Stone im Mai
Bruce Springsteen ist tatsächlich unbestritten der Boss. Das kann man jetzt sogar beweisen, man muss nur die Mai-Ausgaben der letzten 18 Jahre im ROLLING-STONE-Archiv zu Rate ziehen: Gleich drei Mal ziert sein Konterfei hier das Cover. Das erste Mal, 1999, als der „rich man in a poor man’s shirt“ nach zehn Jahren Pause endlich wieder mit seiner E Street Band auf Tour ging, erfuhr der Leser unter anderem auch mehr über Springsteens Freundschaft zu „Wulfgäng“ Niedecken, dem der Mann aus New Jersey auch profunde Kölsch-Kenntnisse („Vee izzit? Izzit yout?“) und eine gewisse Verachtung für Düsseldorf verdankt.
Beck hat auch einen Bezug zu Köln: Sein Großvater, der Fluxus-Künstler Al Hansen, lebte dort von den Achtzigern bis zu seinem Tod 1995. Über eine mögliche Düsseldorf-Abneigung und seine Kölsch-Kenntnisse erfährt man in Mark Kemps Feature vom Mai 1997 aber
leider nichts. Dafür wird beschrieben, wie der Songwriter einen Sketch für das britische Fernsehen dreht, dessen Pointe im Wesentlichen darin besteht, dass er ein rohes Huhn in einen überdimensionierten Kochtopf wirft. Das Surreale am britischen Humor, so lässt Beck den Interviewer wissen, habe es ihm angetan. Und auch seine Karriere hatte 1997 surreale Züge angenommen. Für „Odelay“ hatte der vermeintliche Slacker gerade einen Grammy gewonnen, in den USA erreichte das Album sogar Platin. Mit Kemp sprach der rotwangige, jungenhafte Beck über den Unterschied zwischen einem Rockstar und einem Entertainer, und er erzählte, wie ein Junkie im Greyhound-Bus einmal drohte, ihm die Kehle durchzuschneiden.
Auch Eminem kann im Mai 1999 mit Gruselgeschichten aufwarten – über Prügel, die er in der Schultoilette kassierte, und über Knarren im Rücken. Schöneres erlebte der Rapper dann mit Dr. Dre, als sich die beiden zwei Tage lang im Studio einschlossen, Ecstasy einwarfen und die ersten Stücke seines fantastischen zweiten Albums, „The Marshall Mathers LP“, schrieben.
Solche Drogenbeichten schocken natürlich nur noch im prüden Amerika, hierzulande muss man da schon andere Geschütze auffahren. Leser der Mai-Ausgabe von 1997 etwa mussten mit eigenen Augen mit ansehen, wie Heino eine Haselnusstorte küsste. Er hatte gerade eine Auszeichnung als Ehrenbäckermeister erhalten und gab sich übermütig: „Wenn’s in meiner Jugendzeit Punk gegeben hätte – ich hätte da noch ordentlich mitgemischt.“ Doch seine Jugend holte der 1938 geborene Volkssänger dann ja in diesem Jahr nach und eroberte mit einem Ärzte-Cover die Charts. Ob es zur Feier des Tages eine Haselnusstorte gab?
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