Summers‘ Synästhesien
Der schöngeistige Gitarrist hat sich wieder dem Jazz zugewandt und sucht nun nach sinnlichen Eindrücken als Inspiration für seine Musik.
Andy Summers verdreht die Augen. „Na schön“, sagt er in den Hörer, „dann sollen sie eben was von Jiini Hendrix nehmen. Oder Cream… ach, ich weiß es doch auch nicht. Entscheide Du. Wenn Du’s richtig findest, mach ich mit.“ Am anderen Ende ist sein Promoter; es geht um ein TV-Interview, bei dem sich Summers Musikstücke anhören und Geschichten dazu erzählen soll. Eines der Spielchen eben, die sich Journalisten so ausdenken, wenn’s um einen Musiker geht, der fraglos legendär genug ist, um das Programm zu schmücken, aber leider keine Playlist-taugliche Musik mehr macht Dann muß halt wieder die Vergangenheit bemüht werden.
Dabei hat der 54jährige Summers sein bislang bestes Album im Gepäck, ein eklektisches Prachtstück mit rabiaten Feedback-Soli neben klassischer Gitarre, fernöstlichen Idyllen neben serieller Klaviermusik; Thelonious Monk trifft Nirvana in New Orleans, Jazz und Rock kommen zusammen, ohne daß unseliger Jazz-Rock daraus würde – kurzum: Wer seine stellenweise gefahrlich gefalligen Platten der letzten Jahre kennt, hat so viel Direktheit und Frische wohl kaum erwartet. Summers weiß das auch: „Nach ,World Gone Strange‘ (von 1991) war mir klar, ich muß mich ändern. Mein Produzent damals hieß immerhin Mike Manieri, aber selbst der wollte, daß die Platte in die amerikanischen Radioformate paßte, ,Light Jazz‘ oder so; Kenny G. und all dieser Scheißdreck, wirklich nicht mein Ding. Nicht, daß die neue Platte nun besser verkaufen würde, aber sie ist ehrlicher, sie entspricht mir endlich wieder.“ Entsprechend wählte Summers auch die Musiker aus – keine abgebrühten Session-Mucker diesmal, sondern Persönlichkeiten wie Ginger Baker: „Ginger fragt nicht, was du dir vorgestellt hast, der spielt einfach das, was er für richtig hält und damit bist du dann eher einverstanden, haha. Und warum auch nicht? Es hat prima funktioniert.“ Konzeptkopf, der er nun einmal ist, hat Summers auch ein beziehungsreiches Thema gewählt: Die CD heißt „Synaesthesia“, und Synästhesic ist, wir wir selbstredend alle wissen, nachdem wir flugs im Lexikon nachgeschaut haben, die „Vermischung von Sinnesbereichen“; die „Miterregung eines Sinnesorgans, wenn ein anderes gereizt wird“. -Macht also Sinn, der CD-Titel.
Genau: Denn das Auge ißt mit, und Rock-Konzerte kommen besser mit Light-Show. Überhaupt: Wer hört schon Musik als puren Klang; die Filme im Kopf gehören dazu. Für Summers ist das Thema alt. „In einer meiner ersten Bands traten wir, weißgekleidet mit weißen Instrumenten, vor einer weißen Leinwand auf und projizierten Öl-Dias darauf. Schon mal gesehen? Herrlich. Sie enthalten eine Flüssigkeit, und wenn diese warm wird, fangt sie an, sich zu bewegen.“ Die Musiker improvisierten zu den so entstandenen Bildern und Farben, was schwer nach Trip klingt. Gehörten Drogen auch zu dieser Form von Synästhesie? Summers stutzt und schmunzelt. „Das überlasse ich dann lieber doch Deiner Phantasie.“ Lieber erzählt er vom Komponisten Skrjabin, der mit einem Farbklavier experimentierte; lieber auch von den fließenden Übergängen zwischen den Künsten: Kandinsky spielte Cello, Michelangelo schrieb Gedichte und Andy Summers fotografiert und malt „In meinem Haus in Kalifornien befindet sich oben das Atelier, in dem ich jeden Tag ein paar Stunden arbeite. Dann wisch ich mir die Hände ab und geh runter ins Studio. Ich habe schon stundenlang auf die Farben gestarrt, es riecht stark nach öl und Terpentin, und voll von diesen sinnlichen Eindrücken fange ich dann an, Musik zu machen« Die Platte ist aber dennoch kein Konzeptalbum. Mir half nur der Synästhesie-Gedanke ab roter Faden beim Schreiben. Und für die Hörer ist es vielleicht ein Denkanstoß -,Synchronicity‘ Von The Police drehte sich ja auch nicht von Anfang bis Ende alles nur um die Theorie der Synchronizität.“ Wie schön, das gefahrliche Thema ergibt sich ganz von selbst, und nachdem nun seine aktuellen Aktivitäten ausgiebig abgehandelt worden sind, erzählt Summers auch bereitwillig von früheren Zehen. Wie er, der ehemalige Art-Rock-Gitarrist, ausgerechnet bei einer Band landete, die zunächst einmal opportunistisch auf Punk setzte („Das war damals eine Überlebensfrage: entweder Punk – oder: see you later“), wie die Streitereien, die The Police am Ende sprengten, gleichzeitig ihr Treibstoff waren, wie sich der typische Stil entwickelte: „Zuerst haben wir einfach Krach gemacht, und ich war nicht sonderlich glücklich damit. Mein Ansatz war: Wie bringe ich all mein schräges Zeug hinter dem Gesang zur Geltung? Als Sting dann ein immer besserer Songwriter wurde, konnte ich meine Ideen leichter in seine Songs einfließen lassen. Wir haben die Stücke auseinandergenommen und auf den Kopf gestellt – und wenn Du mich fragst, waren die Arrangements das Besondere an Police. Die Gitarre, die Drums, der Sound.“ Er ertappt sich selbst und lacht: „Naja, gut, da war auch noch dieser Sänger…“ Mit dem ist er sich einig: Das Ende kam zur rechten Zeit. „Wir sind nicht alt und lahm geworden, wir haben nicht kreativ abgebaut, wir haben den Mythos bewahrt. Ich glaube, daß wir auch deswegen noch so viele Platten verkaufen. Allerdings gab es natürlich auch eine psychologische Komponente: Wir waren die beste und größte Band der Welt, wir hatten totale Kontrolle – da fühlst du dich schon sehr stark. Und so eine Situation zu verlassen – das fast so, wie von einer Klippe zu springen. Du mußt dich und deinen Platz in der Welt völlig neu bestimmen.“