Tagebuch aus tausend Deja-vus
Ein Album mit Klavierstücken weist den Produzenten Mitchell Froom als lernbegierigen Musiker aus - mit etwas Hilfe von Randy Newman
Immer wenn Mitchell Froom mit diesem Reporter redet, ist er eigentlich gar nicht in eigener Sache unterwegs. Das war vor gut sechs Jahren so, damals tourte der Kalifornier in der Band seiner Ex-Ehefrau Suzanne Vega. Das ist heute nicht anders, da die aktuelle Gefährtin Vonda Shephard heißt Aber darüber möchte Froom nicht reden.
Kam sein letztes Album, „Dopamine“, 1998 eher als krause Resteverwertung seiner damals aktuellen Produktionstätigkeit mit entsprechender Gästeliste daher, so verblüfft Mitchell Froom auf dem introspektiv-surrealen Instrumentalwerk „A Thousand Days“ ganz allein am Klavier. Schon seit „vier, fünf Jahren“ habe er daran gearbeitet, an dieser „Form von Piano-Musik, die reflektiert, was ich an Musik mag, die mir etwas bedeutet“. Schon ein Blick aufs Cover, auf diese alten, abgenutzten Tasten, legt nahe, dass es hier kaum um Klassik geht,,Für mich ist es Folk-Musik“, sagt Froom. „Bescheiden und einfach. Ich wollte eher wie ein Singer/-Songwriter klingen, der auf seiner Gitarre spielt, nicht wie ein Komponist Ich musste zwar viel üben, um es so gut hinzukriegen. Aber ein 13-jähriger Piano-Schüler, der sich die Noten kauft, sollte keine Probleme damit haben.“ Half ihm nichts mehr, „als ich ein paar Mal feststeckte“, half Freund Randy Newman aus, wofür ihm Froom „sehr dankbar“ ist Trotzdem: Ein verdammt einsamer Job für einen Mann, der doch eigentlich Kollaborationen mag. Und deshalb eine solche auch noch für „A Thousand Days“ gedeihen ließ, nachdem die Musik schon im Kasten war. Auftritt: Louie Perez. Der stand Froom ja schon bei den Latin Playboys zur Seite, die demnächst wohl ein Live-Album ihrer einzigen Tour veröffentlichen werden. Hier durfte der Los Lobos-Chefphilosoph die Stücke betiteln und das Artwork machen. „Ich sagte ihm: Egal, was rauskommt, ich will das nicht mal mehr kommentieren. Das war eine große Erleichterung für mich, auch wenn’s viele Leute für einen Witz hielten. Was? Du willst deine eigenen Stücke nicht betiteln? Aber ich hielt das / für interessanter. So wird dokumentiert, wie meine Musik seine Fantasie angeregt hat Louie war mein erster Interpret, und für ihn klang die Musik eben wie ein Tagebuch.“
Frooms Karriere als Produzent hat vor zwei Jahren eine entscheidende Zäsur erfahren, als sein langjähriger Studiopartner Tchad Blake der Familie wegen nach London übersiedelte. „Anfangs fühlte ich mich schon ein wenig verloren ohne ihn“, konzediert Froom. Inzwischen ist mit David Boucher ein neuer Techniker des Vertrauens gefunden, dem es zumindest nicht an Enthusiasmus mangelt Den war Froom zuweilen drauf und dran einzubüßen, ob der aktuellen Entwicklung. „Es ist heute viel schwerer geworden, kontinuierlich mit einer Band zu arbeiten“, sagt er, „denn die meisten Bands fliegen ja heute schon nach einem Album wieder raus.“ Und wenn nicht, muss – siehe Phantom Planet – gleich ein größerer Name her. „Dann heißt’s: Okay, bis hierhin hat er’s geschafft, und jetzt wollen wir den richtigen Durchbruch.“
Auf die (Budget-)Krise der Industrie hat Froom längst auch mit einem edlen Heimstudio reagiert Mit dem Songwriter Daniel Powter und dem swingenden Damen-Duo The Ditty Bops hat er in diesem Herbst zwei Newcomer am Start. Und mit „Everyone Is Here“ von den Finn Brothers Neil und Tim das neue Werk alter Freunde, mit denen (fast) alles begann, damals mit Crowded House. „Als sie in L.A. waren, bot ich an, hier und da Keyboards zu spielen. Aber dann wurden aus ein paar Tagen sechs Wochen.“ Froom lacht kurz auf. „Ich hab einfach versucht, die Ideen zu festigen, die sie schon hatten. Und dann war auch noch Bob Clearmoutain als Mixer dabei. Ein großes Deja-vu!