Später Blues vom strengen Firmenboss
Der Routinier Steve Miller kehrt zu zu seinen Wurzeln zurück – mit pädagogischem Auftrag.
Geben Sie es ruhig zu: Sie halten Steve Miller für einen Pop-Songwriter, der in den Siebzigern eine Handvoll Hits wie „The Joker“ oder „Fly Like An Eagle“ hatte.
Vor und nach seinem Ausflug in die Charts war Steve Miller aber vor allem ein arrivierter Blueser, der schon Anfang der Sechziger mit Muddy Waters spielte, später mit Chuck Berry, Buddy Guy und B. B. King. Vom Pop hatte er bald die Nase voll, zumal sich natürlich die Zeiten änderten. Anfang der Achtziger war Miller nicht mehr so gefragt, nach „Abracadabra“ war Schluss mit den Hits. Dennoch spielte er nach wie vor 50, 60 Konzerte im Jahr.
Mittlerweile ist Miller 67 Jahre alt, aber darüber kein bisschen langsam, sondern direkt und klar – wie ein Firmenboss. „Ich verplempere meine Zeit nicht mit Amateuren“, sagt er etwas barsch und meint damit die Leute im Musikgeschäft. „Ich sage ihnen, wann die Meetings sind und was zu welchem Zeitpunkt geschehen soll.“
Unter dem Namen „Bingo!“ erscheint jetzt ein neues Album mit Blues-Covern, eingespielt in George Lucas‘ Skywalker-Studios. Miller geht mit dieser Platte zurück zu seinem musikalischen Ursprung – ins Chicago der frühen Sechziger. Allerdings werden die Songs von Jimmy Reed, T-Bone Walker, B. B. King und Jimmy Vaughan zu kräftigen Blues-Rockern, die eher an Joe Bonamassa erinnern als an Muddy Waters.
700.000 Dollar habe die Produktion gekostet, rechnet Miller vor und redet vom Break-Even, von Effizienz im Studio und der Hoffnung, dass sich die Platte refinanzieren wird. Auch ein bisschen Sendungsbewusstsein ist im Spiel: „Es sind so viele Leute da draußen, die nur ihre beschissene kleine Pop-Welt im Kopf haben“, sagt er unumwunden. „Wenn sie zu unseren Shows kommen, werden sie wenigstens ein bisschen gebildet und kennen hinterher vielleicht Howlin‘ Wolf. Das ist die Mühe dann doch wert.“ Jörn Schlüter