haben und kontrollieren zu können. Bickle ist aber unkontrollierbar, denn er will das alles nicht mehr sehen, was er aus seinem Taxi sieht, er hat schon Vietnam gesehen, es ist zu viel. Er will die kindliche Prostituierte Iris sehen, die von Jodie Foster gespielt wird, aber er hält es nicht aus, dass es in der Stadt solche Zuhälter gibt wie Sport, den Harvey Keitel spielt, denen man nicht beikommen kann. Sport ist Bickle egal, und auch Iris ist Bickle egal, er ist halt ein schwieriger Freier.

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„You Talkin‘ To Me?“

Bickle war immer ein Außenseiter, er konnte einfach nicht locker lassen, aber jetzt kündigt er seine Arbeit, rasiert sich die Haare ab und kauft sich einen Revolver. Das „You talkin‘ to me?“ hörte De Niro im heißen Sommer 1975 bei einem Konzert von Bruce Springsteen im Bottom Line, es gehörte zu Springsteens Routine. „You talkin‘ to me?“ ist Travis Bickles Haltung zur Welt, er hat es vor dem Spiegel geübt. Und jetzt ist er entsichert.

Jodie Foster, 13, als Iris
Jodie Foster, 13, als Iris

„He’s a walking contradiction, partly truth and partly fiction“, singt Kris Kristofferson in dem Song, den Betsy für Travis Bickles Song hält. Aber aus dem Fernseher mit tanzenden Paaren im „American Bandstand“ in Bickles Wohnung tönt Jackson Brownes „Late For The Sky“, und das ist der merkwürdigste Moment des Films. Es ist eine kalifornische, eine melancholische und träumerische Musik, sie hat nichts mit New York zu tun. Jackson Brownes Lied ist Travis Bickles Depression. Es ist seine Sehnsucht.

Und dann fährt Bickle zu dem Stundenhotel mit all den Zimmern, in denen Sünde ist und Unrat, und niemand kann ihn aufhalten, und er hört nicht auf zu schießen, bis er überwältigt wird. Er ist Gottes einsamster Mann für Paul Schrader, so wie George C. Scott später, in „Hardcore“, Gottes einsamster Mann ist. Es gibt keine Erlösung, und Gott zeigt sich nicht, sagt Schrader und sagt Scorsese, deshalb gibt es den Amok.

Und der wichtigste Film der 70er-Jahre bekam dann keinen Oscar.

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