Stadt, Land, Techno – „We are Modeselektor“. Premiere in Berlin.
Das filmische Porträt von zwei Techno-Besessenen, die einst - ohne Konzept und Lebensperspektive - auf dem heimischen Dachboden anfingen und hinaus in die Welt zogen, um dieser zu zeigen, dass man mit wenigen Mitteln viel machen kann.
„Hallo Mama“, ruft Sebastian Szary berlinernd ins Publikum. „Wir wollen uns bedanken, dass ihr gesehen habt, wie wir wirklich sind“ schallt es von einem freudestrahlenden Gernot Bronsert hinterher.
„Wir sind Modeselektor“ verkünden die Beiden im Rampenlicht, bevor sie in die Partymeute eintauchen. Für ihre 72-minütige Filmdoku „We are Modeselektor“ über das Produzenten- und DJ-Gespann haben die Regisseure Romi Agel und Holger Wick die Menschen hinter den Soundmaschinen ein halbes Jahr lang begleitet. Gemeinsam kramten sie in den Videoarchiven und teilten Bus, Bett und Bier. Im familiären Kreis von Freunden, Weggefährten und der Verwandtschaft wurde nun im Berliner Kino International Premiere gefeiert.
Im Hauptsaal des ehemaligen DDR-Kinos herrscht vertraute Stimmung. Auf dieser Premiere wird heute kein fliegendes Popcorn-Buffet serviert, es gibt ganz normal Sekt, Bier und Orangensaft. Während sich das übliche Modevolk noch daheim für die Aftershowparty schick macht, haben Techno-Veteranen jenseits der Dreißig mit Schieber-Kappen aus Lack, genauso wie Modeselektor-Weggefährte Sascha Ring alias Apparat (heute im feierlich schwarz-weißen Zwirn) neben der Verwandtschaft Platz genommen. Das Hipster-BlingBling muss noch warten.
Zurück zur Filmdikumentation. Bevor es Bronsert und Szary nach Berlin verschlägt, wachsen die beiden Nachwendekinder in der brandenburgischen Einöde auf, drücken schon gemeinsam die Schulbank. „Musikalisch war beim Sebastian überhaupt nichts erkennbar“ erzählt Szarys Mutter im Film und erinnert sich, dass der Junge früher sein gesamtes Geld im Berliner Techno-Plattenladen Hardwax verschleuderte.
Die Doku ist ein Intermezzo aus altem Videomaterial, den Anfängen in den 90er Jahren, damals noch ein „naives Jungsbudenbau-Technogeflecht“, wie es Bronsert nennt, Tourmitschnitten und Statements von Wegbegleitern. Angefangen bei den Amateuraufnahmen der frühen Bunkerparties im brandenburgischen Rüdersdorf, geht es über Videos der ersten Auftritte in den Berlin-Mitte Clubs Kurvenstar und WMF, bis zu den heutigen Backstage-Bildern aus dem Touralltag des mittlerweile international gefeierten Techno-Popacts, bei dem Thom Yorke ins Schwärmen gerät und der – von Ferropolis bis Guadalajara – die Bühnen dieser Welt bespielt. Auch Wegbereiterin Ellen Alien kommt zu Wort und erzählt von der Emanzipation aus der Kinderstube Bpitch hin zum eigenen Label Monkeytown Records.
Detailiert zeichnet der Film ein Bild von zwei Techno-Besessenen, die einst – ohne Konzept und Lebensperspektive – auf dem heimischen Dachboden anfingen und hinaus in die Welt zogen, um dieser zu zeigen, dass man mit wenigen Mitteln viel machen kann. Zwei Ying-und-Yang-Persönlichkeiten, deren Geheimwaffe sicher ein Mix aus ihrer Zugänglichkeit und Radikalität ist. Unverstellte und auf dem Boden gebliebene Typen mit dem Schalk im Nacken, die sich ihr persönliches Auenland bewahrt haben und mit denen man heute noch Baumhäuser bauen möchte – und die trotz dieses biographischen Rückblicks hoffentlich noch einiges vorhaben.
Nach der Vorstellung luden Modeselektor auf der Aftershowparty im Kino-Foyer gemeinsam mit Andi Toma (Mouse on Mars), Sound Pellegrino Thermal Team und DJ Skate hinter den Turntables für die Öffentlichkeit zum Rave in den Mai.
Die DVD zum Film erscheint am 3. Mai 2013 auf Monkeytown Records.
Weitere Kino-Termine:
08. Mai: München (GER) / Gabriel Filmtheater
09. Mai: Wien (AT) / Ottakringer Brauerei
17. Mai: London (UK) / Roundhouse
24. Mai: Paris (FR) / La Machine du Moulin Rouge
13.-15. Juni: Barcelona (ES) / Sonar Festival
19.-23. Juni: Köln (GER) / C/O Pop