Southside 2013 – der Freitag: zerbrochene Scheiben und mordende Krähen
Ein bisschen tolle Horrorshow: der Southside-Freitag mit Queens Of The Stone Age, The Gaslight Anthem und The Smashing Pumpkins
Die Freiheit und das Glücklichsein.
Eine bessere Beschilderung hätten wir dem ersten Tag des diesjährigen Southside-Festivals gar nicht verpassen können. Nun ja, zugegeben: Dieser Satz ist nicht von uns, sondern von einer jungen, blonden Besucherin, die etwas angeheitert dem Auftritt von Alt-J auf der Blue Stage lauscht. Und auch wenn die Dame ein wenig weggetreten ist, hat sie wohl Recht: Dieses Wochenende bieten sich den Besuchern so ziemlich alle Möglichkeiten, die ein Open Air mit sich bringt. Schnell wird auch klar, wie sich die Festivalbesucher austoben: durch das Tragen kreativ voll ausgereifter Kostüme. Wer beispielsweise einmal zwischen Frank Turner und I am Kloot dasmehr oder weniger stille Örtchen besuchen muss, muss aufpassen, dabei nicht von drei zweieinhalb Meter hohen Inspector-Gadget-Karnevalisten ausgespannt zu werden. In Konkurrenz zum inoffiziellen Wettbewerb um die beste Gewandung treten aber noch etliche andere.
Ganz oben mit dabei drei knallbunte Pantomimen oder ein Mädel mit Sigmund-Freud-Bart, um den sie jeder in die Jahre gekommene Hipster beneiden würde. Und wer ganz genau hinsieht und nachfragt, kann auf einen extrovertierten rosa Plüschhasen treffen (oder –rammler, weil männlich), der felsenfest behauptet, er wäre der Großcousin von Konstantin Gropper, der heute mit seiner Band Get Well Soon aufspielt.
Egal, wer hier Gewinner ist, glücklich sind sie alle. Bleibt bei dem schönen Walk of Weirdness aber die Frage, wo den kreativen Knallfröschen dann die Zeit bleibt, sich die ganzen wunderbaren Bands anzusehen. Das Line-Up quillt am Freitag nur so über vor Must-See-Musikern und gibt dem, der sie alle sehen will, ein verdammt hartes Schedule vor. Da überschneiden sich die Wüsten-Anbeter Queens Of The Stone Age mit den Godfathers Of Bühnenenergie, The Smashing Pumpkins. Alt-Js Synthi-Gewummer steht in krassem Kontrast zu NOFXs-Fuck-Off-oder-doch-nicht-Gangart. Johnossi kriegt es mit Get Well Soon zu tun. Und Two Door Cinema Club wollen gleichzeitig mit den Leuten abgehen, wie auch FM Belfast, Triggerfinger und Gaslight Anthem. Und das ist noch lange nicht alles. Allein beim Planen kriegt man Stress-Pusteln, aber das sind Luxusprobleme. Also zusammen reißen und der Reihe nach:
Die Eröffnung der Red Stage gib es mit Peace und mit ihnen zumindest stilistisch ein Ramones-Déjà-vu. Die Haare klatschen Harry „Harrison“ Koisser und Konsorten ins Gesicht – und bleiben trotz Schweinehitze auf und vor der Zeltbühne auch da kleben. Samuel Koisser gibt am Bass in sich zusammengesunken, mit Röhren-Buchse und dem nach innen abgeknickten, auf den Zehenspitzen balancierenden rechten Fuß, den Johnny Ramone – oder Joey Ramone. Insgesamt geht aber alles aber mehr in Richtung Luke Pritchardscher Gesangskunst, nicht zuletzt wegen der charmant-britischen Attitüde. Mit zusätzlich psychedelischer Note der 60er und Songs wie „Bloodshake“, mausert sich das Debüt der Band „IN LOVE“ sicherlich bald zu einer der Lieblingsplatten der Zuschauer.
Nebenan auf der White Stage geben derweil bereits das Duo um Deap Vally ihre Vintage-Seele der begierigen Menge preis. Der recht simple Rockentwurf mit haufenweisen schreddernden Powerchords funktioniert. Wenn es dann seitens Lindysey Troy in „Baby, I Call Hell“ die Frage „Baby, Do You Love me“ schrillt, sind sich nicht nur die Herren der Schöpfung sicher: Ja, tun wir. Baby.
Ein wenig gediegener ging es dann bei Frank Turner und seinem Mitbringsel The Sleeping Souls zu. Auch wenn der mit seinen Pub-Folk mittlerweile quasi zum festen Equipment der deutschen Festival-Szene gehört, beschert ein Besuch eines Konzertes doch immer wieder schöne Momente. So kann der Zuhörer gerne mal den blasphemischen Super-Typen mimen, wenn „Glory Hallelujah“ zum von der Akustik-Klampfe getragenen Anti-Bibel-Kreis lädt: „There is no God, so clap your hands together“. Tun wir alle. Und weil das so lustig ist, verzeihen wir auch mal die ausgelutschte In-Die-Knie-Gehen-Nummer, um dann auf Kommando hochzuspringen.
Wer sich wirklich bereits am späten Nachmittag verausgaben möchte, kann dann zu Johnossi gehen, muss allerdings in Kauf nehmen im treibhausähnlichen Zelt nicht nur von den durchgeschwitzen Nachbarn, sondern auch von der Decke angetröpfelt zu werden. Das macht aber auch gar nichts, und immerhin hat ein überglücklicher junger Mann, der sich weise seines Shirts entledigt hat, einen Drumstick gefangen, den er beim Grand Final um „What’s The Point“ mitschwingen kann. Get Well Soon und I Am Kloot mögen es da gediegener. Der Patho, den Groppers den Anwesenden der Blue Stage vor die Füße gießt, scheint allerdings um diese Uhrzeit fast vergeudet. „Bei dieser Band müsste gerade die Sonne untergehen“, meint ein Besucher aus der Schweiz zu der Wirkung. Der Theatralik wäre das sicherlich dienlich gewesen.
Die Nachfolger haben weniger Probleme mit der noch recht frühen Tageszeit. Zu den omnipräsenten Alt-J schauen die meisten einmal vorbei. „Mathilda“ und „Fitzpleasure“ wechseln sich sowieso seit geraumer Zeit in der Top-Ten-Liste eigener Dauerohrwürmer und Lieblingssongs ab. Es ist mehr als spannend, sich das fantastische Gemenge aus Elektro-Gedöns, A-Capella-Gesängen und Indie-Pop mal live anzusehen. Denn irgendwie erwartet man bei Joe Newmanns nölendem Gesang, der sich so schön mit den inakkuraten Bass-Gewummer beißt, einen Brille tragenden Geek, der sich hinter seinem Klangcomputer vergräbt und einen Sound, der nur auf CD funktioniert. Weit gefehlt. Der muskelbepackte Newmann steht mit süffisantem Grinsen in der Mitte der Bühne und bläst die Menge mit seiner Interpretation von Synth-Pop um. Nebenan fällt bei „Breezeblocks“ dann der Satz: „Ich bin so gücklich und frei“.
So auf Tanzlaune konditioniert haben es Two Door Cinema Club, The Gaslight Anthem und FM Belfast nur allzu leicht. Mit rotem Schopf und grünem Sakko sieht Alex Trimble von Two Door Cinema Club wie eine äußerst vornehme Variante eines Kobolds aus. Die sind ja bekanntlich ziemlich gut drauf, und so hat er sämtliche Anwesenden in der Sekunde, in der er „Undercover Martyn“ anstimmt. Passend dazu trägt die Menge die typischen Stirnbänder und Wollmützen und gibt den Indie -Trippelschritt-Tanz, nur echt mit im Takt auf-und abgehenden Händen. Pardon, wenn das anmaßend klingt, wir machen ja auch mit.
Nebenan spielen The Gaslight Anthem. Schön zu sehen, dass die Band mittlerweile nach zahlreichen Gigs auf dem Festival zu Abendstunden aufspielt. Nur zu gut erinnert sich mancher Fan an die Band, als sie im Rahmen ihrer „59 Sound“-Tour durch die Lande zog. Mit ihm Gepäck hatte sie Frank Turner, damals noch solo unterwegs und unbekannt. Als Reminiszenz an die alten Zeiten wird der Titel-Track „59 Sound“ gleich verballert. Er ist immer noch gut. Brian Fallon ist mittlerweile jedoch unlängst publikumsaffiner, so verpasst er es nicht, spitzbübische Spielereien mit dem Publikum zu betreiben. Er macht kurzerhand das rhythmische Gaslight-Anthem-Gerufe der Menge zu einem „Go to the bathroom“. Sympathische Prolls sind das. Leider war der Auftritt nicht ganz so energiegeladen, wie wir das von den US-Amerikanern gerne hätten.
Es zieht dann doch ins Zelt zu FM Belfast. Diese treiben gerade mit den abwechselnd vorgetragenen Zeilen „He’s Got The Power“ die Menge an. Die ist auch äußerst feierwütig. Beim zeitgleich spielenden Passenger merkt man davon nichts. Die Verspätung rächt sich aber, es gibt fast keine Chance mehr ins Zelt der „Red Stage“ zu kommen. Wer es nicht schafft, die Zeltwände wie viele der Zuschauer hochzuhebeln, um einen Blick zu erhaschen, muss sich mit Public-Viewing begnügen. Das Konzert wird draußen auch auf einer Leinwand übertragen. Da sieht man Mike Rosenberg dann schließlich doch auf der Bühne stehen, ganz allein im hellen Spot. Dabei hat er nur seine Akustik-Gitarre.
Zu Ende hin erweist sich das LineUp als widerwilliges Miststück. Gegen 23 Uhr überschneiden sich The Smashing Pumpkins und Queens Of The Stone Age. Zum Glück fangen Billy Corgan und seine Bandkollegen ein wenig früher an. Und da steht der Sänger, dessen T-Shirt ein wenig über seinem kleinen „Wir-waren-schon-groß-Bäuchlein“ spannt, blickt mit geneigtem Kopf und kühler Miene von der Bühne und es passiert – nichts. Nun gut, sie spielen „Tarantula“, aber auch die harsche Gitarre will den Funken einfach nicht ins Publikum schleudern. Im Hintergrund werden Retro-Kreisel eingeblendet, die die Menge paralysiert. Und während ein paar Vereinzelte schon zu den Queens schauen, um am Ende das Fazit abzugeben, dass der Auftritt der Smashing Pumpkins ein wenig angestaubt war, hauen diese auf einmal das volle Programm raus: exzessive Gitarren- und Schlagzeugsoli begleitet von dem zugleich elektrisierenden und schockierenden Metall-artigen Gekreische des Altmeisters himself. Und dann berauscht es die Menge nur so durch die besten Songs, angeführt von “X.Y.U“ über das ruhige „Disarm“ – bis einem mit „Tonight Tonight“ eine Atempause gegönnt wird. Faszinierend an dem Auftritt ist aber vor allem, dass Corgan in typischer Manier fast kein Wort mit Publikum spricht. Angeheizt wird hier nicht, die Musik der Band steht dann doch für sich.
Kaum zu glauben, dass es bei Queens Of The Stone Age danach sogar ein wenig ruhiger zugeht. Nach kunstvoll eingespieltem Zerbrechen einer Fensterscheibe auf dem LED-Panel im Hintergrund, betritt ein in einen schwarzen und bodenlangen Mantel gehüllter Josh Homme die Bühne. Auch hier wird nicht gelächelt. Das würde aber auch den Effekt versauen. Den Auftakt gibt die Hommage an sämtliche Drogen dieser Welt: „Medication“. Und weil das ein Festival-Gig ist, wird er zu einem Best Of der Band. Weder „No One Knows“, noch „Little Sister“ oder “Songs For The Dead” fehlen, Letzterer schlicht von Homme mit dem Satz „I love you till death“ eingeleitet. Ein paar neue Sachen aus „…Like Clockwork” haben die Queens auch im Gepäck. Bei „The Vampyre Of Time And Memory” begibt sich Homme höchstpersönlich ans Piano und deprimiert gekonnt dahin. Im Hintergrund läuft die Art Work des Albums mit. Aber auch die Horrorshow im Hintergrund, die allerlei Geschichten über Mumien, mordende Krähen und dergleichen Gruseliges zeigt, täuscht irgendwie nicht darüber hinweg, dass die Königinnen ein minimales Sound-Problem haben.
Statt der geliebten Ecken und Kanten in den Titeln wird ein gleichförmiges Gemenge aus Gitarre, Drums und Hommes eigentlich einzigartig markanter Stimme serviert. Die Band kann hier aber recht wenig dafür, irgendetwas stimmt wohl mit der Anlage nicht. Dazwischen haben zwei Zuschauer der ersten Ränge sogar noch Zeit, sich darüber zu zerkriegen, wo gerempelt werden darf. Dave Grohl mimte an dem Abend übrigens nicht den Drummer. Die Rolle hat er nur für das Einspielen des neuen Albums übernommen. Gestern sahen wir dafür den Tour-Drummer der Band, Jon Theodore.
Verlierer des Abends sind ganz klar Johnny Borrell & Zazou, die zeitgleich mit den Pumpkins und QOTSA spielen müssen. Ist überhaupt jemand da gewesen? Wie dem auch sei, für uns endet der Tag nach den ganzen, tollen Bands auf jeden Fall mit Homme. Wir melden uns morgen wieder.