Steve Wynn
Ach, mal wieder eine Beatles-Anekdote! Steve Wynn sagt, er sei lange, genauen schon seit seinem Hamburg-Debüt mit Dream Syndicate anno ’84 der festen Überzeugung gewesen, die Fab Four hätten damals immer in der Markthalle gespielt, die heute das kleinere MarX beherbergt Und nicht im Kaiserkeller. Bis sein neuer Bassist Dave DeCastro mit der frohen Botschaft seines Chefs beim lauthals lachenden Lokal-Personal auflief«.
Es sollte dies dann die einzige Irritation größeren Ausmaßes bleiben, an diesem lauen Pfingstmontagabend, der gut 100 Getreue den Weg zum weltweit wohl einzigen Club finden ließ, der Performer und Publikum mit akustisch authentischer Bahn-Kulisse verwöhnt. Zu den Gleisen: Bitte aus dem Fenster springen! Unbeirrbar, aber nicht uncharmant hat sich Wynn in seinem Nischenprogramm eingerichtet, das er auf dem gewohnt hohem Niveau darbietet: Wenn Songs und Gitarren und Rock Ende der 90er Jahre noch eine Chance haben, dann wohl so.
Der zu keiner verschenkten Note fähige Gitarrist Chris Brokaw und die stoische Schlagzeugerin Linda Pitmon sind die Stützen seines aktuellen Quintetts, das sich – fast am Ende der langen Tour -fröhlichem laissez-faire hingeben darf. Dream-Syndicate-Oldies („That’s What Y>u Always Say“) stehen so selbstverständlich neben neueren Songs wie „Stare It Down“ und „My Midnight“, als könne man die mehr als 15 Jahre dazwischen auf 15 Minuten komprimieren.
Für ein kleines Akustik-Intermezzo greift Brokaw zum Banjo – vielleicht doch ein wenig „verschenkt“, denn das Instrument kommt bei „Follow Me“ und folgendem kaum zur Geltung. Dafür ziert die neue Version von „Sweetness And Light“ eine hübsche Glockenspiel-Einlage von Linda Pitmon, bevor ein trunken-torkelndes „Mediane Show“ den Weg zum wiederum elektrischen, durchaus auch elektrisierenden Showdown freigibt, in dessen Mittelpunkt die Riff-Katharsis eines „Halloween“ immer noch Erlösung verspricht Man wolle jetzt gern ein paar „freaky songs“ spielen, erklärt Wynn vor den Zugaben. „Boston!“ kommt prompt der Ruf aus dem Publikum. „Not freaky enough“, bescheidet Wynn ablehnend. Statt dessen hängt sich Brokaw nun hinter die Drums, Pitman geht nach vorne ans Mikro und haucht bei „We’ve Been Hanging Out“ die zweite Stimme. Anschließend zelebrieren sie mit „Melting In The Dark“ die hohe Kunst des düsteren Lärms. Das ist – im Rahmen der Nische – wirklich freaky.