Tag 1 beim Hurricane 2022: Dirty Dancing mit The Killers, Seeed, SDP und mehr
Schön und staubig – der Freitag beim Hurricane Festival 2022 liegt hinter uns – unsere Eindrücke hier.
Es hat wochenlang nicht richtig geregnet und auch dieses Wochenende wird sich das wohl nicht ändern. Ganz im Gegenteil: Das Hurricane 2022 findet während der Hitzewelle statt, die Deutschland mit bis zu knapp 40 Grad umhaut. Auf dem Acker in Scheeßel ist es zum Glück noch nicht brütend heiß, sondern etwas bedeckt bei muckeligen 25 Grad, als mit The Dead South, Inhaler, Wargasm, Goat Girl und natürlich dem Hurricane Swim Team das Wochenende eingeläutet wird. Dennoch staubt es bei der Anreise schon ordentlich, was später für einen ganz besonderen Festival-Style sorgen wird.
Neues beim Hurricane Festival 2022
Die ersten Erkundungsrunden, die später zu schwedischem Punkrock von Millencolin und dem schaukeligem Indie-Sound von Giant Rooks gedreht werden, halten auch für Alteingesessene einige Überraschungen bereit. So wurde das Infield 2022 noch erweitert. Die Zeltbühne, die sonst gleich hinter der grünen Forest Stage zu finden war, ist nun über den Wall des Eichenrings auf die gegenüberliegende Freifläche gezogen – auf der nun freien Fläche gibt es weitere Food-Stände für Fans von Pommes Pervers, Thai-Wok und Spätzle. Und auch der Haupteingang hat sich weiter Richtung Campingplatz verschoben. So können nun täglich 78.000 Besucher über das Gelände des Hurricane spazieren – ein neuer Rekord.
Voguing vs. Moshpit
Und die erwartet ein abwechslungsreiches Kontrastprogramm: Charli XCX liefert gemeinsam mit zwei Tänzern eine durchchoreografierte Performance inklusive beeindruckender Voguing-Parts – mit ziemlich großer Wahrscheinlichkeit ein Novum für das Hurricane. Dass sie eine echte „Nineties Bitch“ ist, beweist die „I Love It“-Feature-Interpretin dann auch mit einem umjubelten Cover vom Spice-Girls-Hit „Wannabe“. Gleich nebenan steigen offenbar Rauchschwaden gen Himmel. Bei genauerer Betrachtung wird jedoch klar: Ein irrer Moshpit wirbelt bei While She Sleeps gehörig Ackerstaub auf. Gelegentlich kämpfen sich Einzelne aus der Menschenmenge heraus, um Wasser zu tanken. Sie werden den Rest des Abends völlig vermoddert mit schwarzer Schweiß- und Schmutzpatina zwischen den Bühnen wandeln. Aber ganz sauber bleibt hier heute sowieso keiner.
„Viva la vida“: Mallorca-Momente und Stadionrock
Denn auch bei der „bekanntesten unbekannten Band der Welt“ wird getanzt und Staub aufgewirbelt: SDP befeuern die „Klug war’s nicht, aber geil“-Mentalität der Zuschauer, die beim Hurricane nach zwei Jahren Zwangspause endlich mal wieder die Sau rauslassen wollen. Nur heißt es hier: „Scheiße baut sich nicht von alleine“. Ein bisschen Ballermann-Feeling hat ja zu Stimmungszwecken noch niemandem geschadet. Zudem ein Ärzte-Cover von „Schrei nach Liebe“, mit dem das Duo aus Berlin Spandau auch den vielleicht besten Live-Schnackern auf diesem Planeten huldigen.
The Killers: „Wir sind am Leben!“
Professioneller Stadionrock dagegen ein paar hundert Meter weiter: The Killers verlieren keine Zeit und überraschen sogleich mit „Mr. Brightside“. Der Opener ihres 75-minütigen Sets erwischt einige Fans, die noch schnell ein Bier besorgen wollten, eiskalt. Mission abbrechen, tanzen – jetzt! Sollte jemand Brandon Flowers nicht auf der Bühne ausmachen können: Er gibt sich mit einer überdimensionalen Blume am Revers seines Samtsakkos zu erkennen. „Wir sind am Leben!“, jubelt der Sänger in auswendig gelerntem Deutsch und freut sich: „Das ist ein Superspreader-Event!“ Möchte man das gerade hören, während man eng beieinander tanzt? Doch Flowers relativiert schnell: „Wir spreaden Peace, Love and Rock’n’Roll!“ Gut, das nehmen wir gern.
Seeed fragen mal beim Publikum nach: Wer ist heute mit ihnen um 12.30 Uhr durch die norddeutsche Tiefebene Regionalzug gefahren? Scheint eine unterhaltsame Fahrt gewesen zu sein. Haben wir da etwa was verpasst? Mit „Augenbling“ nimmt dann auch ihr Set so richtig an Fahrt auf. Die Band, die 2019 als erste Headliner bekannt gegeben wurden, haben ihr Versprechen gehalten und bringen nun trotz zweijähriger Verspätung die Forest Stage mit Dancehall und Reggae zum Beben. „Wonderful Life“, das ist es tatsächlich, an diesem lauen Sommerabend, der mit Ibiza-Vibes und viel Brimborium und Pyro von Martin Garrix endet. Das Hurricane ist zurück – größer und besser denn je.