Stadtmaus gegen Hausmaus
Der altkluge Slogan, mit dem Werber in den 8oer Jahren ihre Arbeit erklärten – „PR heißt: Tue Gutes und sprich darüber!“ -, klingt für heutige harte Zustände etwas zu fromm, aber er hilft gut beim Ordnen von Prominenten. Hier bekommen wir es nämlich erst mit einem zu tun, der zwar Gutes tut, aber lieber nicht darüber spricht. Und dann mit einer, die nicht nur nichts Gutes, sondern im Prinzip überhaupt nichts tut – und trotzdem darüber redet, bis die Kühe heimkommen. Das indirekte Gipfeltreffen zwischen dem Musiker Danger Mouse und dem öffentlichen Girl Paris Hilton war sozusagen die Celebrity-technische Kern-Implosion des Jahres. Es hat sich nicht mal jemand verletzt dabei.
Die Veröffentlichung von Hiltons erster Sing-Platte hatte Danger Mouse nämlich auf seine Weise gefeiert: Anfang September wurde bekannt, dass er zusammen mit dem Aktionskünstler Banksy (unter anderem dafür bekannt, dass er in ehrwürdigen Museen heimlich eigene Bilder aufhängt) 500 Paris-CDs gefälscht hatte, die von Banksy in die Regale verschiedener Londoner Plattenläden geschmuggelt und von ahnungslosen Kunden gekauft -wurden. Die Fotos im Booklet hatte der Künstler verziert, mit Sprechblasen wie „Keiner hat behauptet, das Leben wäre fair“ und Jede verkaufte CD hilft mir, ein bisschen besser zu sein als ihr“, während Danger Mouse die Songs remixt und unbetitelt hatte: „Why Am I So Famous?“ hieß einer, und „What Am I For?“. Man bekommt die raren Fake-CDs nicht mal mehr auf Ebay, weil sie wie echte Kunstwerke gehandelt werden. Außerdem könnte es sein, dass einige Käufer die Fälschung gar nicht bemerkt haben.
Zumindest Danger Mouse ist gar nicht mehr in der Position, Paris Hilton als reiche Emporgekommene zu schimpfen: Mit seinem Duo Gnarls Barkley und dem „Crazy“-Hit hat der verschwiegene Hip Hopper aus Los Angeles 2006 mehrere Millionen verdient, heute hat er einen Ruf als Top-Produzent. Die Hilton-Aktion erinnert dagegen mehr an sein viel zitiertes, illegales „Grey Album“ mit den geklauten Beatles-Samples, das zum Paradigma der Anti-Copyright-Guerilleros wurde. Ein hoch geachtetes Werk, dessen Schöpfer im Sinne der Sache anonym bleiben musste – also exakt das Gegenteil von Paris Hilton, die von sich selbst sagt, dass sie vor allem eine Marke sei. Und dass sie einmal eine Million Dollar dafür bekommen habe, dass sie einer Gruppe Österreicher zuwinkte.
Mit Stars, die unbegreiflicherweise weder künstlerisches Talent noch politische Ämter haben, schlagen sich Kritiker ja schon seit Jahren herum: Madonna kann wenigstens noch tanzen, Jenny Elvers kann nicht mal Kartoffelsuppe kochen. In einem klugen Beitrag im „Chartreuse“-Blog wurde Paris Hilton kurz nach dem CD-Vorfall als eine Art kultureller Hyperlink bezeichnet. Sogar direkt nach ihrem berühmten Autounfall habe sie im Interview gesagt, sie sei nur so schnell gefahren, weil sie so großen Appetit auf einen Burger der „In-N-Out“-Kette gehabt habe. Der Kern ihres Wesens sei es, eine Plattform für Product-Placement und Name-Dropping zu sein, genau deshalb sei sie ein Star geworden.
Banksy und Danger Mouse haben ihr insofern den größten vorstellbaren Gefallen getan, als sie durch ihre Kunstaktion den Link zurück zu Paris Hilton legten. Was so kompliziert klingt, ist nichts weiter als das Prinzip moderner Netzwerke: Auch eine Myspace-Seite hat selten viel greifbaren Inhalt. Sie ist vor allem dazu da, andere Seiten miteinander zu verbinden.
Der besagte Danger Mouse stellte sich mit Gnarls Barkley sogar auf Konzertbühnen, eher unwillig. „Alle beobachten uns. Da ist es gut, wenn man immer sagen kann: Ich bin’s doch gar nicht! Das ist ein anderer!“ Zu dem Zweck erschienen Gnarls Barkley zu Fotosessions und Konzerten ausschließlich in Kostümen -Verkleidungen, die betonte Verschleierung von Identitäten, um sich den Ausweg offen zu halten. Freilich spielt auch Paris Hilton eine wohl konstruierte Rolle, aber dass sie in nächster Zeit das Kostüm wechselt, ist unwahrscheinlich. Weil eine Marke Kontinuität haben muss, und weil die Leute schlau genug sind, sie nicht wirklich für dumm zu halten.
Ihre neue Sauf-Freundin Britney Spears ist das haarsträubendste Gegenbeispiel. Sich plötzlich das Höschen abzustreifen, nur weil der Mann weg ist – so aufrichtig diese Gefühlsregung auch sein mochte, sie wirkte furchtbar schlecht gespielt.