Sympathien für Extreme
Mit "„Pink Moon" entfernt sich Frank Goosen vom Kabarettistischen
Frank Goosen stand vor seinem CD-Regal und wartete darauf, daß ihn etwas anspringt. In der Sektion „D“ tat sich schließlich etwas. Nein, Deep Purple waren es nicht. Sondern: Nick Drake. Goosens neues Buch heißt jetzt also „Pink Moon“ (Eichborn Verlag). Er mag „der einzige Romanschreiber, der auch noch als Komiker tingelt“ sein, aber es paßt dennoch zu ihm, daß er sich ausgerechnet ein Stück des sensiblen Frühverstorbenen als Romantitel ausgesucht hat: „Teile meiner Persönlichkeit haben diesen Hang zu etwas dunklerer Musik, und mit dem Alter kann ich laute Musik gar nicht mehr ertragen.“
Frank Goosen ist 39 Jahre alt. Als sein Debüt „Liegen lernen“ erschien, war er noch vier Jahre jünger, seitdem hat er zwei Söhne bekommen, da kann man schon mal milder werden. Seinem Stil tut das nur gut. Eineinhalb Jahre hat der Bochumer an „Pink Moon“ gearbeitet. Die ersten 140 Seiten, die er schrieb, wurden prompt wieder verworfen, einige Abläufe und Personen geändert. Er findet es in Ordnung, daß so viele Stunden Arbeit in den Orkus gehen, solange ein paar Ideen hängenbleiben. „Ich muß unheimlich viel hinschreiben, das ist eben so. Der Ton paßte mir nicht richtig, er war damals noch flapsiger. Bei diesem Buch habe ich zum ersten Mal gemerkt, daß ich mein kabarettistisches Schreiben und das Schreiben von Romanen stärker trennen muß. Diesmal habe ich komplett auf kabarettistische Szenen verzichtet, was dem Buch sehr gut getan hat.“ Tatsächlich ist dies ein fast ganz ernster Roman über einen antriebslosen jungen Mann, der ein Restaurant (namens „Pink Moon“) besitzt, aber nicht die Fähigkeit, sein Leben in den Griff zu kriegen. Seine Mutter ist gerade gestorben, dafür taucht der vermeintliche Vater plötzlich auf.
Zuerst hatte Goosen nur den ersten Satz des Buchs: „Ich sah meinen Vater erstmals neunzehn Jahre nach seinem Tod.“ Was es damit auf sich hat, soll hier nicht verraten werden, aber: Es gibt über dieses schwierige Schicksal hinaus noch eine Fülle an skurrilen Nebenschauplätzen und Figuren, die allein schon das Lesen lohnt. Der durchgedrehte Nachbar Renz. der komische Jugendfreund Flieger — Goosen mag sie alle, das merkt man. „Ich habe gewisse Sympathien für solche Leute, solange ich nicht so sein muß. Diese Mischung aus Depression und Unverschämtheit kenne ich gut. ich habe oft mit solchen Leuten, solchen Borderlinern zu tun gehabt.“
Gerade weil er selbst nie so war, interessierte er sich immer besonders für die eher extremen Charaktere. Er liebt den schwierigen Lennon, weil er der nette McCartney-Typ ist. Er schätzt Kurt Cobain. „auch wenn der
für mich zehn Jahre zu spät kam“ – und „obwohl ich es wahrscheinlich mit solchen Typen keine zehn Minuten in einem Raum aushalten würde, weil ich es unerträglich finde, wenn jemand noch mehr Aufmerksamkeit fordert und bekommt als ich!“
Frank Goosen war lange Zeit sehr verwöhnt. Seine erfolgreiche Kleinkunstkarriere ist schuld. Als eine Hälfte des Kabarett-Duos Tresenlesen bekam er nach eigenen Angaben in acht Jahren, bei ungefähr 1000 Auftritten nur zwei schlechte Kritiken. „Im Ruhrgebiet waren wir weltberühmt“, erinnert er sich — und entsprechend schlecht war er gewappnet, als nach „Liegen lernen“, zum Nachfolger „Pokorny lacht“ plötzlich auch negative Stimmen laut wurden. Auf einmal wurden Autorenfotos kritisiert, er wurde mit Frauenliteratur in einen Topf geworfen, aus Home-Stories worden blöde Stories.
Vom Schreiben ließ sich Goosen dadurch nicht abhalten. Im Gegenteil, inzwischen hat seine Arbeit sogar einen „regelmäßigeren Charakter – vor allem durch familiäre Verpflichtungen“. Soll heißen: Geht nur vormittags, wenn die Lütten im Kindergarten sind. Aber dann muß es auch gehen. Bevor er anfängt, selbst zu schreiben, beschäftigt sich der Autor meist erst einmal mit anderen Büchern. „Ich muß lesen. Ich brauche manchmal diesen Input, um angekurbelt zu werden. Ich bin kein intellektueller Leser, mir geht es eher um den Sound, den Ton, den ein Buch anschlägt.“
Frank Goosen schlägt in „Pink Moon“ zartere Töne an, und das steht ihm gut. Gelacht werden darf trotzdem noch genug, vor allem die Hörbuch-Fassung (tacheles/Indigo) ist dafür bestens geeignet. Fünf Stunden lang liest Goosen, mit viel Musik dazwischen: Juliano Rossi, der in einem früheren Leben Oliver Perau hieß und bei Terry Hoax sang, liefert entspannten Swing. Mit ihm verstand sich der VfL-Bochum-Verehrer sofort. Perau kommt nämlich aus einer Fußballerfamilie, und auch humoristisch liegen die beiden auf einer Wellenlänge. Da kann bei der geplanten gemeinsamen Lesereise im Herbst nicht viel schiefgehen. Alle Termine sind unter www.roofmusic.de zu finden.