„Star Wars: Die dunkle Bedrohung“ – was vom Film bleibt
Der vielleicht am sehnsüchtigsten erwartete Film der Kinogeschichte gilt als misslungen. Wo steht „Star Wars: Die dunkle Bedrohung“ heute?
Als „Zeitenwende“ wurde der Triumph von „The Matrix“ bei der Oscar-Verleihung bezeichnet. Der Film mit den in Zeitlupe fliegenden Pistolenkugeln gewann in der Kategorie „Spezialeffekte“ gegen denjenigen, der zuvor jedes Jahr beherrschte, in dem er bei den Academy Awards antrat: „Star Wars: Die Dunkle Bedrohung“. „Krieg der Sterne“-Erfinder George Lucas wurde abgestraft. Die Wachowski-Brüder zu den Machern des besten Sci-Fi-Films von 1999 ausgerufen.
Wie sich die Zeiten ändern: Gerade, weil der Slo-Mo-Trick („Bullet Time“) mit der sich um ein eingefrorenes Objekt drehenden Kamera damals so neu erschien, ist „The Matrix“ schlecht gealtert. Kein anderer Film könnte diese Szenen bis heute nachstellen, ohne wie ein schlechtes Plagiat zu wirken. Haben aber viele gemacht. Deswegen lässt sich „The Matrix“ nicht mehr als Original identifizieren. Sogar die „Simpsons“ hatten das verstanden und längst eine Parodie von den Schuss-Duellen gezeigt. „The Matrix“ steckt in seiner Zeit fest.
Auch „The Phantom Menace“ ist natürlich ein altmodischer Film. Tragischerweise schon – im Gegensatz zur „Matrix“– zu seiner Zeit. Allesamt starre Schauspieler, vor allem Liam Neeson (als Jedi Qui-Gonn Jinn) wirkt so, als könnte er nicht vor einer Green Screen mit Platzhaltern und nachträglich einzuarbeitenden Fantasiefigure agieren. Obi-Wan (Ewan McGregor) trägt kurze Haare mit Zöpfchen, eine Frisur, die 1999 niemals mehr hätte durchkommen dürfen. Die bereits angedeutete Liebesgeschichte zwischen einem Kind (Jake Lloyd) und einer jungen Frau (Natalie Portman) ist unzumutbar. Womöglich hatte Regisseur Lucas sich nicht getraut, dem Jungen ein gleichaltriges Mädchen zur Seite zu stellen, weil er Portman ab Teil eins dabeihaben wollte.
Diskutabel ist außerdem, ob Lucas bei der Darstellung Außerirdischer in Kauf genommen hat, Vorurteile zu schüren. Es gibt den ziellos schlendernden, gutmütigen, aber auch etwas geistlosen Jar-Jar Binks; viele erkannten darin die Parodie eines Jamaikaners. Den verschlagenen, stets Betrug planenden Händler Watto mit der krummen Rüsselnase und einem Ostblock-Akzent; sowie die alles blockierenden Handelsföderalisten, denen französische Akzente verliehen wurden. Franzosen, wenn sonst nichts mehr geht, sind immer noch die Lieblingsfeinde der Amerikaner.
Handelsföderation, mehr noch: galaktischer Senat und Strafzölle, das alles klang nicht nach „Star Wars“-Material. Es war nicht das, was man nach 16 Jahren „Krieg der Sterne“-Pause erwartet hätte. Die Saga war bis dahin nicht politisch. Sie kannte nur Schwarz und Weiß, Gut und Böse. Dass Politik dort funktionieren könnte, bewies erst „Rogue One“ aus dem Jahr 2016. Aber nur, weil Politik über Kampfszenen, die für Syrien und Vietnam standen, vermittelt wurde. Nicht, weil Aliens, wie in der „Bedrohung“, in einem kosmischen Plenarsaal debattieren (dem, auf dem Bewegungs-Niveau eines „Playstation 2“-Effekts, sogar Spielbergs „E.T“ beiwohnt).
Immerhin hatte George Lucas hier einen großen Bogen spannen wollen, eine umfangreichere Mythologie, als sie die ersten drei seiner Werke beinhaltete. „The Phantom Menace“ – „Die dunkle Bedrohung“ ist ein guter Titel, weil er, im Gegensatz zu allen anderen, tatsächlich nichts verrät. Das rettet den Film nicht, zeugt aber von größerem Mut als J.J. Abrams mit „The Force Awakens“. Disney erzählte 2015 im Grunde den allerersten Film von 1977 nach, „Eine neue Hoffnung“. Doch war dieses Werk als lustige Retro-Hommage samt klug eingesetzter nostalgischer Bilder (im Sand gestrandeter Sternzerstörer) sowie neuartiger Inszenierung alter Ikonen (TIE-Fighter im „Apocalypse Now“-Sonnenuntergang) allen drei Prequels noch immer weit voraus. Weil er modern inszeniert war: alles sah gut aus, war multi-ethnisch, klang gut, und Schauspieler wie John Boyega und Daisy Ridley, obwohl im selben Alter wie damals McGregor und Portman, waren locker, auch im Umgang mit den Alten, also Leia, Han und Luke.
Es sind vereinzelte Momente, die aus „Die Dunkle Bedrohung“ doch noch einen Film machen, der besser ist als sein Ruf. „Es gibt immer einen größeren Fisch“, sag Qui-Gonn, als er mit seinen Gefährten einer Seebestie entkommt, die es auf sie abgesehen hatte und dann selbst gefressen wird. Ein einfacher Sinnspruch, aber nicht weniger doof als manches, was Yoda absonderte. Qui-Gonn erkannte, dass Überleben Glück sein und man auch als Jedi sein Schicksal nicht lenken kann.
Lucas wagt im Schlussspurt des Films, das gab es davor und danach bei „Star Wars“ nicht, eine Schlacht aus vier Erzähl-Perspektiven (Laserschwert-Duell, Anakin im Weltall, Wald-und-Wiesen-Battle, Padme im Palast), deren Montage sogar funktioniert. Laserschwert-Duell: Es war die richtige Entscheidung, den Sith-Lord Darth Maul nicht als Nachfolger Darth Vaders aufzubauen, das wäre chancenlos, deshalb stirbt er – unerwartet? – schon am Ende des ersten Prequels. Doch sind seine wenigen Worte so präzise, sein Kampfstil derart überzeugend, seine Herkunft so ungeklärt, dass sein Mythos über die Jahre gewachsen ist. Kein Wunder, dass Mauls überraschender Auftritt im letztjährigen „Solo“-Film als Höhepunkt galt. Womöglich ist Darth Maul populärer als Kylo Ren (Adam Driver), dem Young-Adult-Antagonisten aus den neuen „Krieg der Sterne“-Filmen. Es wäre wohl der einzige Sieg einer Prequel-Figur über „The Force Awakens“. Dazu kommt auf der Habenseite das Kampfmotiv „Duel of the Fates“, Maul gegen Obi-Wan und Qui-Gonn, die bis heute letzte einprägsame „Star Wars“-Melodie John Williams‘, für die der Komponist (vielleicht inspiriert von seiner Musik zu „Amistad“ zwei Jahre zuvor) so prominent einen Chor in den Mittelpunkt stellte wie nie.
„Star Wars: die dunkle Bedrohung“: kein guter Kinderfilm?
Prinzessin Padme wird von zwei Zofen eingerahmt, das bedeutet: Natalie Portman mit den noch nicht so weltweit bekannten Keira Knightley und Sofia Coppola im selben Bild. Ist ein tolles Ensemble. Aber es bleibt noch ein Kritikpunkt vieler Fans und Kritiker, über den sich zu streiten lohnt. Der wesentliche.
Hat George Lucas das „Erbe von Star Wars verraten“, weil „Die dunkle Bedrohung“ ein „Kinderfilm“ geworden sei? Mit einem elfjährigen Hauptdarsteller, der beim Abdrücken der Laserkanone „Whoa!“ ruft und auch sonst alles wie im Telespiel handhabt? In einer durchgängig mit Kindchen-Schema arrangierten Welt, mit niedlichen Außerirdischen aus dem Meer und sogar imperialen Robotern, die tollpatschig sind?
Spätestens mit „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ von 1983 dürfte klar gewesen sein, dass sich Lucas immer schon putzige Story-Elemente für seine Erzählung gewünscht hat. Mit den Ewoks und Jabbas Kreaturen gelang er ans Ziel, die Masken waren so weit. „Bedrohung“ ist daher eine Weiterentwicklung von „Jedi-Ritter“ und hätte mit „Verrat“ (als könnte man jemanden verraten, dem man nichts zugesichert hatte) nichts zu tun.
Ärgerlicher ist der Anspruch beurteilen zu können, dass dieser Film nicht funktioniert, weil er ein Kinderfilm sei. Die meisten dieser kritischen Experten sind ja Erwachsene. Man kann natürlich enttäuscht sein, dass „Die dunkle Bedrohung“ auf ein etwas jüngeres Publikum zielt als „Eine neue Hoffnung“, immerhin jener erste „Krieg der Sterne“, dem Lucas seine Karriere, seine Milliarden verdankt (wenngleich er sein Vermögen anfangs durch Spielzeug-Lizensierung aufbaute, see!). Aber ob „Bedrohung“ mit Sebulba, den Gungans sowie Klein-Ani und seinen Midis eben als Kinderfilm taugt, diese Entscheidung sollte man doch am besten auch bei der entsprechenden Altersgruppe belassen. Es ist auch schwer vorstellbar, dass alternde SW-Fanboys zuvor ihre Thesen durch repräsentative Umfragen bei Minderjährigen untermauert hatten. Es gibt keine Berichte darüber, dass auch nur ein Mädchen oder Junge je protestiert hätte: „Tut mir leid, aber das ist kein guter Kinderfilm.“
Es lohnt sich, die „Bedrohung“ mit Kindern zu gucken. Man selbst findet den Film deswegen nicht besser. Aber lernt dazu: Es könnte vorkommen, dass Kinder Jar-Jar Binks eben doch aufregender finden als Boba Fett.