Startplatz für den Blues
Mit seinem eigenen Label will Tay Mahal jungen Kollegen helfen
Taj Mahal unterbeschäftigt zu nennen, erfüllt wohl den Tatbestand der Verleumdung. Mit der Hula Blues Band brachte er ’99 ein Stück Hawaii nach Europa, mit Toumani Diabate grub er auf „Kulanjan “ nach westafrikanischen Blues-Wurzeln, seiner Phantom Blues Band setzt er jetzt nach drei Studio-Alben mit „Shoutin ‚In Key“ ein Live-Denkmal. Warum nicht auch noch ein eigenes Label? Eben.
Kan-Du, so heißt die frisch installierte Firma des 58-jährigen Hünen, lag schon lange in der Luft bei diesem Musiker, der dem Marketing-Druck der Major-Labels stets kreative Schnippchen schlug und seine staunenswerte Karriere „a funny thing“ nennt. Jerry Garcia, so Mahal, habe ihm schon vor Jahren zur eigenen Hausnummer geraten, aber er sei trotz aller Probleme „lange nicht bereit gewesen, diesen logischen Schritt zu tun“. Erst die trotz Grammy (für „Senor Blues“) durchwachsene Liaison mit Private Music setzte den Kosmopoliten schließlich in Bewegung. „Die haben sich nur um die USA gekümmert. Das hat mich sehr enttäuscht.“ Doch der gebürtige New Yorker hat nicht nur die eigene Musik im Visier. Kan-Du (von „I can do“) soll vor allem als Startplatz für Debütanten dienen – zu vernünftigen Konditionen versteht sich. Dass die Industrie „oft horrende Umstände für ihre Künstler“ kreiert, hat Taj Mahal am eigenen Leib erfahren; jetzt gehe es ihm darum, „eine bessere Beziehung zwischen Firma und Künstlern herzustellen, die mehr Geld an ihren Platten verdienen sollen“.
In den Kan-Du-Genuss kommen zunächst der junge Rapper Mister Styles und die R&B-Sängerin Nina, besonders aber schwärmt Label-Papa Mahal von der schwarzen Songschreiberin Pamela Parket, die er „irgendwo zwischen Macy Gray, Joni Mitchell und Angie Stone“ verortet. Der D’Angelo-Fan Mahal: „Nachdem viel Geld mit HipHop verdient wurde, schwingt das Pendel gerade zurück. Songwriting wird wieder wichtiger als der pure urban sound. Die Musik kommt immer zurück. Nicht unbedingt so, wie du es möchtest. Aber sie kommt immer wieder. Weil keiner fliehen kann vor den Gefühlen, die Menschen nun mal haben.“
Vor seiner Vergangenheit muss Mahal gewiss nicht fliehen, er hätte aber schon ganz gerne die eine oder andere Arbeit noch einmal unter die Lupe genommen und auf Kan-Du neu rausgebracht. Doch der Versuch, die Rechte an alten Platten zurückzukaufen, scheiterte nicht nur bei Sony. „Da läuft nichts, keine Chance. Es gibt nur Wenige, die das bisher geschafft haben. Paul Simon fallt mir nur ein, aber der muss eine ganz besondere Beziehung zu seiner Firma haben.“ Die Katalog-Wächter hätten eben einfach zu viel Angst, „sich schlecht zu fühlen sollte er plötzlich mit seinen Neuauflagen mehr Erfolg haben als sie selbst. Mahal: „Sie haben fragile Egos, diese Leute in der Industrie.“ Und wie fragil ist sein eigenes in Bezug auf Kan-Du? Das Studio hat er selbst gebaut, aus der Musik seiner Schützlinge aber will sich der Meister raushalten, sofern er „persönlich nicht so viel damit anfangen“ könne. Und er verspricht auch: „Ich muss nicht in jedem Video herumhampeln, um das Ding zu vermarkten.“
Während ein akustisches Jazz-Projekt und ein Trip in die Karibik bereits angedacht sind, will Taj Mahal neben Kan-Du auch „Shoutin’In Key“ voranbringen. „Es war einfach der logische nächste Schritt“, charakterisiert er den Mitschnitt aus dem „Mint“-Club in Los Angeles, der mit dem vielseitigen Texaner Denny Freeman einen neuen Gitarristen im Line-Up und mit dem Bossa Nova-Instrumental „Sentidos Dulce“ eine Früh-70er-Jahre-Soundtrack-Rarität (aus „Brothers“) präsentiert. Im Studio könne jeder gut klingen, meint Mahal, „aber ich wollte ja unbedingt wissen, was diese Band ohne die Tricks und Tools drauf hat“. Die hat er selbst auch nicht nötig, um als Vokalist über die Runden zu kommen. Was ihn mit Genugtuung erfüllt – und ihm ein paar kleine Spitzen gegen die Kollegen entlockt. „Ich bin keine 26 mehr, kann aber die alten Songs immer noch problemlos in derselben Tonlage wie damals singen. Dabei ist das wirklich kein einfaches Material. „Leavin‘ Trunk‘ zum Beispiel. Da trauen sich viele gar nicht ran, und wenn doch, dann verpassen sie glatt die Details, die den Song ausmachen. Da wird einfach die Chicago-Schiene gefahren und gnadenlos über alles gestülpt, was sie gerade so spielen.“ 08/15-Blueser dürften damit definitiv keine Chance haben weder bei Taj Mahal persönlich noch bei Kan-Du.