Spot an! Zum 70. Geburtstag von Ilja Richter
Kleine Hommage an den jugendlichsten Moderator aller Zeiten
Ilja Richter hat die „disco“ verlassen, aber die „disco“ verließ niemals ihn. Neben „Beat-Club“ und „ZDF-Hitparade“ war es die prägende Sendung des frühen Abends in den 70er-Jahren. Von 1971 bis 1982 moderierte Richter dieses bizarre Stelldichein von Musikern aus aller Welt. In der „disco“ traten Slade und Abba, Peter Maffay und Udo Jürgens, Smokie und die Bay City Rollers auf, alle angesagt von dem Schlaks in Anzug und Fliege von der Kanzel aus Acryl.
Ilja Richter war 18, als die Sendung (die aus „4-3-2-1 Hot & Sweet“ hervorging, auch von ihm moderiert) im ZDF begann. Da war er schon ein Routinier des Theaters und des Fernsehens. Als Achtjähriger wurde er vom RIAS für ein Hörspiel von Ephraim Kishon engagiert und sprach danach in 60 weiteren Radio-Inszenierungen. 1961 hatte er seine erste Rolle am Berliner Renaissance-Theater, zwei Jahre später trat er in dem Musical „Annie Get Your Gun“ im Theater des Westens auf. Neben Vicco Torriani spielte und sang er 1966 im „Weißen Rössl“.
Ilja Richter – ein Junge, als Erwachsener verkleidet
Vielleicht rührte daher Richters Begeisterung für die Operette. Seine gesungenen und getanzten Verballhornungen aus dem Off der „disco“, die gespielten Kalauer und Wortwitze waren sagenhaft albern, aber nicht simpel. Die gedrechselten Dialoggeplänkel überstiegen oft die Möglichkeiten jüngerer Zuschauer. und die Zuschauer waren jung. Die „disco“ waren eines der wenigen Distinktionsmerkmale der Jugendlichen: Die Großeltern schauten den „Blauen Bock“, die Eltern „Einer wird gewinnen“, die Kinder „disco“, und alle zusammen schauten Wim Thoelkes „Großen Preis“ und Hans Rosenthals „Dalli-Dalli“.
Ilja Richter war ein drolliger Außenseiter, der einzige junge Mensch, der keine Jeans trug, ein Junge, als Erwachsener verkleidet, der in seinen Sketchen mit älteren Showbiz-Granden Klamauk machte. Ilja war der Wohlerzogene, der es faustdick hinter den Ohren hatte. Und er war einige Jahre heimlich mit der schönsten Sängerin seiner Show zusammen, mit Marianne Rosenberg, in die wir selbstredend alle verliebt waren. Richters berühmter Ausruf „Licht aus, Spot an!“ war bei jeder Sendung das Signal für die wunderbaren Bizarrerien der Popmusik und des Schlagers. Richtig ernsthafte und harte Rockbands traten in der „disco“ nie auf. Und diese Mofarocker mit der Bürste in der Hinterntasche guckten nicht „disco“, sie guckten später „Rockpop in Concert“.
Ilja Richter, 1952 in Berlin-Karlshorst geboren, war immer ein anspruchsvoller, ein distanzierter Conferencier. Ein anderes Wunderkind, Michael Schanze, war der volkstümliche Ranschmeißer. Ilja, Sohn einer Schauspielerin, die in Berlin eine Pension führte, war der etwas schrullige Spaßmacher bei der Familienfeier. Nach dem Ende der „disco“ spielte er Theater und führte Regie, man sah ihn in Berliner und Hamburger Inszenierungen, bei Lesungen und in Fernsehfilmen. Er schrieb Bücher; „Porträts von Menschen, die mich prägten“ ist eben erschienen.
Außerdem ist Ilja Richter sowieso der Größte, denn er spielte in „Tante Trude aus Buxtehude“.