Stereolab – Dots And Loops
Früher wollten Stereolab nur eins, und das ohne jede Hast. Heute wollen sie alles – und zwar zugleich. An einem weit ausholenden, aber gänzlich selbstgenügsamen Schwingen arbeiteten die Londoner einst. Ein Grundton – vom Moog oder was sonst beim Eletrohöker um die Ecke modert – genügte, darauf wurden dann etliche Lagen Sounds geschichtet. Die Wiederholung war hier das Prinzip, trotzdem stellte das Ensemble eine extrem offene Angelegenheit dar. Schon weil Tim Gane und Laetitia Sadier, die beiden zentralen Figuren im Stereolab-Kosmos, sich immer mal neue Gastmusiker hinzuholten.
Auch für die Aufnahmen von „Dots And Loops“, dem siebten Album, gaben sich ein paar illustre Exponenten avancierter Pop-Musik die Klinke in die Hand. Der irische Pop-Arrangeur Sean OHagan, der Chef der High Llamas, kreiierte ein weiteres mal regenbogengleiche Harmonien mit Stimmen, Streichern und Keyboards; die Feinmotoriker von Tortoise aus Chicago legten das rythmische Unterholz aus, das dicht ist wie der Dub und undurchdringlich wie der Jazz; die westfälischen Elektronik-Tüftler Mouse On Mars steuern ihre eigentümlichen Beats bei. Apropos: Ein Großteil des Albums wurde am Rechner gebaut, den Stereolab als den großen Speicher live eingespielter Klangdaten nutzen. Keine neue Idee ist das zwar (siehe Soul Coughing oder Portishead), aber zuweilen wurde sie inspiriert ungesetzt. Vor allem die weich wogenden Bläsersätze – Gil Evans läßt grüßen – sind ganz bezaubernd.
„Dots And Loops“ ist eine zwiespältige Angelegenheit. Große musikalische Momente gibt es hier zuhauf, aber das einst strenge Profil von Stereolab verwischt Viele Ideen vieler kluger Köpfe schwirren im Raum, aber ein großes ordnendes Prinzip ist nur schwerlich auszumachen.
Wie gut also, daß es da noch Laetitia Sadier gibt: Deren französischer Chanson-Gesang ist die weiche Klammer eines Albums, das in alle Richtungen auseinanderzubrechen droht.