Im Kampf gegen die Streaming-Giganten gibt es nur Pyrrhussiege
Es ist keine Überraschung, dass Neil Young und Joni Mitchell wieder bei Spotify sind.
Zwei Kanadier gegen den Rest der Welt. So fühlte es sich für einen Moment an, als Neil Young und Joni Mitchell 2022 ihre Plattenfirma aufforderten, alle Alben auf Spotify entfernen zu lassen. Gut, es waren auch noch ein paar andere Mitstreiter von Young dabei (etwa Nils Lofgren), und es gibt auch zahlreiche Streaming-Verweigerer – wie Elektropionierin Wendy Carlos – , aber zu einer Bewegung wurde der kleine Aufstand nicht. Das liegt daran, dass ihn der Sänger damit begründete, das Streamingportal würde mit Joe Rogans Podcast Verschwörungstheorien eine Plattform geben.
Wir erinnern uns: 2022 sendete der lautstarke Amerikaner Rogan exklusiv für Spotify und ließ dabei auch Menschen zu Wort kommen, die von einer Corona-Impfung nichts hielten. Weitere Fake-News-Anfälle folgten, berührten aber die meisten Menschen nicht. Das schwedische Unternehmen ließ sich den Rogan-Coup übrigens eine gewaltige Millionensumme kosten. Auch, weil man in der Unternehmenszentrale längst zu dem Schluss gekommen ist, dass ungewöhnliche Podcasts sehr viel eher ein Grund sind, ein kostenpflichtiges Abo abzuschließen als Millionen von Songs, die es eh bei vielen Anbietern zu haben gibt.
Stichwort Rogan: Inzwischen wurden die Verträge mit Spotify geändert. Aber nicht weil Rogan an Hörern verloren hätte, sondern weil er einfach mit noch mehr Interessenten rechnen kann, wenn man ihn auch bei Apple Music und Co. schwadronieren lässt. Das ließ Young und nun auch Mitchell einknicken, weil ein Boykott all der anderen Streamer mit Blick auf die eigenen Geschäftszahlen wenig Sinn ergeben würde und eine einseitige Blockade von Spotify nun noch weniger Begründungstiefe hätte.
Es geht auch um die Soundqualität
Immerhin verwies Grantler Young, der seinen eigenen Katalog in Spitzensoundqualität vertreibt, darauf, dass der Streamingdienst immer noch eine lausige Audio-Auflösung seiner Inhalte anbiete, obwohl seit langer Zeit eine HiFi-Option angekündigt ist (die viele Wettbewerber, darunter auch Amazon, schon haben).
Mal abgesehen von den Rock-Romantikern, die sich aus unterschiedlichen Gründen immer weniger Platten ins Regal stellen, wurden Young und Mitchell aber bei Spotify – und das sollte man sich klar vor Augen führen – eigentlich nicht vermisst. Die großen Streaming-Konzerne sind zwar Content-Anbieter, aber ihre Marktmacht erhalten sie aufgrund exklusiver Inhalte, einem kaum zu überblickendem Gesamtangebot und dem Versprechen, dass man die eigenen Interessen bestmöglich teilen kann. Politische Gründe zählen da wenig, technische sind eine Frage des Geschäftsmodells.
Streaming ist ein Fluch für kleine Künstler, aber ein Segen für die Plattenfirmen
Anscheinend stuft Spotify das Gros seiner Hörerinnen und Hörer so ein, dass es sich wenig darum schert, ob „Led Zeppelin II“ oder „The Black Album“ klingen wie Brei. Vieles wird eben nebenbei gehört, unterwegs oder mit Anlagen verstärkt, die jedem Audiophilen Haarausfall bescheren würden. Dagegen ist derzeit wenig anzukommen, das spüren selbst die Größten der Branche. Jeder Aufstand endet höchstens mit einem Pyrrhussieg. Viel zu sehr sind die positiven Geschäftszahlen der letzten Jahre, die den Plattenfirmen wieder einen Aufwind bescherten, auf rapide steigende Marktanteile beim Streaming zurückzuführen. Auch wenn das Vergütungsmodell einer modernen Versklavung kleinerer Künstler gleichkommt.
Hinzu kommt, dass viele Popstars lieber gleich den anderen Weg nehmen. Als Taylor Swift 2022 ihr Studioalbum „Midnights“ veröffentlichte, gab es das bei Spotify schon früher und mit anderen Songs als woanders zu hören. Der einsame Kampf von Neil Young täuscht etwas darüber hinweg, dass es eigentlich gar keinen Kampf um eine bessere Zukunft der Streamer gibt. Die Musiklabels konzentrieren ihre Energie derzeit eher darauf, unprofitable Branchenmitspieler wie TikTok zu attackieren.