Zwischen Unwettern und EM-Euphorie: So war das Splash! 2024
Deutschlands größtes Hip-Hop-Event war in diesem Jahr eine Achterbahn der Gefühle.
Vier Tage lang, von Mittwoch (3. Juni) bis Sonntag (7. Juni), spielten 91 Acts auf den Bühnen der Stadt aus Eisen im ländlichen Graefenheinichen. Vier Tage, die unberechenbarer wohl nicht hätten sein können: Das Wetter, die Musiker:innen, die Veranstalter und Deutschlands Nationalelf sorgten für eine emotionale Berg- und Talfahrt auf dem Splash! 2024.
Vier Tage Hip-Hop-Liebe
Bei der Anreise am Mittwoch gegen 13:00 Uhr lag im Landkreis Wittenberg in Sachsen-Anhalt Aufbruchstimmung und Vorfreude in der Luft.
Aus allen Himmelsrichtungen strömten rund 25.000 Besucher:innen per Auto, Zug, Bus und zu Fuß in Richtung Festival-Gelände.
Klar, egal wie gut man die Bier-Paletten mit Gaffa umwickelt und sich die Klapp-Stühle zwischen dem Rucksack auf den Rücken gespannt hat, die Anreise bleibt ein Kraftakt. Nachdem der Pavillon und im besten Fall das Wurfzelt steht, kann die Sause offiziell losgehen.
Für diejenigen, die nicht bis zu den regulären ersten Gigs am Donnerstag (4. Juni) abwarten wollten, gab es gegen 40 Euro Aufpreis ein Ticket zur Pre-Party.
Maiya the Don eröffnete den Abend und übergreifend die gesamten vier Tage mit einem Auftritt auf der sogenannten Playground-Stage.
Ćelo & Abdï bringen „Hinterhofjargon“ nach Ferropolis
Dann übernahmen Ćelo & Abdï, mit Straßenbars, die Szenefläche. Die OG’s aus Frankfurt lieferten einen soliden, ehrlichen Auftritt ohne viel Schischi, dafür aber mit Fußball-Referenz.
Abdï im Dress des FC Barcelona und Ćelo im Real-Madrid-Trikot bildeten zwischen den geschätzten 1000 Menschen zwei Fußball-Lager, die sich durch den viral gegangenen Song „Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen“ verbunden fühlten. Da waren sich auch im Publikum viele einig.
Mit Deutschrap-Klassikern wie „Besuchstag“, „Frauen“ und „Hektiks“ von ihrem Großwerk „Hinterhofjargon“ aus dem Jahr 2012 ließen die beiden Oldschool-Herzen höher schlagen, vor allem auch, weil sie einige Tracks mit 2000er Hip-Hop-Beats aufpimpten.
Als kleine Überraschung kam Ćelo & Abdïs aktuelles 385idéal-Signing Amo für dessen Neuinterpretation von „Amo aller Amos“ auf die Bühne.
Im April dieses Jahres wurde bekannt, dass der „Rap La Rue“-Drittplatzierte der neue Schützling des „Duo Numero Uno“ ist.
Paula Hartmann gehört bereits zum Splash!-Inventar
Paula Hartmann sorgte als nächster Act für den vollkommenen Kontrast auf der mittelgroßen Bühne. Über einer schwarzen Skyline spazierte die 23-Jährige unter anderem zu „Kugeln im Lauf“, „Fahr uns nach Hause“ und „Candy Crush“.
Welche Stadt das Bühnenbild darstellen sollte, ließ sich zunächst nicht eindeutig erkennen. Ein Gebäude erinnert allerdings stark an die Gedächtniskirche am Ku’damm in Berlin.
Gut möglich also, dass es sich um Schauplätze aus der Hauptstadt handelt, immerhin erzählte die Berlinerin in einem Interview mit Aria Nejati im März dieses Jahres, dass ihr aktuelles Album „Kleine Feuer“ szenisch an Orten rund um das Europacenter spielt.
Die Sängerin kam nicht ohne Unterstützung. Gemeinsam mit T-Low performte sie deren gemeinsamen Track „Sag was“, den, der Geräuschkulisse nach zu urteilen, alle in- und auswendig kannten.
Die Toilettensituation ist für die Toilette
Dazwischen ist kurz Zeit für eine Toilettenpause, wobei „kurz“ bei den Splash!-Toiletten nach wie vor kaum machbar ist.
Wie bereits im letzten Jahr sind auch 2024 im Verhältnis zur Besucher:innen-Anzahl zu wenige Toiletten auf dem Gelände.
Zwischen Shows kommt es deshalb zu langen Warteschlangen, weswegen man sich leider zweimal überlegen muss, ob man lieber aufs Klo oder pünktlich zum nächsten Konzert möchte.
„Und dann kam Essah!“
Um 21:15 Uhr kam Kool Savas sieben Jahre nach seinem letzten Splash!-Auftritt auf die Bühne in Ferropolis. Als wäre er nie weg gewesen, gingen alle zu Essahs Klassikern „Immer wenn ich Rhyme“, „Rhythmus meines Lebens“, „Deine Mutter“ und „Neue Welt“ ab.
Und obwohl man meinen könnte, dass Savas nach rund 25 Jahren im Rap-Business mit dem Interesse an seiner Person vertraut ist, gab es vom Management die ganz klare Anweisung, dass keine Medienschaffenden im Bühnengraben stehen dürfen.
Der Donnerstagmorgen startete mit einer bösen Überraschung. Der Wind hatte in der Nacht den Pavillon mehr oder minder abgebaut.
Als Sexyy Red um 20:00 Uhr auf der Mainstage auftreten sollte, schüttete es aus Eimern. Auch deshalb wurde der Gig der Amerikanerin nach hinten verschoben. Offset sollte stattdessen vorzeitig auf die Bühne kommen. Bis dahin suchten viele in der Indoor-Gaming-Area Schutz. Dort konnte man unter anderem über eine Playstation One kultige Sonic-Spiele zocken.
Der „Big Dawg“ und Sexyy Red
Als der Regen nachgelassen hatte, heizte Offset die Stimmung mit Songs wie „BIG DAWG“, „HOP OUT THE VAN“ und „WORTH IT“ wieder auf. „Wenn du mit jemandem, den du liebst, hier bist, mach ein bisschen Lärm“, rief er ins Mikro und gab dann einen Shoutout an seinen verstorbenen Migos-Partner Takeoff.
Um 22:00 Uhr wurde es auf der Mainstage dann doch noch feuerrot, als Sexyy Red mit gut zwei Stunden Verspätung eine Show eröffnete, die ihrem Namen alle Ehre macht.
In ihren Texten ist sie eine Frau der vielen Worte, nicht aber wenn es darum geht, sich gegenüber dem Publikum für die Verzögerung zu erklären. Das ignorierte die rothaarige Rapperin nämlich gekonnt weg.
Stattdessen gab es heiße Moves zu ihren (zugegebenermaßen wenigen) Hits „Pound Town“, „Get It Sexyy “und „SkeeYee“, inklusive „Ey Sexyy“ Gekreische von der begeisterten Crowd.
Shirin David und Laas schließen den Kreis
Highlight des Abends: Shirin David, die pünktlich um 00:30 Uhr die Mainstage betrat. 2023 feierte David ihr Bühnendebüt mit einem Gastauftritt bei Haftbefehls Performance auf dem Splash!. Ein Jahr später darf sie selbst als Hauptact auf genau dieser Bühne stehen.
Für eine deutschsprachige Rapperin etwas ganz Besonderes, immerhin reiht sich die 29-Jährige damit hinter Nicki Minaj als zweite weibliche Headlinerin ein.
Es schien, als wäre David sich dieser Verantwortung bewusst, denn der 75-minütige Gig war offensichtlich bis ins letzte Detail durchdacht. Von den Backroundtänzer:innen bis hin zu den Outfits und den Lichtern stimmte alles, nur der Ton nicht – mit dem hatte die Sängerin mehrfach technische Probleme.
Trotzdem zog David ihre Sache durch und machte mit Songs wie „90/60/111“, „Lieben wir“ und „Juicy Money“ ordentlich Stimmung, in dem sie für jeden Track eine einstudierte Choreografie präsentierte. Die Fußarbeit konnte jedoch nicht durchweg davon ablenken, dass Shirin David mit einem wasserdichten Playback auf der Bühne stand.
Wie bereits vorher via Instagram angekündigt, hatte sie eine Überraschung mit dabei, und zwar ihren Songwriter Laas Unltd.
Der Rapper stand das letzte Mal 2012 gemeinsam mit Kool Savas auf der Splash!-Bühne. Ein sogenannter „Full-Circle-Moment“ also.
Freitag = Spieltag
Zu diesem Zeitpunkt noch voller Zuversicht, war der Camping-Platz bereits am Freitagvormittag total im Fußballfieber.
Auf allen Camping-Bereichen wurden die Trikots ausgepackt, Fußball-Hymnen angestimmt und fleißig auf der Grünfläche gekickt, bevor es gemeinschaftlich pünktlich um 18:00 Uhr zum Public Viewing (EM-Spiel: Deutschland gegen Spanien) vor die Mainstage ging.
Der Ausgleichstreffer von Florian Wirtz in der 89. Spielminute sorgte vor der Bühne für ganz große Emotionen. Leider drehte sich die Stimmung nach Spielende, als feststand, dass Deutschland nicht ins Viertelfinale einziehen wird.
Der zuvor nur als Secret-Act angekündigte Reezy tat sich dementsprechend erst einmal schwer, gegen die schlechte Laune anzuspielen.
Nach den ersten beiden Songs hatte er die verbleibende Crowd allerdings fest im Griff, vor allem als Luciano für den gemeinsamen Song „Expensive Shit“ auf die Bühne kam.
Jordan Ward hat die Moves drauf
Für noch mehr gute Stimmung konnte Jordan Ward um 22:00 Uhr auf der Playground-Bühne sorgen. Auch wenn der aus St. Louis-stammende Musiker vor einem vergleichsweise kleinen Publikum spielte, liefere er eine große One-Man-Show ab.
Zu „FAMJAM4000“, „Lil Baby Crush“ und „Player Two“ legte er seine coolsten Bewegungen samt Spagat aufs Parkett und ließ zumindest die EM-Niederlage für einen kurzen Moment vergessen.
Um 23:00 Uhr sollte Chief Keef eigentlich die Mainstage einnehmen. Der tauchte dort allerdings nie auf, was im Übrigen von den Veranstalter:innen weder vorab noch nachträglich kommuniziert wurde.
Inflation oder „Shrinkflation“?
In der spontanen Pause ging es deshalb zu einem der Essensstände, bei dem es für sage und schreibe 12 Euro einen kleinen Yufka auf die Hand gab.
Verständlich, dass die Betreiber die Preise im Vergleich zum Vorjahr ein wenig an die Inflation anpassen müssen. Die Größe der Portionen sollte davon unabhängig allerdings gleich bleiben, ansonsten sprechen wir nämlich vielmehr von einer bewussten „Shrinkflation“.
Gianni Suave liefert Wohnzimmer-Konzert
Eine der herausragenden Nummern lieferte Gianni Suave, denn der „Gold League“-Neuzugang riss kurzerhand die kleinste Stage des Splash!-Festival ab.
Auf der Green Stage, die, wie der Name schon verrät, mitten im Grünen liegt, sorgte der Rapper mit „Yapa“, „Ultra Rare“ und „Flamenco“ für einen Moshpit nach dem anderen.
Mit auf der Bühne dabei: OG Keemo, der bereits auf der Mainstage aufgetreten war, sein Produzent Funkvaterfrank und Ramsey.
Das war exklusiver Content – immerhin stand dieser Kombi-Auftritt nicht auf dem Plan. Auf der „Rockstar-Bühne“, wie Gianni Suave sie selbst liebevoll nannte, bot sich für das schmale Publikum ein einmaliges Wohnzimmer-Konzert. Der Rapper zeigte sich mit einem „Danke Splash!“ mehrmals sichtlich beeindruckt von der Energie der Menge kurz vor Mitternacht.
Von der Sonne, zum Regen, bis in die Traufe
Am Samstag (6. Juni), dem letzten Konzerttag, legte dann erst einmal die Hitze los. Am Mittag erreichten die Temperaturen in der Sonne 29 Grad, weshalb es für eine Abkühlung in den anliegenden Gremminer See ging.
Dort kann man an einigen Stellen ganz entspannt im Sand liegen und sich einbilden, man wäre im Strandurlaub. Ein echter Bonuspunkt am Ferropolis-Gelände!
Leider hielt sich das Traumwetter nicht lange und es brach ein heftiges Sommergewitter herein, das alles unter Wasser setzte, was nicht auf drei im Zelt war.
Während Lugatti & 9ine um 17:30 Uhr die Mainstage rockten, waren die meisten also damit beschäftigt, im Trockenen zu bleiben. Pünktlich zu Pashanims Auftritt ging es wieder aufs Konzert-Gelände.
Pashanim – Kreuzberg 61 represent
Der Rapper aus Kreuzberg durfte in diesem Jahr das erste Mal auf der größten Splash!-Bühne spielen – und das vollkommen zurecht.
Schätzungsweise 15.000 Menschen versammelten sich um 21:15 Uhr vor und um die Hauptbühne, um mit Pashanim zu „Airwaves“, „Shababs Botten“, „Ms. Jackson“ abzugehen.
Wie bestellt zog sich passend zu Pashas Track „Sommergewitter“ ein beeindruckender Wolkenhimmel auf, der glücklicherweise keinen Tropfen entließ.
Wolkenhimmel während Pashanims Splash!-Auftritt 2024
Rin nennt sich „King of Splash!“ – zurecht?
Rins Auftritt startete um 23:00 Uhr mit einem kurzen Einspieler. Dann kam der selbsternannte „King of Splash!“ mit seinem Track „Keine Liebe“ auf die Bühne. Bescheiden – oder nicht?
Zugegeben, der Bietigheimer hat sich für seinen Auftritt ordentlich was überlegt. Nach „Monica Belucci“ stimmte Rin „Sternen Staub“ an und holte dafür seinen Feature-Kollegen Schmyt mit auf die Bühne.
Dabei sollte es nicht bleiben, für den im April dieses Jahres erschienenen Track „Whip“ kam Splash!-Urgestein Trettmann mit dazu.
In der Hälfte des Sets tauchte Rin inmitten der Menge auf einem Podium auf, das für Besucher:innen rechts von der Mainstage leider kaum einsehbar war. Für die hitzigen Tracks ging es zurück auf die Hauptbühne, wo er die Masse zu „Bass“ und „Avirex“ in ausgelassene Moshpit-Stimmung versetzte.
„Papa ist zurück“ hieß es seitens Rin, der dem Splash! wie er selbst sagte, „echten Hip-Hop“ zeigen wollte. Und das darf man sagen, ist dem 30-Jährigen bestens gelungen.
Mit dem Auftritt von 21 Savage fand das Splash! 2024 dann zumindest auf der Mainstage ein eher launiges Ende. Der Rapper wirkte während seines Auftritts lustlos und gelangweilt, gab sich keine großen Mühen, die Menge anzuheizen. Das konnte auch sein Retro-FC-Bayern-München-Trikot nicht wettmachen.
Das könnt ihr besser Splash!
Leider hat man diese Einstellung nicht nur bei 21 Savage wahrnehmen können, sondern auch bei den Splash!-Organisatoren. Denn im Gegensatz zum Vorjahr wurde an einigen Stellen abgebaut.
Die Wege zu den Parkplätzen wurden nicht für die An- und Abreise präpariert, dementsprechend waren die Laufwege nach den Unwettern nicht mehr als ein (gefährliches) Schlammbad.
Die zuvor in der Splash!-App angepriesenen Trinkwasserstellen wurden im Vergleich zum Vorjahr deutlich reduziert, weshalb viele ihre Flaschen an den WC-Waschbecken auffüllen mussten. Das wiederum führte zu zusätzlichen Staus vor den eh schon überfüllten Toiletten.
Statt eines echten Moderators oder einer Moderatorin, die die Besucher:innen durch die Tage begleitet, sprach eine Computerstimme die Abschlussworte an das Publikum und leitete das obligatorische Feuerwerk über der Bühne ein.