Sven Regener: „Machen wir uns mal alle locker“
Popkulturelle Relevanz? Erfolge im Ausland? Ganz egal, befindet Sven Regener von Element Of Crime. Tokio Hotel? Toll! Schlager? Der einzig genuine deutsche Pop! Alles geht, und das ist gut so. Regener bleibt und keine Flatrate-Debatte, kein Ghetto-Tech und keinen Gendergelassen - nur beim Thema "Musik-Piraterie" nicht.
Nach dem literarischen Massenerfolg seiner „Herr Lehmann“-Trilogie ist Sven Regener zurückgekehrt an den heimischen Herd: Mit Element Of Crime veröffentlichte er unlängst „Immer da wo du bist bin ich nie“, das zwölfte Studioalbum in 24 Jahren. Ein knappes Vierteljahrhundert, in dem Regener als ausführender Künstler und kritischer Zeitgenosse die Entwicklung deutscher Musik und auch die Debatten um ihre Qualität begleitet hat. Darüber sprachen wir mit ihm über den Dächern von Hamburg, genauer, auf der Dachterrasse des Hotels „The George“ mit furiosem Blick über die Außenalster. Regeners Fazit: Vieles ist nicht gut dieser Tage, aber gleichzeitig spannend in der Entwicklung.
Sven, wenn man in eurer Situation eine neue Platte macht, verschwendet man da noch irgendeinen Gedanken an eine mögliche popkulturelle Relevanz? Weißt du, ich glaube, ich habe überhaupt noch nie einen Gedanken an eine popkulturelle Relevanz verschwendet, weil das als Künstler ja nicht unsere Aufgabe ist. Das kann man in Ruhe die anderen entscheiden lassen. Man müsste darüber so lange nachdenken, was das bedeutet und wie man das erreichen kann und ob man es überhaupt erreichen könnte, dass man es auch gleich bleiben lassen kann. Wir schreiben Songs, nehmen sie auf, bringen sie raus und hoffen, dass die Leute sie mögen.
Dann war es für euch also auch ein überraschendes Nebenprodukt, dass Element Of Crime immer wieder mal als wichtiger deutscher Pop-Act wahrgenommen wurden?
Ich weiß nicht mal, ob ich das überhaupt bemerkt habe. Das ist im Grunde genommen eine andere, eine wissenschaftliche Diskussion. Ich bin sehr dafür, so was zu trennen, wir haben da andere Kategorien.
Zum Beispiel?
Wir sagen: „Gut gelaufen“. Die Songs sind gut, die Platte ist gut gelaufen, die Tour wird gut. Wir sind Rockmusiker, und man kann nicht auf beiden Seiten vom Tresen stehen, das geht nicht. Entweder dahinter oder davor, und letztendlich sind wir dahinter – oder?
Ich habe beim Hören eurer Musik, gerade auch der aktuellen, aber doch das Gefühl, dass es eine bewusste Abwendung von dem ist, was „man“ so macht.
Nö. Wir verfolgen halt unsere Bahn und tun das, was wir können. Wir können nicht anders, alles andere bringt ja nichts. Es wäre auch ein niederer Beweggrund, eine Platte zu machen gegen etwas Anderes, nur um es anders zu machen. Es ist ja kein Wert an sich, wenn etwas „nicht ist“. Nicht doof, nicht peinlich, nicht so wie die anderen und so weiter. Das sind ja alles nur negative Seiten.
Man kann es ja auch positiv ausdrücken und sagen, man sei auf der Suche nach künstlerischer Individualität.
Nein, das ist an sich auch noch kein Wert. Wichtig ist, dass man als Künstler eine eigene Identität hat. Wenn man die nämlich hat, braucht man sich darüber gar keine Gedanken zu machen.
Wie kriegt man die denn?
Weiß ich auch nicht, da muss man sich eben auf die Suche machen. Oder einfach postulieren, dass es so ist, reicht oft auch schon.
Mich würde trotzdem interessieren, ob ihr überrascht seid, dass es euch immer wieder gelungen ist, Dinge auszusprechen, die zu der jeweiligen Zeit die Jugend bewegt haben.
Vielleicht ist es einfach nur wichtig, dass man lange genug dabei bleibt – und irgendwann hat sich das Karussell dann dahin gedreht. Ich denke auch, dass man die Reihenfolge nicht verwechseln darf. Wir sind die Handelnden; wir agieren und die anderen reagieren. Die Beobachtung von Kultur kann natürlich nur aus der Position des Beobachtenden stattfinden, das heißt: als Reaktion. Aber wir machen eben, was wir für richtig halten, so arrogant das klingen mag. Ich setze es einfach nur hin.
Auch nur zu reagieren könnte ja auch mal Spaß machen, oder?
Du darfst nicht vergessen, dass man einfach zu sehr mit der Kunst beschäftigt ist. Da bleibt zwischendurch gar keine Zeit, sich mit irgendeinem Masterplan zu beschäftigen, wie man denn nun am besten auf die Außenwelt reagiert. Viele Sachen sind für uns viel interessanter.
Zum Beispiel?
Zu sehen, was passiert, wenn es immer weniger Geld gibt und immer weniger Geld für Musik ausgegeben wird. Was bedeutet das für die Musiker? Das ist kein besonders schöner Ausblick: Musik wird in Zukunft werbefinanziert sein. Junge Musiker sind da vermutlich weniger empfindlich, die kennen es nicht anders und sagen sich halt „ist eben so“. Aber wir für uns haben beschlossen, dass wir keine Werbung wollen. Dennoch ist es nachvollziehbar: Bevor man seine Musik gar nicht machen kann, steigt man eben in so einen Jägermeister-Bus ein. Das ist ein echter Bewusstseinswandel, der da stattfindet, das finde ich eigentlich einen sehr interessanten Prozess. Das kann man mit Element Of Crime nicht machen. Genauso wenig wie Politik, auch wenn das oft versucht wurde.
Interessant ist hier jetzt eher negativ gemeint?
Die müssen sich ja alles gefallen lassen, das ist für mich das Schlimmste.
Wir haben hier in Deutschland den weltweit drittgrößten Musikmarkt. Können wir zufrieden sein mit unseren fünf, sechs letzten Jahrzehnten Popkultur? Vor allem, was den Export dieser Musik angeht?
Was sich nicht exportieren lässt, lässt sich eben nicht exportieren, ist doch wurscht.
Nörgler werden da einwenden, dass das ein ziemliches Armutszeugnis ist.
Das hat mit der Geschichte zu tun. Die deutsche Musik musste nach dem Krieg ja wieder aufholen. Es war alles zerschlagen, nichts war mehr möglich, außer Humptata und Tätärätä. Da war einfach Nachholbedarf.
Naja, aber es gab ja eine Marlene und eine Hilde Knef…
Ja gut, aber die hat sich ja auch gleich als Person nach Hollywood exportiert, darüber ging’s dann. Die Welt außerhalb Deutschlands braucht auch deshalb keine deutsche Rockmusik, weil da einfach diese Sprachbarriere ist. Was soll ich denn in Seattle in einem Club stehen vor Leuten, die alle nicht verstehen, was ich singe? Obwohl: Die jungen Tokio-Hotel-Fans singen überall auf der Welt deutsche Texte.
Warum funktioniert das jetzt auf einmal?
Ganz einfach: Weil die toll sind. Und zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Die haben ja auch in Deutschland funktioniert. Und darum geht es. Das ist’s ja auch, was ich meine: Ist doch scheißegal, wie viel Deutschland exportiert. Entweder es passiert oder nicht. Ich mag diese Idee von der Kulturnation nicht so wirklich. Deshalb halte ich es auch nicht für so wichtig, dass eine deutsche Kultur nach außen transportiert wird. Ich finde auch den Kulturchauvinismus, der sich in den Exportbüros der Franzosen ausdrückt, richtig unangenehm. Ich weiß nicht, was das soll – eine Kultur, die so was braucht, ist doch schon tot.
Hatte euer eigener Wechsel von englischen zu deutschen Texten damit zu tun, dass ihr beschlossen hattet, in Deutschland zu bleiben?
Nein, das kann man so nicht sagen. Wenn wir jetzt viel im Ausland unterwegs gewesen wären, wäre es vielleicht nicht dazu gekommen, aber ausschlaggebend war, dass die Lieder sich den Leuten auf Englisch nicht richtig erschlossen hatten. Und dann auf Deutsch haben sie plötzlich kapiert, worum es geht. Auf „The Ballad Of Jimmy & Johnny“ war ein deutsches Lied drauf, und wir haben gemerkt, wie das aufgenommen wurde, was da plötzlich passiert ist. Es war aber trotzdem noch Element Of Crime, und es war deshalb okay.
Hat sich an der Selbstwahrnehmung der Band dadurch etwas geändert?
Zunächst wurde man nicht mehr mit der Frage „Warum macht ihr englische Texte?“ genervt, und die ganzen absurden und bizarren Sachen, die man da in den Texten machte, wurden nicht mehr darauf zurückgeführt, dass man die Fremdsprache nicht richtig beherrsche. Es konnte einem keiner mehr blöd kommen.
Irgendwann machte die Presse dann ein großes Ding daraus und behauptete, dass ihr eine Vorreiterrolle gespielt habt, was die Texte in der deutschen Indie-Landschaft anging. Beispiel: Hamburger Schule.
Glaube ich nicht, weil die sich etwa zeitgleich gegründet haben, als wir unsere erste deutsche Platte rausbrachten. Uns wurde damals sogar vorgeworfen, dass wir uns da einem Trend angehängt hätten. Wenn überhaupt, war ja Bernd Begemanns Die Antwort die Band, die auch in der zweiten Hälfte der Achtziger ehrlich und wacker deutsche Texte machte. Es gab damals dieses Streitgespräch zwischen Bernd Begemann und Phillip Boa über englische und deutsche Texte und was besser ist. Ein Streitgespräch, das ich gar nicht geführt hätte, weil ich gesagt hätte: der eine so, der andere so.
Was hältst du davon, dass heute immer mehr deutsche Künstler deutsch singen?
Das ist völlig normal. Letztlich geht es immer darum, dass man sich all die verschiedenen Bereiche der Popmusik erst einmal erarbeiten und erobern muss. Das war mit dem Hip-Hop ja auch so: Noch zu NDW-Zeiten hat man versucht, so eine Art deutsche Rapmusik zu machen, aber es hat nicht funktioniert. Und dann hat man es Anfang der neunziger Jahre noch einmal getan. Da hat’s plötzlich funktioniert, und es kam zum deutschen HipHop, was schon beachtlich ist. Ich denke, was Popmusik angeht, ist Deutschland schon etwas spät dran gewesen.
Ist heute die Entstehung einer kreativen Zelle, so wie man es damals mit der Hamburger Schule erlebt hat, noch vorstellbar in Deutschland? Ein Ort, an dem etwas echt Neues entsteht?
Etwas wirklich ganz Neues, nie Dagewesenes in dem Sinne gibt es doch gar nicht. Es geht heute eher ums Vermischen oder darum, etwas zu tun, was sich bisher noch keiner getraut hat. Viele junge Menschen sind da viel frecher – die machen Sachen einfach, vor denen wir mehr Respekt gehabt hätten; und so dreht sich das ganze Ding eben immer weiter. Und die Hamburger Schule als Phänomen: So was kann jederzeit und überall passieren. Außerdem darf man eins nicht vergessen: Die Hamburger Schule gibt’s ja eigentlich nicht. Das war doch so ein Prozess: Erst fing es an und alle wollten dabei sein; und kaum war das sozusagen sprichwörtlich, wollte wieder keiner dazugehören. Wenn du heute die ganzen Künstler und Protagonisten von damals fragst, ob sie sich als Band der Hamburger Schule sehen, sagen sie alle „nein“.
Eine andere deutsche Schule, die in den frühen Neunzigern sogar international von Bedeutung war, war die Technoszene aus Berlin und Frankfurt. Hast du dich je dafür interessiert?
Ja, natürlich. Du darfst nicht vergessen, dass wir viele der Protagonisten dieser Szene sehr gut kennen. Ich habe mit Dr. Motte in einer Band gespielt, der war da der Sänger. Wir kennen das ja nur so, dass es was ist, was irgendwann entstanden ist – vorher gab es immer nur Rock und Pop, und dann ging das irgendwann los. Nur die ganz naiven Gestalten haben damals gedacht, dass sich das gegenseitig völlig ausschließt. Nicht umsonst haben die Raver irgendwann Begriffe wie „Das rockt!“ benutzt, weil die elektronische Musik mit der Rockmusik im Grunde natürlich immer geliebäugelt hatte. Ich muss aber auch sagen, dass die Raver in ihrer großen Zeit die besseren Rocker waren. Da war richtig Stimmung in der Bude. Bei der Mayday in der Urban Lounge hat man gesehen, wo der Rock’n’Roll zu Hause ist, der war nämlich nicht bei den Müsli essenden, veganen Rockmusikern, sondern bei den Technoleuten.
Heute ist oft eher weniger Rock’n’Roll bei jungen Musikern; viele neue Popmusik tendiert eher in Richtung Schlager, nur jugendgerecht verpackt…
Ich sag dir mal was: Der Schlager ist unsere einzig genuine deutsche Popmusik.
Was ist mit den Liedermachern?
Das sind doch alles nur Konstruktionen, die versuchen, was zu umkreisen, was man schwer beschreiben kann.
Gibt es noch Künstler, die in der Tradition der Liedermacher stehen? Wertvolles deutsches Liedgut, das nicht verschlagen und gleichzeitig nicht Indierock ist?
Weiß ich nicht. Georgette D. vielleicht? Es geht wahrscheinlich alles gleichzeitig, das ist ja auch immer eine Sache der Wahrnehmung. Und was ist mit Andrea Berg, die macht doch auch Schlager und verkauft Platten wie geschnitten Brot, wo ist denn das Problem? Roland Kaiser ist auf Tour – ich meine, machen wir uns alle mal locker, die sind ja alle noch unter uns. Nur Alexandra ist tot, die meiner Meinung nach die Beste war. Wenn du Schlager wirst du ihn finden, aber wenn du ihn nicht willst, dann regt ihn das nicht auf. Die Zeit ist vorbei, in der es eine Form der Popmusik gab, die alle machten.
Hat das Schreiben über den deutschen Pop denselbigen in irgendeiner Weise vorangetrieben?
Schwer zu sagen. Ich würde sagen, das ist ganz viel Sturm im Wasserglas bis auf einige ganz wenige Winkel, die da geblieben sind. Begriffe wie Hamburger Schule und Neue Deutsche Welle sind solche Konstrukte.
Das sind Labels, aber beeinflussen sie die Musik auch?
Ich nehme an, dass es Musiker gibt, die sich davon beeinflussen lassen, weil sie davon überzeugt sind, dass das wichtig ist. Bringt einen dann allerdings in eine gewisse Abhängigkeit von diesen Sachen, und nichts ist so kalt wie der heiße Scheiß von gestern. Und es gibt Musiker, denen das scheißegal ist.
Ist so eine Scheißegal-Haltung, auch wenn sie naturgegeben ist, nicht auch anstrengend?
Nö. Wieso?
Direkt am Beispiel, wo wir beim Pop sind: Da schreibst du einen „Herr Lehmann“, und dann wird das Popkultur. Das war ja mit Sicherheit nicht beabsichtigt. Und dann muss man mil dem Folgeroman ein Stück weit dagegen anschreiben.
Wieso sollte man das tun?
Ich hatte den Eindruck, dass „Neue Vahr Süd“ mit seiner episch breiten Erzählstruktur allzuviel Pop und Leichtigkeit zu meiden sucht.
Nein, das war ein neuer Versuch zu schreiben. Mir war klar, wenn ein Buch von diesen drei richtig erfolgreich sein kann, dann wird das wohl „Herr Lehmann“ sein, das ich als erstes geschrieben hatte. Auf diese Weise war der Boden dafür geebnet, dass von so einer Schwarte wie „Neue Vahr Süd“ überhaupt eine halbe Million Bücher verkauft werden. Das muss man mal so rum sehen, das war eine der wenigen gelungenen Timing-Geschichten.
Hand aufs Herz, das ist doch selbst für einen so unaufgeregten Bremer wie dich eine gute Bestätigung, wenn man sieht, dass der Debütroman aus dem stillen Kämmerlein heraus so ein breitenwirksamer Abräumer wird, oder?
Ja, aber hätte auch anders kommen können und das wäre dann auch okay gewesen. Das Buch wäre ja nicht schlechter geworden, wenn ich nur 20.000 verkauft hätte. Wäre bloß schlecht für das nächste gewesen. Wir sind so lange schon in der Kulturindustrie unterwegs, dass wir genau wissen, dass alles passieren kann – aber auch gar nichts.
Hat man also überhaupt noch irgendwelche Erwartungen an Neuveröffentlichunqen?
Selbstverständlich: Alles, was möglich ist! Bloß: Man darf das nicht so persönlich nehmen. Ich mag auch Menschen, die selbst bis heute noch immer keine Element-Of-Crime-Platte im Schrank haben. Aber wenigstens sollten sie sie auf der Festplatte haben, und zwar einzeln bezahlt! (lacht) Wir als Musiker haben alles getan, was in unserer Macht steht, sobald die Platte da ist. Der Rest liegt nicht in unserer Hand. Was umgekehrt bedeutet: Sich niemals zu viel darauf einzubilden, wenn es mal gut läuft. Das ist auch Zufall und hat nicht nur mit der Qualität zu tun.
Hat der typische Element-Of-Crime-Fan die Transformation der Musik von der Platte zur Festplatte überhaupt mitgemacht? Gibt es so eine Art Generationsbruch in eurem Fankreis?
Nein, gar nicht. Es brechen uns eher die Alten weg als die Jungen. Die in den vorderen Reihen scheinen tatsächlich immer jünger zu werden. War auch nicht zu erwarten. Ab einem bestimmten Alter gehen Menschen offenbar einfach nicht mehr auf Konzerte, selbst wenn sie sich noch für Musik interessieren.
Ab welchem Alter konkret?
So ab 35. Offenbar haben sich ab diesem Alter die Lebensmittelpunkte zu sehr verschoben, als dass Livemusik noch eine Rolle spielen würde.
Gilt das auch für die Akteure auf der Bühne, in dem Fall dich?
Nö. Das Schöne ist: Die Frage kannst du dir alleine beantworten. In dem Moment, wo du „Ja“ sagst, ist es Zeit, aufzuhören. Lautet die Antwort „Nein“, machst du eben weiter, weil es ja Spaß macht. Wir haben nie die Ansicht gehabt, das alles so lange zu machen. Wir haben aber auch nicht gesagt: Irgendwann muss Schluss sein.
Den Gedanken weiter gedacht: Haben Tokio Hotel in der mittlerweile nachhaltig veränderten Musik- und Medienlandschaft überhaupt noch eine Chance, in 25 Jahren so eine wichtige Rolle zu spielen wie ihr das heute immer noch tut?
Das ist doch egal, oder? Ich kann nur eins sagen: Wenn es nicht gelingt, irgendeine Form von Eigentumsrecht an Songs und Aufnahmen durchzusetzen, dann wird das alles verschwinden. Und zwar mit Mann und Maus und Sack und Pack. Das kann man bedauern oder lustig oder praktisch finden, dass es alles umsonst gibt. Aber wenn der Vogel nichts mehr zu essen kriegt, dann singt er nicht mehr. Fertig. Das Sein bestimmt das Bewusstsein – das sollten sich mal alle auf die Fahnen schreiben, die sich derzeit in ihrer Internet-Piraten-Rolle so super gefallen. Dann gibt’s eben irgendwann keine neue Musik mehr. Das ist die ganze Wahrheit.
Braucht es die denn überhaupt noch, wo das meiste eh Aufguss und Substrat von Bestehendem ist?
Man wird sie vermissen, das prophezeie ich. Ich beneide eine junge Generation nicht darum, wenn sie irgendwann Phil Collins hören muss, weil es nichts Neues für sie mehr gibt. Und dazu könnte es kommen – selbst ein Unterhaltungsriese wie die EMI hat sich doch mittlerweile völlig aufgegeben. Natürlich hast du Recht: Es werden heute auch kaum noch Opern geschrieben. Aber ich denke, wenn der Pop nach und nach völlig verschwindet, würde er in der Kulturgesellschaft schon vermisst werden. All das hat für mich keine gute Seite. Es hat einfach keine. Die soll mir erst mal jemand zeigen.