Strike Germany: Boykott deutscher Kultureinrichtungen zieht Kreise
Von der Berliner Streaming-Plattform HÖR bis zur „Strike“-Unterschrift von Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux
Etwa seit Jahresbeginn existiert eine Webseite, auf der Künstler und Künstlerinnen weltweit den Boykott deutscher Kultureinrichtungen einfordern. „Deutschland“ wird dabei vorgeworfen, das Recht auf freie Meinungsäußerung und insbesondere die Solidarität mit Palästina zu unterdrücken. Bislang haben einige hundert Kulturmenschen diese Petition namens Strike Germany unterzeichnet.
Darunter die Pariser Musikerin und Schauspielerin Yasmine Hamdan (die ursprünglich aus Beirut stammt) oder auch die Schauspielerin Indya Moore, zu sehen in der Netflix-Serie „Pose“. „Star“ der Unterzeichner-Riege ist die 83-jährige Schriftstellerin und Literatur-Nobelpreisträgerin Annie Ernaux.
Der Autorin ist bereits bei der Verleihung des Literaturnobelpreises im Jahr 2022 eine fatale Nähe zur BDS-Bewegung vorgeworfen worden. 2018 hatte Ernaux anderen Kunstschaffenden einen Boykott der Kultursaison „Frankreich-Israel“ gefordert. Weiterhin 2019 zum Boykott des Eurovision Song Contests in Tel Aviv. Wenn man so will, ist Ernaux bestens geübt in Anti-Israel-Aktionen.
Bereits im Herbst 2023 ein anderer Fall in der Elektro-Szenerie:
Die Berliner DJ-Streaming-Plattform „HÖR“ musste in einer Stellungnahme auf Online-Kritik und Boykottaufrufe reagieren, nachdem sie angeblich zwei Auftritte von DJs wegen deren pro-palästinensischer Kleidung gestoppt hatte. In einer Erklärung an deren DJ-Partner von „HÖR“ wurde versucht, die Position in dieser Angelegenheit klarzustellen. Der Vorwurf lautete: Kleidung zu „zensieren“.
Zwei DJs seien am 3. November wegen ihrer Kleidung, die als beleidigend und als „Aufruf zur Auslöschung Israels aufgefasst werden könnte“, aus dem Programm genommen worden, so das Statement von „HÖR“.
DJ Sam Clarke hatte seinerzeit ein T-Shirt getragen, auf dem die palästinensische Flagge über einer Karte Israels abgebildet war. DJ Téa trug wiederum einen Schal, auf dem in arabischer Sprache der Satz „Das Land gehört uns“ stand.
Reaktion auf Joe Chialo?
Nach der Nachricht von den Set-Absagen haben DJs wie Bored Lord, DJ Voices, EQUISS, I. JORDAN. Es wurde weiterhin darum gebeten, frühere Auftritte zu löschen. Deck-Performer wie Allecto und MJK Sets, die beim Berliner Online-Sender ausgestrahlt werden sollten, sagten ihr Set ab.
Wer wiederum hinter der konzertierten Aktion „Strike Germany“ steckt, ist bislang nicht genau bekannt. In Berliner Mauschel-Kreisen vermutet man, die Kampagne sei eine Reaktion auf die Ankündigung von Kultursenator Joe Chialo, Fördergelder für Kulturprojekte künftig mit einer „Antidiskriminierungsklausel“ zu verbinden.
Im daueraufgeregten Berlin haben weiterhin Künstler ihre Teilnahme am „CTM Festival“ im Berghain abgesagt. Der Vorwurf: DJ Arabian Panther sei wegen seiner „pro-palästinensischen Haltung“ ausgeladen worden. Das Berghain habe negative Publicity vermeiden wollen und deshalb „Renovierungsarbeiten“ als offiziellen Grund für die Absage angegeben. Das sagt zumindest der Künstler.
Dass ausgerechnet die durch die Welt jetsettende DJ-Szenerie neuerdings die Polit-Karte spielt, wirft Fragen nach der Substanz der Vorwürfe und der „Knowlegde“ der Boykott-Fraktion auf.
Oder wie der Historiker Uffa Jensen im Deutschlandfunk Kultur sagte:
„Ich kann nicht nachvollziehen, dass der Umgang mit der deutschen Erinnerungskultur kritisiert wird. Ich kann verschiedene Sachen und Behauptungen über Israel nicht nachvollziehen. Ich finde es eine Schieflage, dass man Deutschland ins Visier nimmt – und dabei wenig über die Hamas und Ähnliches redet.“