Stampfendes Brodeln

MISS LI Hamburg, Uebel & Gefährlich

„Wie viele seid ihr?“, fragt Miss Li leicht fassungslos zu Beginn des Konzerts: „800 oder sogar 900?“ Der Andrang ist tatsächlich erstaunlich. Zumal die Schwedin erzählt, dass zu ihrem ersten Hamburg-Auftritt vor etwa einem Jahr bloß 200 Zuschauer gekommen waren. Immerhin. Offensichtlich haben sich die Entertainerinnen-Qualitäten von Miss Li seitdem herum gesprochen: Vor der Bühne quetschen sich jetzt aufgekratzte junge Frauen und ihre männlichen Begleiter, jederzeit bereit mitzusingen und die Gliedmaßen zu bewegen.

Miss Li heißt eigentlich Linda Carlson, kommt aus der Mando Diao-Stadt Borlänge und hat mit ihrem letzten Album, „Dancing The Whole Way Home“, Platz acht der schwedischen Charts erreicht. Die Piano-getriebenen, oft nach Polka und anderen altmodischen Stilen klingenden Lieder der 27-Jährigen haben aber wenig von der stromlinienförmigen Perfektion nordischer Hitfabriken. Die Band, die Miss Li begleitet, besteht trotzdem aus exzellenten Musikern: Schlagzeuger Gustav Nahlin, Bassist Clas Lassbo, Gitarrist Sonny Boy Gustafsson und der virtuose Lars Ahlund an Saxofon und Klarinette. Zusammen mit ihrer Chefin erinnern sie ein bisschen an die Kinks während ihrer Vaudeville-Phase.

„Gotta Leave My Troubles Behind“ wird getragen von einer wunderschönen Klezmer-Melodie, stampft aber so schmissig wie brodelnd heißer Nevv-Orleans-Jazz. Miss Li hämmert dazu in die Tasten des Pianos als wäre sie in eine Spelunke voller rüder Suffnasen geraten, und kräht mit ihrer wirklich einzigartigen Stimme: „Don’t want to scare him away from me.“ Diese freche Göre im grünen Kleid besitzt ganz offensichtlich eine gute Portion Soul. „Das nächste Stück handelt davon, wie ich einmal meiner besten Freundin den Mann geklaut habe“, kündigt sie vollmundig „I’m Sorry, He’s Mine“

an. Das Stück über die Ausweitung der Kampfzone zwischen zwei Freundinnen befindet sich auf „Miss Li“, einer gelungenen Compilation der ersten drei Alben. Man muss oft an die besseren Vertreter der Gattungen Russen-Disko und Balkan-Folklore denken. Während viele Medien den frostigen Electro-Pop der frühen Achtziger künstlich am Leben erhalten, scheint sich in den Clubs eine Gegenbewegung formiert zu haben. Miss Li jedenfalls gibt heute alles für ihr Publikum. Das ganze Konzert ist eine einzige große Hochzeitsparty – und das an einem regnerischen Hamburger Montagabend.

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