Strömungen und chemische Brüder: die Alben der Woche vom 17. Juli
Tame Impala haben sich mit "Currents" von ihrem psychedelischen Trademark-Sound verabschiedet. Die Chemical Brothers recyceln sich am liebsten selbst.
Album der Woche
Tame Impala – „Currents“
Einen interessanten Weg haben die australischen Tame Impala auf ihren nunmehr drei Alben seit 2010 zurückgelegt. Wobei es ja eigentlich nur eine zahme Antilope gibt einen Schlafzimmerproduzenten namens Kevin Parker, der sein Projekt nur für die Touren erweitert: mit Kumpels aus der geistesverwandten neopsychedelischen Rockband Pond.
In diesem Sinne wirkte auch Parkers großartiges Debüt, „Innerspeaker“, noch grundlegend von den verschlierten Spätsechzigern geprägt, alles voller Phaser und Wah-Wahs, mit rauschigem Trommeln, rückwärts gewölbten Schlaufen und spacewärts sich dehnender Stimme. Der zeitgemäße Ansatz lag eher im atmosphärischen Unterschied: Man konnte die Produktionsbedingungen hören. Doch schon auf „Lonerism“ hatte sich Parker, gemixt von Dave Fridmann, stärker ins Digitale gebeugt.
Eine Stimme, die an John Lennon erinnert
Mit „Currents“ verlässt er sein Stammterrain auch in den Rhythmen. Weil er die psychedelische Entgrenzung nun auch im kontinuierlichen Energiestrom der Tanzmusik entdeckt hat, klingt „Currents“ nicht nur deutlich und flirrend elektronisch dominiert, sondern auch stärker an Clubsounds interessiert – „Let It Happen“, wie es der prachtvoll preschende Opener fordert. Dort möhrt er achteinhalb euphorische Minuten lang über einen poppigen, bunt fanfarisch geschmückten House-Beat, mit schwelgenden Streicher-Synths und einer süß steigenden Stimme.
Wie stets erinnert sie ein wenig an John Lennon, aber durch die Pet Shop Boys gefiltert. Er feiert mit 80er-R&B-Drall brummend und britzelnd moduliert „The Moment“, säuselt in „Past Life“ verhallend zu einem flauschigen HipHop-Beat, und ein Hauch Michael-Jackson-Falsett strömt nicht nur durch den entspannten Groove von „Cause I’m A Man“.
In der Gitarrenarbeit und den Drumsounds erkennt man durchaus die Rockprägung. Doch die Stimmung erinnert mehr an Caribou oder Jamie xx als an die frühen Pink Floyd. Ein Abschied ist dies aber nicht: Parker umarmt seine neuen Sounds voller Wärme, sie fügen einfach weitere Farben hinzu.
(Markus Schneider, RS 8/15)
Weitere Veröffentlichungen:
Die Chemical Brothers sind mit „Born In The Echoes“ wieder zurück. Allerdings recyclen Sie sich nur noch selbst: „Warum Big Beat nicht mehr funktioniert, kann man gut an dem Video nachvollziehen, das Michel Gondry zur Single „Go“ gedreht hat: eine Tanzchoreografie, die mal als fantasievoll gegolten hätte, im YouTube-Zeitalter aber wie von einer Werbeagentur entworfen wirkt, dazu Musik, die sich perfekt zur Untermalung von Sport-Events eignet.
Das Duo kocht auch sonst nach alten Rezepturen. „I’ll see you there“ bedient sich bei „Let forever be“, „Just Bang“ könnte vom Durchbruchalbum, „Dig Your Own Hole“ (1997), stammen. Nur beim bekifften „Taste Of Honey“ oder im verschachtelten, von St. Vincent gesungenen „Under Neon Lights“ hört man noch Innovationswillen. Nicht mehr als ein Echo“. (Fabian Peltsch, RS 8/15).
Für die schnellen Pop-Kapriolen sind Frankie & The Heartstrings erneut auf „Decency“ zuständig: Auch auf ihrem dritten Album bleiben Frankie & The Heartstrings ihrem britischem Powerpop treu. Verweise auf Orange Juice und Dexys Midnight Runners, aber auch auf Britpop, dazu ein halbstarkes 50s-Rock’n’Roll-Gefühl: Die Band aus Sunderland trägt Tolle und Seitenscheitel, sie spielt Lieder voll quirliger Energie und trägt das Herz auf der Zunge.
Besonders schön: die seufzende Romantik von „Hate Me Like You Used To“, der Strokes-goes-Grease von „Save It For Tonight“ und der fröhlich hüpfende Four-to-the-floor-Soul von „Think Yourself Lucky“ (mit großem Bläser-einsatz). Die Band betreibt daheim einen Plattenladen – noch ein Grund, sie zu mögen. (Jörn Schlüter, RS 8/2015)
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