Stoppok – Interview

Ob die Vorbilder nun Pavement, Talk Talk oder auch Little Feat heißen – deutsche Popmusik ist immer eine Transformation amerikanischer Musiktraditionen. Einer, der sich da gut auskennt, ist Stefan Stoppok, der mit seinem neuen Album “ „W.e.l.l.n.e.s.s.“ vielleicht nicht an frühere Großtaten anknüpfen kann, aber zu Recht für „unverkrampfte, „handgemachte“ deutsche Rockmusik steht wie kein anderer.

Dich rechnet man ja eher dem Rock- und Roots-Bereich zu; welche Rolle spielen aktuelle Musiktrends für dich?

Aktuelle Musiktrends (zögert) sehe ich und höre ich überhaupt nicht mehr. Ich unterscheide für mich zwischen rein akustischer, elektrifizierter und Computermusik. Darauf basiert alles, und ich beschäftigte mich damit, stelle aber immer wieder fest, dass ich das nach ’ner Zeit langweilig finde. Ich suche daher nicht nach völlig Neuem, sondern neuen Kombinationen. Mir geht’s darum, die Amerikanismen in der deutschen Musik von diesem Second-Hand-Feeling zu befreien und zu etwas Eigenem zu machen. Ich hab da schon alles Mögliche probiert…

…aber es war immer irgendwie Rock’n’Roll.

Ich bin musikalisch auch in die 20er Jahre zurückgegangen. Aber das stimmt schon: Der Rock’n’Roll ist bei mir auf die Festplatte geschrieben. Das kommt nicht mit einem Super-Sound, den man noch nie gehört hat, daher, sondern mit einer Kombination, die man so noch nie gespürt hat.

Siehst du in Deutschland noch andere Bands, die amerikanische Einflüsse verarbeiten und zu etwas Eigenem machen?

Klar. Vor allem Element Of Crime, die machen das noch viel radikaler als ich und gehen auch viel weiter zurück. Bei den Bands der Hamburger Schule gibt’s auch ein paar nette Sachen. Aber die fallen schnell wieder in Klischees und versuchen, ihre amerikanischen Vorbilder nur nachzuahmen. Was mir aufgefallen ist, bei Blumfeld und so: Der Gesang ist sehr distanziert. Das ganze musikalische Gebilde spiegelt zwar zweifellos ein Gefühl wider, aber die Stimme berührt mich nicht, das fehlt mir. Da ist man wohl noch auf dem Weg.

Hast du denn keine Vorbilder in der deutschen Pop- und Rockmusik? Gibt es da niemanden, der dich – zum Beispiel in der Art, Texte zu schreiben beeinflusst hat?

Die meisten Einflüsse kamen aus meiner näheren Umgebung. Meine beiden Songschreiberpartner Bernie Conrads und Danny Dziuk waren die Ersten, die es meiner Meinung nach geschafft haben, Gefühle mit ihren Texten zu transportieren. Und Rio Reiser, der textlich nicht so geschliffen war, aber so eine Überzeugung und Intensität hatte.

Wie ist es denn, mit den eigenen Vobildern Songs zu schreiben?

Manchmal ist’s schwierig. Einige Sachen können wir mittlerweile nicht mehr zusammen schreiben, weil wir uns völlig unterschiedlich entwickelt haben, da würden wir uns nur streiten. Deshalb find ich’s auch gut, dass der Danny jetzt seine eigenen Platten macht. So haben wir beide die Möglichkeit, uns zu enfalten, auch wenn wir unterschiedlicher Meinung sind.

Zu Wiglaf Droste, mit dem Danny auch geschrieben hat, seid ihr wohl auch unterschiedlicher Meinung?

Er schien meine Sachen zu mögen, und wir haben mal einen Gig zusammen gemacht – er hat gelesen, wir haben gespielt. Da trat er plötzlich ganz unvermittelt ans Mikro und fing an, eben irischen Shanty zu singen. Ich musste laut lachen – und das Publikum auch. Da war er sauer, denn er meinte das tatsächlich ernst, und ich habe ihm noch auf der Bühne gesagt: „“Lass das bitte sein!“ (lacht). Das war genauso verkrampft und lächerlich wie die ganzen Leute, über die er sich sonst in seinen Texten immer lustig macht. Wir haben dann noch ’ne Tour gemacht, wo er Singverbot hatte. Da haben wir uns auch bald zerstritten.

Hatte das auch mit seiner politischen Unkorrektheit zu tun?

Nee, jeder sollte seine Meinung sagen können, auch in Songs, auch politisch unkorrekt. Wenn man das so empfindet. Ich habe, was politische Dinge angeht, eine gewisse Gelassenheit. Vielleicht, weil ich kein deutscher Staatsbürger bin.

Sondern?

Heimatloser Ausländer. Meine Eltern kommen aus Polen, und ich bin quasi auf der Durchreise in Hamburg geboren. Sie wollten eigentlich auch wieder zurück. Ich habe dann eine Aufenthaltsberechtigung bekommen. Mit 16 habe ich meinen Kinderausweis abgegeben. Da sagte mir der Beamte: „Du musst die Staatsbürgerschaft annehmen. Sonst darfst du später nicht wählen und nicht zur Bundeswehr. Das fand ich dann aber gar nicht sooo schlimm (lacht).

Das wäre doch ein guter Anfang für einen Artikel: Der in Hamburg geborene, im Ruhrpott aufgewachsende…

…jahrelang in Frankreich wohnende, jetzt in Bayern lebende…

…Stefan Stoppok – ein heimatloser Songschreiber, dem es gelingt, deutsche Sprache und amerikanische Songtraditionen spielerisch zu vereinen.

Ja! Schreib’s auf und verkaufs ans Feuilleton.

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